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Foto: picture alliance/dpa/Hendrik Schmidt
Beschäftigte des VW-Werks in Zwickau sagen dem Management in Wolfsburg den Kampf an. Sie protestieren für den Erhalt ihres Werks.

Krise bei Volkswagen : "Alle zehn deutschen VW-Standorte sollten erhalten bleiben"

Der Zwickauer CDU-Abgeordnete Carsten Körber erklärt, was für den Erhalt des Volkswagen-Werks in Zwickau spricht und warum er in Sachen Sondervermögen skeptisch ist.

31.10.2024
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7 Min

Herr Körber, der VW-Konzern stellt das Werk in Zwickau zur Disposition. 10.000 Menschen sind dort beschäftigt. Schließen Sie sich der Forderung von Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) an, dass VW alle Standorte erhalten und auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten muss?

Carsten Körber: Das muss das Ziel sein. Alle zehn deutschen VW-Standorte sollten erhalten bleiben. Nach meinem Kenntnisstand ist es lediglich eine Option, bis zu drei Werke zu schließen. Es gibt hier noch keine Festlegung. 

In der kommenden Woche steht ein Antrag der Gruppe BSW auf der Tagesordnung des Bundestags mit dem Titel „Verbrenner-Aus stoppen – Zukunft der deutschen Automobilindustrie sichern“. Wird sich die CDU/CSU-Fraktion diesem Antrag anschließen?

Carsten Körber: Als CDU haben wir unsere eigenen Positionen zur Zukunft der Autoindustrie in Deutschland und werden deshalb sicherlich einem Antrag dieser Gruppe nicht zustimmen. Wir sind der Meinung, dass das geplante Aus für die Zulassung neuer Autos mit Verbrennermotor in der EU ab dem Jahr 2035 an den Realitäten vorbei geht. Wir müssen darüber diskutieren, ob es nicht sinnvoll ist, die Frist für den Übergang zur Elektromobilität zu verlängern und welche Rolle alternative fossilfreie Kraftstoffe wie e-Fuels oder Biokraftstoffe dabei spielen können.

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Wird die Unionsfraktion für nächste Woche einen eigenen Antrag zu Volkswagen auf die Tagesordnung bringen oder eine Aktuelle Stunde ansetzen?

Carsten Körber: Die aktuelle Situation der deutschen Automobilindustrie und speziell die dramatische Lage von Volkswagen wird in der kommenden Woche gewiss auch das Geschehen im Plenum bestimmen. Ich vermute allerdings, dass meine Fraktion die Lage der Automobilindustrie in Deutschland nicht losgelöst von der wirtschaftlichen Gesamtlage thematisieren wird. Immerhin gefährdet die Politik der Ampelkoalition aktuell den Industrie- und Wirtschaftsstandort Deutschland als Ganzes. Neben VW wird auch die verkorkste und unkoordinierte Wirtschaftspolitik der Bundesregierung eine gewichtige Rolle spielen. Beispielhaft dafür sind die beiden Wirtschaftsgipfel von Scholz und Lindner. Wie das Vorgehen meiner Fraktion kommende Woche konkret ausschauen wird, bleibt der Beschlusslage in unseren Fraktionsgremien am Montag vorbehalten. Der kann und möchte ich selbstverständlich nicht vorgreifen.

Ihr Parteifreund Peter Liese im EU-Parlament plädiert für ein Festhalten an den EU-Flottengrenzen*. Wie stehen Sie dazu?

Carsten Körber: Ich teile die Position von Peter Liese nicht, und auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion vertritt hier einen anderen Standpunkt.

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💶 Ein Sparkurs soll es richten: Das Management von Volkswagen will mindestens drei der zehn Werke in Deutschland schließen, Zehntausende Arbeitsplätze abbauen, Tariflöhne pauschal um zehn Prozent kürzen und Boni streichen.

📉 Gewinneinbruch in 2024: VW meldete für den Zeitraum Juli bis September 2024 ein Absacken des Konzernüberschusses nach Steuern im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 64 Prozent auf 1,58 Milliarden Euro.

📢 Was die Gewerkschaft fordert: Die IG Metall will die bestehenden Werke erhalten, betriebsbedingte Kündigungen verhindern und fordert sieben Prozent mehr Lohn. Am Mittwoch trafen sich Konzernführung und Arbeitnehmervertreter zu einer zweiten Verhandlungsrunde.



Das heißt aber auch, Sie wollen das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 aufgeben.

