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60 Jahre diplomatische Beziehungen : Annäherung im Schatten des Holocaust

Am 12. Mai 1965 nahmen Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen auf. Der Weg dahin war holprig. Heute sind die beiden Staaten eng verbunden.

09.05.2025
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Es ist ein ikonisches Bild: Zwei ältere Herren im Anzug sitzen nebeneinander, lächeln, der eine legt dem anderen vertraulich die Hand auf den Arm. Das Foto, aufgenommen 1960 im New Yorker Waldorf Astoria Hotel, zeigt das erste Treffen zwischen dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und dem israelischen Ministerpräsidenten David Ben-Gurion. Zwei Männer, die eine Freundschaft verband, welche die Grundlage für die späteren deutsch-israelischen Beziehungen schuf.

Foto: picture alliance / AP Images

Legten den Grundstein für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen: Israels Premier David Ben-Gurion und Bundeskanzler Konrad Adenauer 1960 in New York.

Und dennoch: Bei dem Treffen widersetzte sich Adenauer aus grundsätzlichen Erwägungen dem Wunsch nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Zwar hatte sich die Bundesrepublik im Luxemburger Abkommen 1952 zu Reparationen in Höhe von 3,45 Milliarden D-Mark verpflichtet, die vor allem in Form von Waren zu leisten waren - ein erster Schritt zur Aussöhnung. Doch es sollte noch fünf Jahre dauern, bis am 12. Mai 1965 Bundeskanzler Ludwig Erhard und Ministerpräsident Levi Eshkol den Austausch von Botschaftern vereinbarten.

Außenpolitische Erwägungen verzögern die Annäherung

"Aus pragmatischer Sicht hat es nach dem Zweiten Weltkrieg gute Gründe gegeben, realpolitisch zueinander zu finden", sagt die Historikerin Jenny Hestermann. Das wirtschaftlich marode und international isolierte Israel habe Hilfe von außen benötigt, Deutschland eine Wiederherstellung seiner Reputation. "Dennoch hat die Bundesregierung offizielle Beziehungen lange hinausgezögert", so die Gastprofessorin für Israel- und Nahoststudien an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. 

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Grund dafür sei die seit 1955 verfolgte außenpolitische "Hallstein-Doktrin" gewesen, nach der entsprechend dem Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik eine Anerkennung der DDR unter allen Umständen verhindert werden sollte. "Genau damit jedoch drohten die arabischen Staaten für den Fall, dass die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen mit Israel aufnimmt", sagt Hestermann.

Um der Zwickmühle zu entkommen, begannen zwischen Bonn und Jerusalem 1957 geheime Verhandlungen über Waffenlieferungen. "Dies hat Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß damals ganz diskret in seinem Heimatwahlkreis Rott am Inn mit dem späteren Regierungs- und Staatschef Shimon Peres eingefädelt", so die Israel-Expertin. "Panzer statt Diplomatie" hieß die unausgesprochene Devise.


„Es brauchte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, um nach dem Genozid an den Juden überhaupt wieder Begegnung und Austausch zu fördern.“
Historikerin Jenny Hestermann

Erst als der Deal 1964 aufflog, die arabischen Staaten protestierten und die öffentliche Kritik in Deutschland zunahm, änderte sich das. Die Bundesregierung trat die Flucht nach vorne an: "Bundeskanzler Erhard stellte die Waffenlieferungen ein und bot stattdessen endlich offizielle Beziehungen an", erklärt Hestermann. Ein wichtiger Schritt, auch noch 60 Jahre später: "Es brauchte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, um nach dem Genozid an den Juden überhaupt wieder Begegnung und Austausch zu fördern." Für die heute so vielfältigen zivilgesellschaftlichen Kontakte, so die Historikerin, habe das erst den Boden bereitet. Auch die beiden Parlamente näherten sich in den Jahren danach an: 1969 besuchte eine Delegation der Knesset erstmals den Bundestag, 1971 folgte der Gegenbesuch.

Antisemitismus und Nahostkonflikt belasten das Verhältnis

Der Holocaust und der noch immer in Deutschland vorhandene Antisemitismus prägten jedoch das deutsch-israelische Verhältnis über Jahrzehnte. Darüber hinaus haben nach Einschätzung von Jenny Hestermann der Nahostkonflikt und insbesondere die deutsche Kritik an der israelischen Siedlungs- und Besatzungspolitik die fragilen Beziehungen beeinträchtigt.

Als einen Höhepunkt wertet sie den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2008 in Israel. Dass Merkel, die dort als erste ausländische Regierungschefin vor dem Parlament sprechen durfte, die Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson bezeichnete, sei ein "wichtiges symbolisches Zeichen" gewesen, meint die Historikerin. "Auch wenn dessen Konsequenzen bis heute ungeklärt sind, hat es doch das Vertrauen in Deutschland gestärkt."

Wie hoch die Beziehungen auch heute eingeschätzt werden, zeigt die Reise des neuen Außenministers Johann Wadephul (CDU), die er, kaum im Amt, bereits an diesem Wochenende antreten wird.

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