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Donald Trump nach der Unterzeichnung seiner "Big Beautiful Bill". Das Steuer- und Ausgabengesetz sollen unter anderem Steuern senken und Sozialausgaben kürzen.

Globales Schuldenwachstum : Amerikas Schulden sind ein Grund für deutsche Solidität

Die Vereinigten Staaten leihen sich immer mehr Geld, Anleger befürchten, die Staatsfinanzen der USA könnten außer Kontrolle geraten. Droht eine neue Finanzkrise?

31.07.2025
True 2025-08-01T14:06:02.7200Z
4 Min

Die Summen, um die es hier geht, fordern die menschliche Vorstellungskraft: Das neueste Steuer- und Ausgabengesetz, das im Juni die beiden Kammern des US-Parlaments passierte, könnte die Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten von Amerika in den kommenden zehn Jahren um 3,4 Billionen US-Dollar erhöhen, allein durch Mehrausgaben. Dazu kommen noch großzügige Steuererleichterungen, höhere Verteidigungsausgaben und steigende Zinskosten. Die "One Big Beautiful Bill", wie Präsident Donald Trump das Vorhaben taufte, erlaubt es der Regierung folgerichtig, die Schuldenobergrenze des Landes um bis zu fünf Billionen Dollar zu erhöhen. Neue gewaltige Defizit-Rekorde zeichnen sich ab.

Und nicht nur in den USA, auch weltweit wächst der Schuldenberg gerade wieder in großem Tempo an: Allein im Jahr 2024 haben sich Staaten und Unternehmen an den Märkten rund 25 Billionen US-Dollar geliehen, das war fast dreimal so viel wie noch im Jahr 2007. Insgesamt ist der globale Schuldenstand damit im Jahr 2024 auf über 100 Billionen US-Dollar angewachsen, schreibt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem aktuellen globalen Schuldenbericht. Die USA zählen dabei mit einer öffentlichen Schuldenquote von 123 Prozent gemessen an der Wirtschaftsleistung zu den internationalen Spitzenreitern.

Es gibt erste Warnzeichen an den Kapitalmärkten

Aktuell deutet wenig darauf hin, dass diese Quote sinkt. Zwar könnten die von Trump vorgesehenen Zölle dem Staat Geld einbringen, was die Ausgaben etwas dämpfen würde. "Trotzdem könnte die Staatsschuldenquote mit dem neuen Gesetz bis zum Jahr 2034 auf 130 Prozent steigen", sagt Raphael Olszyna-Marzys, Ökonom bei der Schweizer Privatbank J. Safra Sarasin. Er rechnet damit, dass das Haushaltsdefizit durch die "Big Beautiful Bill" bei sechs bis sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts bleiben wird. Sollte die Wirtschaft in die Rezession rutschen, würde das Defizit sogar noch deutlicher steigen, sagt Olszyna-Marzys. Über zehn Prozent wären möglich.


Lena Dräger im Portrait
Foto: Christian Wyrwa
„Käme es zu einer neuen großen Finanzkrise, hätte sie wahrscheinlich ein stärkeres Ausmaß als die Finanzkrise im Jahr 2008.“
Ökonomie-Professorin Lena Dräger

Am Kapitalmarkt sorgt die Schuldenpolitik der USA bereits für reichlich Verunsicherung. Der Vorstandschef der amerikanischen Bank JP Morgan Chase, Jamie Dimon, warnte kürzlich vor Rissen am Anleihemarkt. Nach dem sogenannten Liberation Day im April, als Donald Trump verkündete, die Welt mit neuen, höheren Zöllen zu belegen, waren die Renditen für US-Staatsanleihen in die Höhe geschossen. Für zehnjährige Anleihen notierten sie zeitweise bei 4,5 Prozent. Aktuell beträgt die Verzinsung zehnjähriger Staatsanleihen noch gut 4,3 Prozent.

Steigende Renditen bedeuten nichts anderes, als dass die USA ihren Gläubigern höhere Zinsen anbieten müssen, damit diese ihnen weiter Geld leihen. Anders gesagt: Unter Anlegern wachsen die Sorgen, dass die Staatsfinanzen der USA außer Kontrolle geraten könnten und das Land seine Schulden nicht mehr begleicht. Auch der steigende Goldpreis deutet auf wachsendes Misstrauen hin: Die Ratingagentur Moody's stufte die Kreditwürdigkeit der USA im Mai bereits herab. Der wichtigste Kapitalmarkt der Welt wackelt.