Carsten Körber: Nein, es bedeutet, dass wir dieses Ziel mit Technologieoffenheit erreichen wollen. Ich bin zwar auch der Überzeugung, dass sich der batterieelektrische Antrieb im Bereich der PKW durchsetzen wird, aber vielleicht nicht ganz so schnell, wie die Politik sich das gedacht hat. Jedenfalls sollte die Politik das nicht vorgeben. Ohnehin benötigen wir eine Lösung für die Verbrenner, die heute noch neu zugelassen werden. Denn die werden schließlich vielfach deutlich über das Jahr 2035 hinaus auf den Straßen sein, und deswegen benötigen wir für diese CO2-arme Kraftstoffe. Hier können e-Fuels eine Lösung sein oder Biokraftstoffe. Es gibt Studien, die diesem Weg durchaus einen großen Effekt auf die Verringerung des Ausstoßes von Klimagasen wie CO2 bescheinigen. 

Technologieoffen klingt immer gut, wenn wir aber sehen, dass dem batterieelektrischen Antrieb die Zukunft gehören wird und diese Technologie andernorts massiv gefördert wird, wie sinnvoll ist es dann, beispielsweise Gelder für die Batterieforschung zu streichen?

Carsten Körber: Das ist nicht der richtige Schritt. 

Wenn die Union regiert oder mitregiert, wird es diese Gelder wieder geben?

Carsten Körber: Das wäre wünschenswert. Aufgrund der aktuellen Haushaltslage wären verbindliche Zusagen hier allerdings nicht seriös.

Foto: DBT/Tobias Koch
Carsten Körber
geboren 1979, wurde 2013 erstmals direkt für seinen Heimat-Wahlkreis Zwickau in den Bundestag gewählt. 2017 erfolgte seine Wiederwahl, bei der Bundestagswahl 2021 zog er über die Landesliste Sachsen der CDU ins Parlament ein. Körber ist Mitglied im Haushaltsausschuss und Vorsitzender der CDU-Landesgruppe Sachsen.
Foto: DBT/Tobias Koch

Sollte es bei VW zu Werkschließungen kommen, wie zuversichtlich sind Sie, dass Zwickau doch verschont bleibt?

Carsten Körber: Zwickau genießt zwar keinen Sonderstatus, und die einzelnen VW-Standorte sollten sich nicht gegeneinander ausspielen lassen, aber trotzdem sehe ich drei Punkte, die für Zwickau sprechen. Erstens wurde hier bereits auf die Produktion von E-Autos umgestellt, es sind völlig neue Produktionslinien entstanden. Zweitens gehört der Standort neben der Gläsernen Manufaktur in Dresden und dem Motorenwerk in Chemnitz zur Volkswagen Sachsen GmbH, und für diese VW-Tochtergesellschaft gilt ein anderer Tarifvertrag als etwa im Stammwerk Wolfsburg. Die geringeren Lohnkosten sind ein Grund dafür, dass die Umsatzrendite hier auch höher liegt als an anderen Standorten. Drittens verfügt Zwickau als einziger Standort neben Wolfsburg noch über ein eigenes Presswerk. Nur hier lassen sich also Karosserieteile fertigen.

Der US-Autobauer Tesla gilt als deutlich effizienter, benötigt in seiner Gigafactory in Grünheide deutlich weniger Mitarbeiter pro gefertigtem Auto als VW in seinen zehn über Deutschland verstreuten Werken. Wie kann VW diesen Effizienznachteil aufholen?

Carsten Körber: Ich kenne das VW-Werk in Zwickau sehr gut. Es wurde in den 1990er Jahren völlig neu auf der grünen Wiese gebaut, ähnlich wie Tesla 20 Jahre später in Brandenburg. In Zwickau hat VW 2019 dann nochmal 1,2 Milliarden Euro investiert, um die Fertigung voll auf Elektroautos umzustellen. Da ist kein Stein mehr auf dem anderen geblieben. Fertigungsroboter, Maschinen und die Produktionsstraßen sind auf dem neuesten Stand der Technik. Tesla hat zwar immer noch deutlich schlankere Strukturen, das gilt aber vor allem für das einfache und mittlere Management. Hier hat VW sicher Einsparpotenzial, aber das ist dort auch bekannt.


„Die Forderung nach sieben Prozent mehr Lohn ist in der gegenwärtigen Situation sicher nicht darstellbar. Es wird Verzicht geben müssen.“
Carsten Körber (CDU)

Welchen Anteil an der VW-Misere trägt aus Ihrer Sicht das Management? 

