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Foto: DBT/Stella von Saldern
In den Plenarsaal dürfen sonst nur Abgeordnete. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von „Jugend und Parlament“ ist es deshalb eine ganz besondere Gelegenheit, dort Platz zu nehmen.

Planspiel "Jugend und Parlament" : Wenn der Nachwuchs die Gesetzgebung probt

250 junge Erwachsene schlüpften für vier Tage in die Rolle von Abgeordneten. Sie bildeten Fraktionen, diskutierten Gesetzentwürfe und traten selbst an das Redepult.

16.10.2025
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3 Min

"Ich kann mir vorstellen, dass es ein besonderes Gefühl ist, hier zu sitzen." Mit diesen Worten begrüßte Bundestagsvizepräsidentin Josephine Ortleb (SPD) am Montag die mehr als 250 Teilnehmer des Planspiels "Jugend und Parlament" zu ihrer ersten Arbeitssitzung im Plenarsaal des Deutschen Bundestages.

Bundestagsvize Ortleb mahnt zur Einhaltung der parlamentarischen Ordnung

Zwei Tage zuvor hatten die Jugendlichen aus ganz Deutschland die Rollen fiktiver Parlamentarier übernommen und innerhalb ihrer Fraktionen die Besetzung von Posten beschlossen und über Gesetzentwürfe debattiert. Die erste Sitzung im Plenum diente auch zur Einsetzung der Ausschüsse, die im Anschluss ihre Arbeit aufnahmen. Die jungen Erwachsenen im Alter von 17 bis 20 Jahren lernen auf diese Weise die Arbeit der Abgeordneten kennen - in Landesgruppen, Fraktionen, Arbeitsgruppen und eben den Ausschüssen.


„Möge sich das andere Parlament, das hier manchmal tagt, eine Scheibe davon abschneiden.“
Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen)

Die Jugendlichen gehören für diese Tage im Bundestag drei fiktiven Parteien an: der Bewahrungspartei (BP), der Gerechtigkeitspartei (GP) und der Partei für Engagement und Verantwortung (PEV). In ihren Rollen diskutieren sie vier Gesetzentwürfe und versuchen, Mehrheiten für die eigenen Vorhaben zu organisieren.

Bundesregierung und Bundesrat haben in dem Planspiel jeweils zwei Gesetzentwürfe eingebracht. Zum Auftakt der parlamentarischen Arbeit gibt Vizepräsidentin Ortleb den Jugendlichen zwei Anregungen an die Hand: “Imitieren Sie nicht die richtigen Abgeordneten, finden Sie Ihren eigenen Weg, die demokratischen Mehrheiten zu finden. Und halten Sie sich, so wie die echten Abgeordneten in den meisten Fällen auch, an die parlamentarische Ordnung.”

Höhepunkt des Planspiels “Jugend und Parlament” ist die Debatte im Plenum

Für den nächsten Tag stehen die zweite und dritte Lesung der vier Gesetzentwürfe an. Es herrscht wuseliges Treiben im Plenarsaal. Wie bei den echten Abgeordneten ergibt sich ein gemischtes Bild: Viele tragen Anzug, Hemden, Blusen, man sieht aber auch Jeans und Pullover. Nur das Durchschnittsalter ist deutlich niedriger als sonst.

"Jugend und Parlament" 2024

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Sobald der Gong ertönt, eilen schnell alle zu ihren Plätzen und plötzlich ist es ganz still, als Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) den Saal betritt, die Vier-Tages-Abgeordneten begrüßt und die Sitzung eröffnet. Neben ihm sitzen immer zwei Rollenspiel-Schriftführer, die ihn dabei unterstützen, den Saal im Blick zu haben - alle halbe Stunde wird gewechselt. Nach den obligatorischen Geburtstagsglückwünschen beginnen die Aussprachen.

Die fiktive Koalition besteht aus der Gerechtigkeitspartei und der Partei für Engagement und Verantwortung. Die Bewahrungspartei bildet die Opposition. In der ersten Debatte befassen sich die Jung-Parlamentarier mit dem von der fiktiven Regierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Beschränkung ausländischer Investitionen in kritische Infrastruktur. Man kann davon ausgehen, dass diejenigen, die die Gelegenheit haben, ans Rednerpult zu treten, sehr aufgeregt sind. Anmerken lassen es sich die meisten jedoch nicht.

Sie sprechen souverän, gestikulieren, wie sie es sicherlich in der ein oder anderen Plenardebatte gesehen haben, agieren angriffslustig oder wollen vor allem ihre inhaltlichen Argumente vorbringen. Von den anderen Rollenspiel-Abgeordneten gibt es viel Applaus.

Die Redebeiträge der Teilnehmenden erinnern an echte Plenardebatten

In dieser ersten Debatte sind sich die drei Fraktionen inhaltlich sogar weitestgehend einig: Bei diesem Gesetzentwurf geht es nicht nur um die Wirtschaft, sondern auch um die nationale Sicherheit. Am Ende wird der Entwurf einstimmig angenommen. Kleine Sticheleien in die "gegnerische" Richtung lassen sich einige Abgeordnete aber natürlich trotzdem nicht nehmen. Nicht alle Debatten an diesem Tag verlaufen so einmütig.

Foto: DBT/Stella von Saldern

Zum Abschluss des Planspiels können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Abgeordneten Hülya Düber (CSU), Ronja Kemmer (CDU), Derya Türk-Nachbaur (SPD), Götz Frömming (AfD), Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen) und Heidi Reichinnek (Die Linke) (v.l.n.r.) ihre Fragen stellen.

Vizepräsident Nouripour bedankt sich für die Art und Weise, wie die jugendlichen Abgeordneten miteinander diskutieren: "Möge sich das andere Parlament, das hier manchmal tagt, eine Scheibe davon abschneiden." Damit möglichst viele Teilnehmende eine Rede halten können, beträgt die Redezeit pro Sprecherin und Sprecher zwei Minuten. Nur wenige müssen dahingehend ermahnt werden, dass sie ihre Redezeit überschreiten.

Alle nehmen das Planspiel sehr ernst, verfolgen die Debatten mit ungeteilter Aufmerksamkeit, und die Redebeiträge könnten sofort in einer echten Plenardebatte so gehalten werden. Zum Abschluss kommt Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) in den Plenarsaal. Alle erheben sich von ihren Plätzen. Sie zeigt sich begeistert, dass so viele junge Leute in den Bundestag gekommen sind und vermutet: "Vielleicht denken ja nun manche von Ihnen, dass sie Politikerin oder Politiker werden wollen." Sie betont, wie großartig es sei, in einem Land zu leben, in dem es allen offen stehe, eine politische Karriere einzuschlagen.

Das Planspiel "Jugend und Parlament" findet jedes Jahr statt. Interessierte wenden sich am besten an Abgeordnete im eigenen Wahlkreis. Ausführliche Berichte zu den vier Tagen finden sich auf www.mitmischen.de

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