
Gastkommentare : Steuern erhöhen, um Löcher zu stopfen? Ein Pro und Contra
Sollten die Steuern erhöht werden, um die milliardenschwere Haushaltslücke in der Finanzplanung auszugleichen? Hannes Koch und Jan Hildebrand im Pro und Contra.
Pro
Das Problem der Unterfinanzierung des Haushalts wird immer drängender

Der Bundeshaushalt ist unterfinanziert. Die Einnahmen decken bei Weitem nicht die Ausgaben. In den kommenden Jahren gehen Bundesregierung und schwarz-rote Koalition diesem Missstand aus dem Weg, indem sie die Verschuldung massiv erhöhen. Der Weg, damit vor allem zusätzliche öffentliche Investitionen zu ermöglichen, wird aber nicht ewig funktionieren. Eine weitere Variante: höhere Steuern.
Jetzt ist es richtig, die Schuldenbremse zu lockern, dennoch handelt es sich um eine allenfalls mittelfristige Lösung. Denn auch hierzulande könnte die Staatsverschuldung sonst ein Niveau erreichen, das den globalen Investoren Sorgen bereitet. Und wie die für 2029 prognostizierte Deckungslücke von rund 13 Prozent in der Planung von Finanzminister Lars Klingbeil zeigt, pressiert das Problem der Unterfinanzierung schon bald.
Sicherlich muss die Regierung auch an die Ausgaben ran. Vermutlich reicht das jedoch nicht. Das wirft die Frage auf, wie sich Steuern besser nutzen lassen. So geraten hohe Einkommen und Vermögen in den Blick - und Privathaushalte, die infolge steigender Abgaben weder Konsum noch produktive wirtschaftliche Tätigkeit einschränken müssten. Zahlen der Industrieländer-Organisation OECD zufolge erhebt Deutschland vergleichsweise geringe Kapitalsteuern, etwa auf Immobilien und große Erbschaften. Der Anteil liegt bei einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in Staaten wie der Schweiz, Spanien oder Australien jedoch über zwei Prozent. Hier sollte man ansetzen.
Die Union will solche Eingriffe freilich nicht, die AfD lehnt sie erst recht ab. Bei SPD, Grünen und Linken gibt es dagegen Sympathien. Ein Kompromiss, zum Beispiel für eine moderat höhere Erbschaftsteuer, dürfte sich daher schwierig gestalten. Unmöglich erscheint er aber nicht. Bei der Lockerung der Schuldenbremse hat es auch funktioniert.
Contra
Die Bundesregierung sollte endlich mit dem Sparen beginnen

Die Bundesregierung verfügt über riesige finanzielle Spielräume - und leidet trotzdem unter akuter Geldnot. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil plant für den Zeitraum von 2025 bis 2029 mit einer Neuverschuldung von 851 Milliarden Euro. Kein Finanzminister vor ihm hat über solche Summen verfügt.
Aber die Mittel reichen noch immer nicht. Bei der schwarz-roten Koalition hat nicht nur die Verschuldung historische Ausmaße, sondern auch die Haushaltslöcher. In der Finanzplanung von 2027 bis 2029 fehlen 172 Milliarden Euro. Angesichts dieser Lücken bringt Klingbeil auch Steuererhöhungen ins Spiel. Das ist aus zwei Gründen verkehrt.
Erstens leidet Deutschland unter einer chronischen Wirtschaftsschwäche und ist beim Wachstum Schlusslicht unter den Industriestaaten. Die Bundesregierung hat sich richtigerweise vorgenommen, den Standort und das Wachstum zu stärken. Mit breit angelegten Steuererhöhungen - und nur die führen zu nennenswerten Einnahmen - würde sie aber das Gegenteil erreichen. Ein Anheben der Einkommensteuer würde auch Unternehmen belasten, eine Erhöhung der Umsatzsteuer den Konsum dämpfen.
Und zweitens ist die Staatsquote in den vergangenen Jahren bereits über 50 Prozent gestiegen. Es ist offensichtlich, dass der Staat nicht zuerst ein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem hat.
Dank der neuen Schuldenspielräume kann die Bundesregierung mehr für Investitionen und die Aufrüstung der Bundeswehr ausgeben. Das ist richtig. Doch die Koalition hat sich gleich noch mehr Wünsche erfüllt, von der Mütterrente bis zur Senkung der Umsatzsteuer für die Gastronomie. Finanzminister Klingbeil spricht viel von Haushaltskonsolidierung, aber die Koalition tut bisher das Gegenteil. Bevor sie die Steuern erhöht, sollte sie endlich mit dem Sparen beginnen.

In der Finanzplanung des Bundes fehlen aktuell 172 Milliarden Euro. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) kündigt einen harten Konsolidierungskurs an.

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