Carsten Körber: Bei VW hat man über Jahre hinweg notwendige Sanierungen an den deutschen Standorten schleifen lassen, weil das China-Geschäft zu gut lief. Das rächt sich jetzt, wo die Umsätze in Asien einbrechen. Da hat das Management in der Vergangenheit vielleicht nicht die richtigen Maßnahmen getroffen. Dazu kommt eine Modellpolitik, die voll auf eigene batterieelektrische Autos gesetzt hat. Da waren andere vorsichtiger. Ein 5er BMW ist sowohl als Verbrenner erhältlich, als auch als elektrische i5-Version. Das ermöglicht, flexibel auf die Nachfrage am Markt zu reagieren. 

Welche Verantwortung hat die IG Metall in der gegenwärtigen Situation?

Carsten Körber: Die Forderung nach sieben Prozent mehr Lohn ist in der gegenwärtigen Situation sicher nicht darstellbar. Es wird Verzicht geben müssen. Das bedeutet aber, Verzicht ausgehend von einem hohem Niveau.

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Hat auch die Politik Fehler gemacht, die zur jetzigen Krise führten?

Carsten Körber: Die Politik spielt eine große Rolle. Mit dem abrupten Ende der Kaufprämie für e-Autos im letzten Jahr wurde sehr viel Vertrauen kaputt gemacht. Das hat zu brutalen Nachfragerückgängen geführt. 

Der Gesamtbetriebsratschef von VW Sachsen, Uwe Kunstmann, fordert ein Sondervermögen „Transformation“ mit bezahlbaren Energiepreisen für Unternehmen und Haushalte, die Förderung von Zukunftsprojekten und einen niedrigen Ladestrompreis für E-Autos. Was sagen Sie dazu?

Carsten Körber: Der Wirtschaftsstandort Deutschland leidet unter dem hohen Strompreis. Aber der Begriff Sondervermögen täuscht. Er bedeutet nichts anders als Sonderschulden. Deswegen müssen Strukturreformen her. Das betrifft beispielsweise die Förderung von Erneuerbaren Energien und die Pflicht der Stromnetzbetreiber, den über diese produzierten Strom jederzeit ins Stromnetz einzuspeisen. Wir müssen uns fragen, ob das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) noch der Weisheit letzter Schluss ist.

Die EEG-Umlage wird ja bereits über Steuern finanziert. Derzeit treiben vor allem die Netzentgelte die Energiekosten. Sollten auch die Netzentgelte, ein wesentlicher Treiber des Strompreises, künftig über Steuermittel finanziert werden?

Carsten Körber: Zunächst sollten alle Möglichkeiten in Betracht gezogen zu werden, die Kosten zu senken. Von einer Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsverfahren bis hin einem verstärkten Bau von Überlandleitungen anstatt einer Erdverkabelung. 

Da die Netzentgelte vor allem dazu dienen, den Aufbau neuer Leitungen zu finanzieren, stellt sich doch die Frage, ob Kredite – etwa über ein Sondervermögen – hier nicht gerechtfertigt sind. Schließlich profitieren von den Investitionen auch künftige Generationen, denn die neuen Stromleitungen werden mehrere Jahrzehnte genutzt.

Carsten Körber: Ich bin bei neuen Schulden sehr zurückhaltend. Der aktuelle Haushaltsentwurf der Ampelkoalition sieht bereits neue Schulden in Höhe von 51 Milliarden Euro vor. Bereits jetzt zahlt der Bund allein 40 Milliarden Euro an Zinsen pro Jahr. Alte Schulden verringern also unseren aktuellen Handlungsspielraum, neue Schulden werden sich auf den künftigen auswirken. 

Sie schließen also ein Sondervermögen für eine zumindest teilweise Finanzierung des Netzausbaus über Kredite völlig aus?

Carsten Körber: Aktuell werden von verschiedener Seite verschiedene Sondervermögen, wie beispielsweise für Netzausbau, Bundeswehr, Infrastruktur, gefordert. Ich will die Tür da nicht kategorisch zu machen, bin in dieser Frage aber grundsätzlich äußerst skeptisch.

* In einer früheren Version entstand an dieser Stelle der Eindruck, Peter Liese wolle auch am Verbrenner-Aus 2035 festhalten. Das ist nicht zutreffend. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen. 
 

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