Russisch-chinesische Beziehungen : Vereint gegen gemeinsame Gegner
Die Historiker Sören Urbansky und Martin Wagner erzählen die Geschichte der russisch-chinesischen Beziehungen vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart.
Kontrollverlust ist etwas, das die Kommunistische Partei Chinas gar nicht mag. Doch einen Kontrollverlust musste sich die Staats- und Parteiführung der Volksrepublik ausgerechnet dann eingestehen, als im Mai 1989 mit Michail Gorbatschow zum ersten Mal seit 30 Jahren ein Generalsekretär der KPdSU China besuchte, um die Aussöhnung zwischen den beiden lange verfeindeten kommunistischen Großreichen zu besiegeln.
Weil sich auf dem zentralen Platz des Himmlischen Friedens in Peking Hundertausende Demonstranten versammelt hatten, wurde die offizielle Begrüßung Gorbatschows kurzerhand an den Flughafen verlegt, wo das chinesische Protokoll sogar vergaß, für den Gast aus Moskau einen roten Teppich auszurollen. Auch Gorbatschows Besuch in der Verbotenen Stadt musste abgesagt und der Ort seiner Pressekonferenz verlegt werden.
Gemeinsame Machtinteressen waren stets das Fundament für die Zweckbündnisse
Während Gorbatschow den Reformen freien Lauf ließ, was schließlich zum Zerfall der Sowjetunion führte, schlug Chinas Führung die Massenproteste rund zwei Wochen nach seinem Besuch in Peking brutal nieder. Für die beiden Historiker Sören Urbansky und Martin Wagner sind die Ereignisse im Frühjahr 1989 ein bis heute nachwirkendes Schlüsselereignis in der Geschichte Chinas. "Die Volksrepublik schlug fortan den von der Partei dekretierten autoritären Wachstumspfad ein, mit einer starken Wirtschaft, steigendem Lebensstandard, aber ohne politische Liberalisierung", schreiben sie in ihrem lesenswerten Buch "China und Russland".
Als Lehre aus den landesweiten Protesten von 1989 und auch als Reaktion auf den Zerfall des sowjetischen Machtblocks ersticke man "seither sämtliche oppositionelle Strömungen im Keim" - eine Methode, die mittlerweile auch von Russland wieder übernommen wurde.

Sören Urbansky, Martin Wagner:
China und Russland.
Eine kurze Geschichte einer langen Beziehung.
Suhrkamp,
Berlin 2025;
329 S., 26,00 €
Von der fünfmonatigen Karawanenreise des ersten russischen Gesandten nach Peking, der 1618 wegen fehlender Geschenke gar nicht erst zum Kaiser vorgelassen wurde, bis hin zum antiwestlichen Schulterschluss der Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping skizzieren die Autoren die zentralen Entwicklungen im Verhältnis der beiden riesigen Länder, die in ihrer Geschichte - von kurzfristigen Ausnahmen abgesehen - immer nur autoritäre Herrschaftsformen kannten.
So wie es aktuell die Gegnerschaft zur globalen Dominanz der USA sei, die Moskau und Peking zusammenschweiße, hätten auch in der Vergangenheit vor allem gemeinsame Machtinteressen die jeweiligen Zweckbündnisse begründet. "Die Ablehnung anderer", so resümieren die Autoren, "überdeckte dabei aber stets den Mangel an integrativen Gemeinsamkeiten".
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