
Änderung des Grundgesetzes : Linke will Altschulden der Kommunen angehen
Nach dem Willen der Linken soll der Bund überschuldeten Kommunen einmalig unter die Arme greifen. Dazu schlägt die Fraktion eine Grundgesetzänderung vor.
Ein Lichtblick für überschuldete Kommunen? In ihrem Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD angekündigt, 250 Millionen Euro pro Jahr für Gemeinden und Städte bereitzustellen. Bis zu dieser Höhe werde sich der Bund beteiligen, wenn Bundesländer Maßnahmen ergreifen, um ihnen zu helfen, sich von ihren Altschulden zu befreien, kündigen die Koalitionsparteien in ihrer Abmachung an. Allerdings: Der Weg führt dabei immer über die Bundesländer. Direkt helfen kann der Bund den Kommunen nicht. Und die Koalition will, dass die Hälfte der Altschulden, die getilgt werden, von den Bundesländern finanziert wird.
Linke legt rot-grünen Kabinettsbeschluss als Gesetzentwurf vor
Aus Sicht der Fraktion Die Linke setzt die neue Regierung diese Ankündigung offenkundig nicht schnell genug um. Sie hat deshalb einen Kabinettsbeschluss der alten rot-grünen Minderheitsregierung vom Januar wieder ausgegraben, der es in der vergangenen Wahlperiode nicht mehr ins Plenum geschafft hat. Diesen Beschluss hat sie nun in nahezu identischer Form als eigenen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht. Am Donnerstag erfolgte die erste Lesung, anschließend wurde er an den federführenden Haushaltsausschuss und den Finanzausschuss weitergeleitet.
Die Kompetenzverantwortung der Länder soll bleiben
Der Gesetzentwurf sieht eine Grundgesetzänderung vor, mit der eine einmalige Ausnahmeregelung von der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung geschaffen werden soll, "die es dem Bund ermöglicht, sich durch maximal hälftige Übernahme von Schulden der Länder an den Entschuldungsmaßnahmen zugunsten der übermäßig verschuldeten Kommunen" zu beteiligen.
Die grundsätzliche kompetenzrechtliche Verantwortung der Länder für die Finanzausstattung der Kommunen solle dabei unberührt bleiben, schreibt die Fraktion. Die Hilfen des Bundes zugunsten der Kommunen sollen über das jeweilige Land erfolgen und dessen finanzielle Beteiligung voraussetzen.
„Wer den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken will, muss unsere Kommunen stärken.“
Wie die Fraktion in ihrer Begründung ausführt, seien Gemeinden mit hohen Liquiditätskreditbeständen oft finanz- und strukturschwach und könnten ihren Bürgern in wichtigen Lebensbereichen - von der Verkehrs-, Schul- und Betreuungsinfrastruktur bis hin zur sozialen Daseinsvorsorge - häufig nur deutlich schlechtere Rahmenbedingungen und Leistungen zur Verfügung stellen als finanziell gut aufgestellte Gemeinden.
In seinem Heimatland Nordrhein-Westfalen schaffe es kaum noch eine Kommune, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen, sagte Sascha Wagner für seine einbringende Fraktion bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs und führte aus: "Die Infrastruktur verfällt, und die kommunale Daseinsvorsorge steht kurz vor dem Kollaps. Deshalb brauchen wir jetzt eine tragfähige Altschuldenregelung durch Bund und Länder."
Union und AfD verweisen auf Ausgaben
Christian Haase versprach für die CDU/CSU-Fraktion: "Die Belange und Anliegen unserer Kommunen werden in den nächsten Jahren wieder deutlich stärker von uns in den Fokus genommen, als dies in den letzten Jahren der Fall war." Die Lage vor Ort sei erkannt. Der Gesetzentwurf der Linken helfe da nicht, Haase nannte ihn "einen Schaufensterantrag". Hauptausgabentreiber der Kommunen seien die Sozialkosten: "Das Bürgergeld plus zwölf Prozent, Grundsicherung im Alter plus zwölf Prozent, Ausgaben für Kinder- und Jugendhilfe plus 17 Prozent, Ausgaben für Eingliederungshilfe plus 14 Prozent." Die Linke versuche die Probleme "mit viel Geld zuzuschütten, ohne zu sagen, wo es herkommen soll". Entscheidend sei folglich, die Ausgabentreiber der Kommunen in den Blick zu nehmen, ohne die Bundesländer aus ihrer grundgesetzlichen Verantwortung für die Kommunen zu entlassen.
Mirco Hanker sagte für die AfD-Fraktion: "Wieder einmal soll das Grundgesetz geändert werden." Nötig seien nicht neue Verschuldungsmöglichkeiten, sondern eine Entlastung der Kommunen. Es sei wohl nicht überraschend, dass er dabei auf die Bereiche Migration, Integration und "Klimaaktivismus" abziele. "Dem Klima ist nicht geholfen, wenn wir hier deindustrialisieren und Wohlstand vernichten", befand Hanker.

Hendrik Bollmann sprach für die SPD-Fraktion und stellte dabei seine kommunalpolitische Erfahrung aus der finanziell äußerst klammen Stadt Herne voran. Er erlebe tagtäglich, was die Altschulden bedeuten. "Ich habe vor Eltern gestanden und vor Schulleitungen erklärt, warum eine Schulmodernisierung gar nicht oder erst später kommt." Durch den Strukturwandel und die sozialen Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit müssten die Kommunen Aufgaben erfüllen, für die sie nicht ausreichend ausgestattet worden seien. Auch Bollmann verwies auf den Koalitionsvertrag und das dort angekündigte Entschuldungspaket. "Wer den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken will, muss unsere Kommunen stärken", sagte er.
Kommunalverbände hoffen auf die Koalition
Karoline Otte verlangte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ein "Sofortprogramm für die Kassen unserer Städte und Gemeinden". Die Gründe für hoch verschuldete Kommunen seien oft ähnlich: "Das Stahlwerk, das schließen musste, die Schuhindustrie, die ins Ausland gegangen ist, der Steinkohleabbau, der eingestellt wurde." Heute, Jahrzehnte später, fehle immer noch das Geld.
Die schwarz-rote Koalition habe keine Lösung für die Altschulden. Im Koalitionsvertrag fänden sich lediglich Schlagworte. Dagegen habe die Fraktion Die Linke einen Vorschlag vorgelegt, "der bereits von einem Kabinett verabschiedet wurde".
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Die kommunalen Spitzenverbände blicken indes durchaus hoffnungsvoll auf die Ankündigung im Koalitionsvertrag, das Altschulden-Problem anzupacken. Auf Anfrage erklärte Städtetagspräsident Bernhard Jung (SPD), der auch Oberbürgermeister von Leipzig ist: "Für eine nachhaltige Lösung, die die betroffenen Städte von Altschulden befreit, brauchen wir den Bund. Das unterstützen wir als Städtetag unbedingt und haben lange dafür gekämpft."
Der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Uwe Brandl (CSU), teilte mit, dass primär die Länder dafür zuständig seien, das Problem der kommunalen Altschulden zu lösen. Dabei warnt er, "dass eine sehr hohe Verschuldungssituation in Städten dazu führt, dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und Chancengerechtigkeit für alle ins Hintertreffen geraten".