Piwik Webtracking Image

Thorsten Frei im Interview : "Die Ampel hat die Branche massiv verunsichert"

Das Auslaufen des Umweltbonus war ein fatales Signal für die E-Mobilität, sagt Unionspolitiker Frei. Es brauche weiterhin politische Signale, die diese stützen.

18.07.2024
True 2024-08-02T12:51:49.7200Z
5 Min
Foto: DBT/Tobias Koch

"Wir sollten einen Handelsstreit unter allen Umständen vermeiden. Er kennt am Ende nur Verlierer", sagt Unionspolitiker Thorsten Frei mit Blick auf die durch die EU verhängten Strafzölle auf die Einfuhr von E-Autos aus China.

Herr Frei, die deutschen Autohersteller sind von der Antriebswende ernüchtert. Die Verkaufszahlen sind rückläufig. In der ersten reinen E-Auto-Fabrik Europas, dem VW-Werk in Zwickau, fürchtet die Belegschaft derzeit um ihre Jobs. Was ist zu tun, um gegenzusteuern?

Thorsten Frei: Wir müssen den Fakten ins Auge blicken. Die Ampel-Koalition hat die Branche massiv verunsichert. Das Auslaufen des Umweltbonus war ein fatales Signal. Um Sicherheit in einen Markt zu bringen, sind stabile Rahmenbedingungen der Schlüssel. Schnellschüsse bewirken das Gegenteil. Das Abschaffen des Umweltbonus wurde als Zeichen gewertet, dass E-Autos und Plug-In-Hybride politisch nicht mehr gewünscht sind. Als Unionsfraktion haben wir deshalb gefordert, dass der Umweltbonus wieder eingeführt wird. Wir brauchen weiterhin politische Signale, die die Elektromobilität stützen. Dazu zählt unter anderem auch der Aufbau von Ladestationen.

Die VW-Krise ist in Ostdeutschland zum Politikum geworden. Im September wird in Sachsen gewählt, in Umfragen liegt die rechtsextreme AfD auf Platz eins. Die AfD behauptet, dass "die hochsubventionierte grüne Planwirtschaft auf ganzer Linie gescheitert" sei. Wie gut sind die ostdeutschen Länder, wie gut ist Deutschland auf die Transformation vorbereitet?

Thorsten Frei: Diese Transformation stellt für Unternehmen und Menschen gleichermaßen eine enorme Herausforderung dar. Ich denke, dass Politik vor allem die Ängste abbauen und für einen sicheren Rahmen sorgen muss. Denn das stört mich an dem Begriff der Transformation: Er suggeriert einen harten Bruch, bei dem sich sofort alles ändert und die Politik weiß, wie die Zukunft aussieht. So eine Interpretation stößt zu Recht auf Vorbehalte - nicht zuletzt in Ostdeutschland. Die AfD schürt Ängste und bietet keine Lösung an.

Für die Union steht fest, dass wir als Politik nicht vorgeben wollen, welche Technologie in der Zukunft genutzt wird. Wir sollten selbstbewusst auf das Know-how in unserem Land vertrauen, dass wir diese Veränderungen bewältigen können. Gesellschaftspolitisch müssen wir darauf achten, dass sich keine Gruppen gegenseitig die Schuld für Rückschläge zuschieben. Viel zu oft reduzieren radikale Kräfte die vielen einzelnen Menschen, die die Veränderung erleben, auf identitäre Gruppen. Das hilft uns in der Phase des Überganges nicht weiter. Vielmehr braucht es den Respekt und die Wertschätzung gegenüber jedem einzelnen. Dann lassen sich die Menschen auch auf Veränderungen ein - das ist meine Überzeugung.


„Die Bundesregierung darf nicht vorschreiben, welche Technologien zum Erfolg führen.“
Thorsten Frei (CDU)

Ein wichtiger Baustein in der Wertschöpfungskette sind die Halbleiter in den E-Fahrzeugen. Ist die Förderung für Chipfabriken sinnvoll oder können solche Komponenten anderswo besser produziert werden?

Thorsten Frei: Die Politik entscheidet nicht aktiv, wo sich eine Firma ansiedelt. Das ist eine Unternehmensentscheidung, die auf Basis der Standortfaktoren vor Ort getroffen wird. Hierbei können auch Zulieferer eine Rolle spielen. Deshalb geht es um keine Entweder-oder-Entscheidung. Von politischer Seite sollten wir die Rahmenbedingungen so ausgestalten, dass Unternehmen gerne nach Deutschland kommen. Im Falle der Chipindustrie zahlt sich eine Spezialisierung in den ostdeutschen Bundesländern aus, die nun zu einigen Ansiedelungen führen. Aber es braucht trotzdem Reformen, die an den harten Faktoren wie Steuern und Fachkräfteverfügbarkeit ansetzen, damit wir Anziehungskraft entwickeln.

Welche Schlüsse sollte die Bundesregierung aus der Elektro-Misere ziehen?

Thorsten Frei: Die Bundesregierung darf nicht vorschreiben, welche Technologien zum Erfolg führen. Sie muss sich für Technologieoffenheit einsetzen. Die CO2-Flottenregulierung ist eine politische Wette auf eine einzige Technologie. Über das Angebot der Technologien entscheiden die Unternehmen. Die Union hat aus dieser Überzeugung heraus auch gegen die EU-Regulierung gestimmt, und wir fordern jetzt die Rücknahme der Regulierung. Trotzdem ist gewiss, dass Elektromobilität in Zukunft eine wegweisende Technologie sein wird. Es ist daher richtig, dass sich alle Unternehmen, egal ob großer Konzern oder mittelständischer Zulieferer, auf den Weg gemacht haben.