Finanzkrise ist zwar “wahrscheinlicher”, aber immer noch “höchst unwahrscheinlich”

Was wäre, wenn die USA in eine Schuldenkrise gerieten und Kredite ausfielen? "Käme es zu einer neuen großen Finanzkrise, hätte sie wahrscheinlich ein stärkeres Ausmaß als die Finanzkrise im Jahr 2008", sagt Lena Dräger, Ökonomie-Professorin an der Leibniz Universität Hannover und Leiterin der Forschungsgruppe Monetäre Makroökonomie am Kiel Institut für Weltwirtschaft. Amerika ist über die Finanzmärkte weltweit verwoben: "Fast alle Finanzinstitutionen und Versicherer halten US-Staatsanleihen."

Dräger sieht allerdings keinen akuten Grund zur Sorge: "Eine globale Finanzkrise ist zwar wahrscheinlicher geworden", sagt sie, "aber es ist aktuell immer noch höchst unwahrscheinlich, dass sie in nächster Zeit eintritt." Das liege vor allem daran, dass die USA selbst kein Interesse daran hätten, die Lage zu eskalieren. Zudem haben die größten Gläubiger wie der chinesische Staat noch nicht angefangen, US-Staatsanleihen im großen Stil abzustoßen. "Das hat einen stabilisierenden Effekt", sagt Dräger. Staaten und Investoren sollten sich aber auf erhöhte Marktschwankungen einrichten.


Volker Wieland im Portrait
Foto: SVR Wirtschaft
„Bereits infolge der Inflation von 2021 bis 2023 sind die Zinsausgaben des Staates deutlich angestiegen.“
Langjähriger Wirtschaftsweiser Volker Wieland

Das gilt auch für Deutschland: Aktuell hält die Bundesrepublik als Teil ihrer Reserven US-Staatsanleihen im Wert von 101,9 Milliarden US-Dollar und gehört damit zu den 20 Nationen mit den meisten Schuldtiteln der USA.

Um Marktturbulenzen abfedern zu können, plädieren Ökonomen dafür, den eigenen Schuldenstand möglichst niedrig zu halten. "Der fiskalische Spielraum ist in Krisen größer, je niedriger die Schuldenquote ist", erklärt Dräger. In Staaten mit hohen Schuldenquoten können die Regierungen und der private Sektor schlechter auf wirtschaftliche Schocks reagieren.

Deutschland als Vorbild hat den Euroraum bisher stabilisiert

In der europäischen Währungsunion galt Deutschland bisher neben den Niederlanden und anderen kleineren Nationen als schuldenpolitische Anker-Nation. Das Land habe durch sein Vorbild die durchschnittliche Verschuldung in der Eurozone stabilisiert, sagt Volker Wieland, Direktor des Institute for Monetary and Financial Stability der Goethe-Universität Frankfurt und langjähriger Wirtschaftsweiser. Im Jahr 2024 lag die Schuldenquote Deutschlands bei etwas mehr als 63 Prozent. Italien hat bereits 135 Prozent erreicht, Frankreich 113 Prozent.

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Für Deutschland erwartet der Internationale Währungsfonds einen Anstieg der Staatsschuldenquote bis 2030 auf 75 Prozent. "Bereits infolge der Inflation von 2021 bis 2023 sind die Zinsausgaben des Staates deutlich angestiegen", sagt Wieland. Er warnt daher vor einem sich selbst verstärkenden Schuldeneffekt, weil höhere Zinslasten die Schulden noch schneller nach oben treiben können. "Sobald dann ein neuer großer Schock oder eine Krise kommt, die große zusätzliche kreditfinanzierte Staatsausgaben erfordern, werden die Märkte die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen austesten", sagt er.

Allerdings lehnen Volkswirte staatliche Kredite nicht generell ab. Ökonomin Dräger verweist auf die potenziell positiven Effekte einer klugen Schuldenpolitik: "Wenn Schulden so eingesetzt werden, dass sie wachstumsfördernd wirken, hat das auf Dauer sogar einen senkenden Einfluss auf die Schuldenquote." Und es schützt den Staat in Krisen.

Der Autor ist Gründer der Wirtschaftsredaktion Wortwert, die Autorin dort tätig.

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