Globalisierung am Ende? : Was das Ende der "Pax Americana" bedeutet
Wirtschaftskriege und gefährliche Rivalitäten: Werner Plumpe beschreibt, was das Ende amerikanischer Führung in der Welt bedeutet - für Deutschland nichts Gutes.
Schlechte Nachrichten für Deutschland: Jene Ordnungen, die in der jeweils zweiten Hälfte des 19. und 20. Jahrhunderts den wirtschaftlichen Aufstieg beziehungsweise "Wohlstand für alle" ermöglichten, geraten zunehmend zur globalen Unordnung, und werden auch nicht mehr zurückkehren. Sie beinhalten auch die Gefahr, das aus ökonomischen Konflikten militärische werden.

Zollpolitik statt Freihandel: Die Veränderung der Wirtschaftsordnung und hohe Zölle haben für eine international stark verflochtene Volkswirtschaft wie Deutschland negative Folgen.
"In das Paradies der Pax Britannica oder der Pax Americana, in dem das 'Gute' und der westliche Vorteil scheinbar reibungslos in eins fielen, gibt es jedenfalls kein Zurück mehr", warnt Werner Plumpe, emeritierter Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Frankfurt am Main, in seiner historischen Analyse mit dem Titel "Gefährliche Rivalitäten. Wirtschaftskriege - von den Anfängen der Globalisierung bis zu Trumps Deal-Politik".
Deutschlands Aufstieg zur globalen Wirtschaftsmacht
Plumpe entführt den Leser zunächst in "Die Anfänge: Spanien und die Neue Welt" und beschreibt die spanisch-portugiesische Expansion auf den Weltmeeren, in Afrika, Asien und Amerika zu Beginn der Neuzeit. Sicher, wer sich für diese Epoche interessiert, findet in älteren Werken mehr Anschaulichkeit, etwa in Horst Gründers reich bebilderter "Geschichte der europäischen Expansion" von 2003. Dagegen verzichtet "Gefährliche Rivalitäten" leider auf Grafiken, Karten und Bebilderungen.
Aber Plumpe analysiert gut verständlich die Geschichte zielgerichtet auf die aktuelle Weltpolitik hin. Er argumentiert, dass Kapitalismus und Industrialisierung im 19. Jahrhundert eigene Kräfte entwickeln, primär aufgrund interner Faktoren in Großbritannien. Es folgt die Zeit der "Pax Britannica" unter einer Hegemonialmacht, die Freihandel zum zentralen Prinzip erhebt und darauf eine erste globale Ordnung aufbaut. Doch von der Freihandelsdoktrin profitieren in dieser Zeit der ersten Globalisierung auch Englands Konkurrenten. Nicht zuletzt Deutschland erlebt einen wirtschaftlichen Aufstieg zur globalen Wirtschaftsmacht.

Werner Plumpe:
Gefährliche Rivalitäten.
Wirtschaftskriege - von den Anfängen der Globalisierung bis zu Trumps Deal-Politik.
Rowohlt Berlin,
Berlin 2025;
320 S., 25,00 €
Nach 1945 wird die USA zur führenden globalen Spielerin und Hüterin des Freihandels, muss allerdings später dieselbe Erfahrung wie zuvor die Briten machen: "Die USA erschienen nach der Jahrtausendwende als Garant einer Ordnung, die ihre Konkurrenten, vor allem China, sehr viel besser nutzen konnten, ohne für deren Stabilität auch nur den geringsten Aufwand treiben zu müssen."
Konflikt um Hochtechnologie zwischen USA und China
Insbesondere der Aufstieg chinesischer Hochtechnologie erschreckte die Amerikaner. Bereits Präsident Barack Obama verbot den Export von Halbleitern nach China, "ein mehr oder weniger offener Wirtschaftskrieg", den sein Nachfolger Donald Trump mit seiner Zollpolitik in seiner ersten Amtszeit verschärfte und nun wieder aufnimmt.
Plumpe warnt aber: "Mit Sicherheit hat die chinesische Führung die wirtschaftlichen Konflikte der Vergangenheit genau studiert. Ein Land war für internationale Sanktionen stets umso anfälliger, je geringer sein eigenes Potenzial und je stärker es global integriert war".
„Der Überraschungseffekt von Ereignissen sinkt, wenn die historische Bildung steigt.“
Das ist gerade für Deutschland eine schlechte Botschaft, denn kaum eine Volkswirtschaft ist international stärker verflochten und von externen Ressourcen abhängiger, weist höhere Export- und Importquoten aus als die deutsche. Was aber bedeutet es für die an Regeln orientierten Deutschen, wenn das globale Wirtschaftssystem weniger geordnet und transparent ist, "in dem jeder glaubt zu verlieren, wenn der andere gewinnt" und "in der wirtschaftliche Stärke zugleich politische und militärische Handlungsfähigkeit bedeutet"?
Was bedeutet es, wenn nun wieder "ein ordnungsloser Zustand bevorsteht, wie er in den langen Jahren der Konkurrenz unter den mehr oder weniger gleich starken europäischen Mächten bis zum Ende der Napoleonischen Kriege vorherrschte" - eine Zeit, in der den deutschen Landen keine große ökonomische oder politische Bedeutung zufiel?
Für die Europäer hat Plumpe einen Rat: "Eine Wirtschaftsdiplomatie, die bei aller Rivalität die andere Seite respektiert, wäre auf jeden Fall aussichtsreicher als das Konglomerat von Moral, Belehrung und unklarer Interessendefinition, das derzeit die Außenwirtschaftspolitik der EU und vieler europäischer Staaten kennzeichnet und eher in die Eskalation als in den Kompromiss führt."
Plumpes Rat folgt einer Einordnung der globalen Lage in einen mehr als 500-jährigen Kontext der Konkurrenz von Mächten. "Historisches Wissen wird die derzeitigen Konflikte, ja ihre Zuspitzung in der kommenden Zeit nicht aufhalten können, aber es kann die Aufmerksamkeit dafür erhöhen, was eine kurzfristige und unüberlegte Politik anrichten kann", erklärt der Autor. Gerade deshalb ist sein Werk nicht nur für (Hobby-)Historiker wegweisend, sondern letztlich Pflichtlektüre für politische Entscheider und Analysten. Denn: “Der Überraschungseffekt von Ereignissen sinkt, wenn die historische Bildung steigt.”
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