Auf EU-Ebene und von Seiten der CDU/CSU-Fraktion wird nun das Aus vom Verbrenner-Aus gefordert. Wie sollen die Übergangszeiten dazu aussehen?

Thorsten Frei: Der Verbrennungsmotor muss auch nach 2035 eine Zukunft haben. Wir wollen diese Technologie, die für unsere Automobilindustrie enorm wichtig ist, heute und in Zukunft nutzen. Dazu wollen wir Wege eröffnen, wie man den Verbrenner auch nach 2035 klimafreundlich weiterbetreiben kann. Zum Beispiel mit E-Fuels. Das ist schon deshalb sinnvoll, weil wir eine große Verbrenner-Bestandsflotte haben, die sonst beim Klimaschutz außen vor bleiben würde. Der Verbrenner, der mit klimafreundlichem Kraftstoff betrieben wird, leistet einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor. Unser technologieoffener Ansatz schafft die notwendigen Rahmenbedingungen.

Foto: Tobias Koch
Thorsten Frei (CDU)
ist Erster parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und seit 2013 Mitglied im Bundestag für den Wahlkreis Schwarzwald-Baar. Von 2018 bis 2021 war Frei stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion für Innen- und Rechtspolitik.
Foto: Tobias Koch

Was ist zu tun, um Elektrofahrzeuge besser in den Markt zu bringen? Die deutschen Autohersteller bieten derzeit kaum Fahrzeuge unter 20.000 Euro an. Wann kommen aus Deutschland preisgünstige E-Autos?

Thorsten Frei: Die sogenannten "Early-Adopter" haben sich für die Elektromobilität entschieden. Die Bundesregierung hat sich durch diesen vermeintlichen Trend täuschen lassen. Und zu allem Übel hat sie die Förderung der Elektromobilität früher gestoppt als allgemein erwartet wurde. Aber wie dem auch sei: Die deutschen Hersteller bieten viele Elektromodelle an und erweitern das Portfolio dauernd. Neue Produkte erobern den Markt nun einmal nicht über Nacht.

Aktuell drängen vor allem chinesische Anbieter auf den europäischen Markt. Werden sie erfolgreich sein oder haben europäische Hersteller doch noch einen Heimvorteil?

Thorsten Frei: Unser Land ist bekannt für seine Automobilindustrie. Weltweit sind die Autos der hiesigen Unternehmen eng verknüpft mit dem Versprechen von Qualität und Sicherheit. Gleichzeitig bringen die ausländischen Hersteller Konkurrenz für die E-Autos in Deutschland. Das muss aber nicht schlecht sein - der Wettbewerb kann die Transformationen unsere deutschen Traditionshersteller beschleunigen. Diese müssen nun auch in der Elektromobilität ihre Klasse beweisen.

Ist es sinnvoll, dass die EU-Kommission Zölle auf E-Autos aus China einführen will? Wie soll sich die Bundesregierung dazu verhalten?

Thorsten Frei: Deutschland profitiert als Exportnation von einem offenen und regelbasierten Welthandel. Die EU-Kommission hat nun regelwidrige Handelspraktiken Chinas festgestellt. Daher braucht es ein Signal an China, die Regeln des Welthandels einzuhalten. Das Vorgehen der EU schafft Raum für Verhandlungen, die nun intensiv geführt werden müssen. Wir sollten einen Handelsstreit unter allen Umständen vermeiden. Er kennt am Ende nur Verlierer.

Mehr zum Thema

Drei verschiedene VW-Modelle: Käfer, Golf und ID.3
Deutschland und seine Autos: Ein Autoland im Umbau
Deutsche Automobilhersteller profitierten lange vom Export. Heute fordern neue Antriebstechniken und frische Marken die Hersteller und ihre Kunden heraus.
Ein Abbild eines hochgehaltenen und eines herunterzeigenden Daumens
Gastkommentare: Sind Elektroautos die Zukunft? Ein Pro und Contra
Das E-Auto muss aus sich heraus wettbewerbsfähig werden, sagt Holger Appel. Marie Frank findet hingegen, es braucht radikalere Maßnahmen für eine Mobilitätswende.
Automobilherstellung auf dem BMW-Werksgelände im Münchener Norden.
Vormachtstellung bei E-Fahrzeugen: Deutsche Autohersteller setzen auf ihre Innovationskraft
Die USA und Asien drängen mit digitalisierten, modernen und günstigen Elektrofahrzeugen auf den Markt. Kann die deutsche Automobilindustrie den Anschluss schaffen?

Was muss passieren, um die Elektrowende zu entpolitisieren? In den USA und in Europa wird die Antriebsart der Autos immer mehr zur Glaubensfrage. In den sozialen Medien finden sich unzählige Inhalte, die E-Autos als umweltschädlicher als Verbrenner darstellen, teilweise verknüpft mit bizarren Verschwörungserzählungen.

Thorsten Frei: Um eine sachliche Debatte zu führen, muss gute und bezahlbare klimafreundliche Mobilität zur obersten Maxime im Bereich der Individualmobilität und des Güterverkehrs mit dem Lkw gemacht werden. Dazu haben wir bereits mehrfach entsprechende Initiativen in den Deutschen Bundestag eingebracht. Das Erreichen der Klimaschutzziele ist mit verschiedenen Technologien möglich. Wir dürfen nicht vergessen: Eine ideologiegetriebene Debatte hilft niemandem.

Mehr zum Standort Deutschland und neuen Industrie-Ansiedlungen im Dossier lesen


Weitere Informationen