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Foto: picture-alliance/ dpa
Am 15. September 1949 wurde Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Er sollte das Amt 14 Jahre lang bekleiden.

150. Jubiläum von Adenauers Geburtstag : "Er war ein ganz großer Häuptling"

Der Historiker Norbert Frei hat ein spannendes und kurzweiliges Porträt über Konrad Adenauer, den ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, verfasst.

19.12.2025
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3 Min

Als er am 5. Januar 1876 in Köln als Sohn eines einfachen Justizbeamten geboren wurde, da lag die Gründung des Deutschen Kaiserreiches gerade mal fünf Jahre zurück. Und als der inzwischen studierte Jurist im September 1917 zum jüngsten Oberbürgermeister seiner Heimatstadt gewählt wurde, da waren die deutschen Truppen im Ersten Weltkrieg auf den Schlachtfeldern Flanderns in die Defensive gedrängt worden und die Monarchie bereits am Wanken.

Im April 1933 setzten die gerade erst an die Macht gekommenen Nationalsozialisten unter Adolf Hitler den konservativen Katholiken als Oberbürgermeister der Rheinmetropole schließlich ab. Die Weimarer Republik, in der der Zentrumspolitiker gleich mehrfach als Kandidat für das Amt des Reichskanzlers im Gespräch war, war am Ende und Deutschland versank für zwölf Jahre in der Barbarei der nationalsozialistischen Diktatur.

Adenauer prägte die Geschicke der jungen Republik wie kein anderer Politiker

Rund 16 Jahre nachdem ihn die Nationalsozialisten aus dem Kölner Rathaus vertrieben hatten, wurde der Vorsitzende der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Christlich Demokratischen Union (CDU) am 15. September 1949 zum ersten Kanzler der gerade erst geschaffenen Bundesrepublik gewählt. Und er sollte die Geschicke der jungen, zweiten deutschen Demokratie bis 1963 wie kein anderer Politiker leiten und prägen.

Allein diese wenigen Stationen im Leben und Wirken Konrad Adenauers in gleich vier unterschiedlichen politischen Systeme mögen verdeutlichen, welch sportliches Unterfangen der renommierte Historiker Norbert Frei eingegangen ist, eine Biografie Adenauers auf knapp 300 Seiten vorzulegen. Und so konzentriert sich Frei folgerichtig auch auf die Kanzlerschaft Adenauers "nach der Katastrophe" des Nationalsozialismus, wie es bereits der Untertitel verrät.


Norbert Frei: 
Konrad Adenauer.
Kanzler nach der Katastrophe. Biographie.
C.H. Beck,
München 2025;
317 S., 29,90 €


Als eine Biografie im klassischen Sinne, wie sie beispielsweise der Historiker Hans-Peter Schwarz in einem geradezu monumentalen Ausmaß von mehr als 2.000 Seiten vorgelegt hat, liest sich Freis Buch dann auch nicht. Es ist eher eine Charakterstudie eines der prägendsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts. Entgegen seinem autoritären Führungsstil, seinem Misstrauen gegenüber dem eigenen Volk bezüglich dessen politischer Verführbarkeit, seiner zielstrebigen Außenpolitik, mit der er die junge Bundesrepublik in der Gemeinschaft der westlichen und europäischen Staaten verankerte und die Aussöhnung mit Frankreich und Israel suchte, war Adenauer eben auch ein Mensch mit höchst unterschiedlichen und sich scheinbar widersprechenden Facetten. 

Stolz, stur und selbstbewusst sei er gewesen, "doch ohne eine Spur von Eitelkeit", schreibt Frei. Anspruchsvoll und rechthaberisch, aber selten selbstgefällig. “Auf dem Weg zu einem als richtig anerkannten Ziel war er nicht zimperlich in der Wahl seiner Mittel. Im Umgang mit Menschen, sogar in seiner nächsten Umgebung konnte er kalt und hart und rücksichtslos sein, aber auch charmant und fürsorglich.”

Er betrieb Politik mit Durchsetzungskraft und Gestaltungswille 

Es sind nicht zuletzt diese Unterschiede in Adenauers Wesen, die Frei anhand seiner von "Durchsetzungskraft und Gestaltungswille" gekennzeichneten Politik offenlegt. Frei bleibt immer eng an Adenauer dran, legt seine Motivationen und Handlungsweisen offen, so weit dies die Quellen eben hergeben. All dies bietet dem Leser eine spannende und flotte Lektüre, die obendrein auf einem sprachlich hohen Niveau angesiedelt ist.

Die Stärke von Freis Adenauer-Biografie ist aber zugleich auch ihre vielleicht größte Schwäche. Denn ohne eine intensivere Kenntnis der historischen Leinwand, auf der Frei Adenauers Leben und Wirken ausbreitet, ist vieles für den Leser nicht so einfach nachzuvollziehen. Dies ist der Preis einer im Umfang bewusst schmal gehaltenen Biografie.

Lohnend ist die Lektüre aber allemal. Auch im Hinblick darauf, dass die westliche Staatenwelt nach 1945, an deren Entstehung Adenauer entscheidend mitgewirkt hat, aktuell so massiv herausgefordert und bedroht ist. "Er war ein ganz großer Häuptling", schrieb der "Spiegel"-Verleger Rudolf Augstein bei Adenauers Tod. Seine Führungsstärke und sein Engagement für Europa wäre heute so nötig wie zu seiner Zeit, meint Norbert Frei.

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