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Wirtschaftsstandort Deutschland : Die Industrie steckt in der Krise

Der Bundestag diskutiert in einer Aktuellen Stunde, wie es mit dem Wirtschaftsstandort weitergehen soll. Die SPD schlägt Staatsbeteiligung für die Stahlbranche vor.

17.10.2025
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3 Min

Die Angst vor Deindustrialisierung bestimmt seit Monaten schon die wirtschaftspolitische Agenda. Die Anzeichen dafür können an Wirtschaftsdaten abgelesen werden: 5,42 Millionen Menschen waren Mitte 2025 in der deutschen Industrie beschäftigt - 114.000 weniger als vor einem Jahr. Binnen zwölf Monaten wurden damit 2,1 Prozent der Jobs gestrichen. Laut Daten des Statistischen Bundesamts sind seit 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, etwa 245.000 Industriejobs verschwunden.

Eine schwächelnde Autoindustrie verunsichert Regionen im Südwesten und in Sachsen

Die Nachrichten über den Stellenabbau der größten und wichtigsten Industriezweige wie der Automobilindustrie, des Maschinenbaus und der Stahlbranche verunsichern nicht nur Beschäftigte. Ganze Regionen wie der Südwesten Deutschlands sind mit den Folgen der schwächelnden Automobilindustrie konfrontiert.

Die Probleme reichen von Absatzrückgängen und starker internationaler Konkurrenz, insbesondere aus China, bis hin zu den hohen Kosten für den Umstieg auf Elektromobilität und hohe Energiepreise und Zölle. Als Folge kündigen Unternehmen wie Mercedes-Benz und Porsche sowie Bosch und ZF Friedrichshafen Sparprogramme und Stellenabbau an.

Foto: picture alliance / AAPimages / Wehnert

Die Zukunft von Volkswagen in Zwickau ist ungewiss. In der Region im Südwesten Sachsens sind 8.000 Menschen direkt bei VW und 60.000 bei VW-Zulieferern beschäftigt.

Im Volkswagen-Werk Zwickau, in dem ausschließlich E-Autos hergestellt werden, standen Anfang Oktober die Bänder für eine Woche still. Die Zukunft eines der ältesten Automobilstandorte Deutschlands gilt als unsicher.

Ebenfalls in der Krise sind die energieintensiven Branchen Stahl und Chemie. Neben hohen Energiekosten machen ihnen US-Zölle und ausländische Billigkonkurrenz zu schaffen.

Technologieführerschaft des Maschinenbaus könnte künftig im Ausland liegen

Die deutschen Maschinenbauer, jahrzehntelang Garant für Wachstum, sehen sich vor einem "historischen Umbruch". Der Standort Deutschland hat nach Einschätzung des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) neben dem Kostenproblem - Bürokratie, Steuern, Sozialabgaben, Lohn - auch Standortnachteile wie hohe Energiepreise und Fachkräftemangel. Die Sorge besteht, dass die bisherige Technologieführerschaft künftig im Ausland liegen könnte. Der VDMA rechnet für 2025 mit einem Minus von fünf Prozent, jeder fünfte Arbeitsplatz im Maschinenbau könnte wegfallen.

Vor diesem Hintergrund debattierte der Bundestag Möglichkeiten, die Wirtschaft voranzubringen. Am Donnerstagnachmittag ging es in einer von der AfD-Fraktion anberaumten Aktuellen Stunde um die Krise der Industrieunternehmen, und am Abend standen Anträge der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu den Stahlstandorten und zur Zukunft der Automobilindustrie zur Abstimmung. Die Vorschläge der Grünen fanden keine Mehrheit: Union, SPD und AfD stimmten dagegen, Die Linke enthielt sich.


„Wir brauchen grünen, grauen und blauen Wasserstoff.“
Nicklas Kappe (CDU)

Felix Banaszak (Grüne) verteidigte die Forderung aus den Anträgen nach einem schnellen Umstieg der Automobilbranche auf E-Mobilität: "Das ist die Technologie der Zukunft", sagte der Parteichef der Grünen. Zu lange habe die Politik der Branche falsche Anreize geboten, dabei müssten auch in Deutschland "bezahlbare Elektroautos hergestellt werden". Die Stahlbranche brauche eine "europäische Lösung der Krise". Er begrüßte Schutzzölle für Stahl aus der EU, "die hat Frankreich durchgesetzt und nicht Bundeskanzler Friedrich Merz", kritisierte Banaszak.

Bernd Schattner (AfD) machte die Bundesregierung für Insolvenzen, Massenarbeitslosigkeit und Standortverlagerungen verantwortlich. Er griff die CDU/CSU an und behauptete: "Die Union hat keinen Plan." Auch die SPD mache "wirtschaftsfeindliche Politik". Sein Parteikollege Malte Kaufmann nannte die Anträge der Grünen "öko-sozialistische Planwirtschaft". Es sei ein Fehler, die Umsetzung von Wirtschaftspolitik "mit Zwang und Subventionen durchzusetzen". Die Wirtschaft brauche einen verlässlichen Rahmen, "strikt freiheitlich orientiert".

Anders als SPD und Linke, ist die Union gegen Vergesellschaftung

Auch für Nicklas Kappe (CDU) sind die Anträge "das Eingeständnis verfehlter grüner Wirtschaftspolitik". Besonders die Forderung, einseitig grünen Wasserstoff als Hochlauftechnologie zu fördern, sei der falsche Weg, weil er zu teuer für den Hochlauf sei. "Wir brauchen grünen, grauen und blauen Wasserstoff", sagte Kappe. Zudem müsse der Netzausbau nachgeschärft werden, "aber ohne Staatsbeteiligung".

Hintergrund

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Mahmut Özdemir (SPD) forderte mehr staatliche Unterstützung für die Stahlindustrie. Die Branche stecke seit 2013 in der Krise, und "wir müssen uns endlich eingestehen, dass wir in einem unfairen Wettbewerb stehen". Stahl aus Asien und aus Russland überschwemme den europäischen Markt, auch Deutschland solle sich zu seiner "Stahlindustrie bekennen". Das könne von "fairen Welthandelsregeln bis zur Staatsbeteiligung alles sein", so Özdemir.

Mirze Edis (Die Linke) ging noch einen Schritt weiter. Er forderte die "Vergesellschaftung der deutschen Stahlindustrie". 94 Prozent der energieintensiven Betriebe befürchteten, dass es eine Abwanderung ins Ausland geben könnte. Die dort Beschäftigten hätten Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und sozialen Verwerfungen. Diese Ängste spielten den Populisten und Rechtsradikalen in die Hände.