
Brüssels Auto-Aktionsplan : EU-Kommission will mehr Spielraum für Europas Autoindustrie
Kommissionspräsidentin von der Leyen will CO2-Vorgaben für Autobauer lockern und die Nachfrage nach E-Autos steigern. Das Verbrenner-Aus soll überprüft werden.
Die EU-Kommission hat für die nächsten Jahre eine neue Industriepolitik versprochen, damit der Kontinent global wettbewerbsfähiger wird. Die europäischen Autobauer sollen nun als eine der ersten Branchen von der Wende profitieren: Keine hundert Tage nach dem Start ihrer zweiten Amtszeit legte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Aktionsplan für Europas Autoindustrie vor. Der Plan soll den Herstellern mehr Zeit geben, um immer schärfere Grenzwerte für den Ausstoß des Treibhausgases CO2 zu erfüllen. Zugleich soll die EU die Nachfrage nach Elektroautos und die Batterieproduktion auf dem Kontinent ankurbeln. Es gebe viel Potenzial auf dem Weltmarkt für Innovation und saubere Lösungen, sagte von der Leyen. "Ich möchte, dass unsere europäische Automobilindustrie die Führung übernimmt".
EVP fordert Rücknahme des Verbrennerverbots ab 2035
Die EU-Kommission reagiert damit auf die massiven Probleme der heimischen Autoindustrie: Der Umstieg auf die Elektromobilität in Europa verläuft langsamer als gedacht. Damit wird es für die Hersteller schwerer als erwartet, die ehrgeizigen Klimaschutz-Vorgaben der EU für ihre Neuwagenflotten einzuhalten. Die Konkurrenz chinesischer Autobauer auf dem europäischen Markt wird stärker. Und die Zollpläne von US-Präsident Donald Trump, der Abgaben für Autoimporte aus Europa von 25 Prozent ankündigt, sorgen für weitere Verunsicherung.
EU-Industriekommissar Stéphane Séjourné sieht die Branche "in Lebensgefahr". Die Europäische Volkspartei als stärkste Parteifamilie auf EU-Ebene drängt von der Leyen seit einem Jahr massiv zum Kurswechsel, sie fordert sogar die Rücknahme des von der Kommission initiierten Verbrennerverbots ab 2035.
Autoindustrie erhält mehr Zeit, um Emissionsziele umzusetzen
Die Präsidentin startete Ende Januar zunächst einen "Strategischen Dialog" mit den großen Autokonzernen, Zulieferern, Gewerkschaften und Umweltverbänden. Kurz nach dem zweiten Treffen präsentierte von der Leyen nun erste Ergebnisse. An den beschlossenen Emissionszielen für den Klimaschutz wird demnach festgehalten. Aber die Autoindustrie erhält mehr Zeit bei der Umsetzung einer zu Jahresanfang in Kraft getretenen Gesetzesverschärfung. Deren Ziel ist es, den durchschnittlichen CO2-Ausstoß aller in einem Jahr zugelassenen Neufahrzeuge eines Herstellers zügig abzusenken. Lag der Grenzwert für Pkw 2024 noch bei 115,1 Gramm CO2 pro Kilometer, liegt er 2025 bei 93,6 Gramm und 2030 bei nur noch 49,5 Gramm. Bei Überschreitung dieser Flottengrenzwerte müssen die Hersteller Strafe zahlen.

„Wir müssen uns an die vereinbarten Ziele halten.“
Die Branche fürchtet nun wegen des schleppenden E-Autoabsatzes Strafgelder in Milliardenhöhe. Als "Atempause" schlägt die Kommission vor, dass die CO2-Normen nicht jahresgenau eingehalten werden müssen, sondern im Dreijahres-Zeitraum bis 2027. So könnten zu hohe Emissionswerte in diesem Jahr durch Übererfüllung in einem der nächsten Jahre ausgeglichen werden. Vorausgesetzt, das EU-Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten stimmen der Gesetzesänderung zu. Von der Leyen betonte: "Wir müssen uns an die vereinbarten Ziele halten."
Aktionsplan sieht Industrieallianz für autonomes Fahren vor
Zu weiteren Elementen des Aktionsplans gehört eine Industrieallianz für vernetztes und autonomes Fahren. Sie soll die Entwicklung der Fahrzeuge, aber auch der Soft- und Hardware voranbringen, groß angelegte Testfelder sollen die praktische Erprobung erleichtern. Vorschläge zur Absatzförderung von E-Autos sind noch in Arbeit: Im Zentrum sollen Empfehlungen an die Mitgliedstaaten stehen, einen verbindlichen Elektro-Anteil an den Firmenfuhrparks festzulegen. Außerdem empfiehlt die Kommission den EU-Staaten, vergünstigte Leasing-Programme für Privatkunden anzubieten.
Ein weiterer Punkt betrifft die Unterstützung der heimischen Batterieproduktion mit 1,8 Milliarden Euro aus einem EU-Innovationsfonds. Lieferketten müssten robuster und widerstandsfähiger werden. Die Kommission arbeitet an Vorgaben für einen Pflichtanteil europäischer Komponenten an Batterien und Elektroautos, die auf den EU-Markt kommen.
Von der Leyen lässt Hintertür beim Verbrenner-Aus offen
Was aus dem Verbrenner-Aus für Pkw wird, das als Symbolthema besonders umstritten ist, bleibt indes unklar. Bislang schreibt das EU-Gesetz vor, dass ab 2035 nur noch Neuwagen zugelassen werden, die im Betrieb kein CO2 ausstoßen. De facto ist das ein Verbot für Autos mit Benzin- oder Dieselantrieb.
Von der Leyen will das Verbot nicht zurückzunehmen, lässt sich aber eine Hintertür offen: Das Gesetz sollte ohnehin 2026 im Hinblick auf die Umsetzbarkeit evaluiert werden. Die Überprüfung wird nun auf dieses Jahr vorgezogen, "wobei uneingeschränkte Technologieneutralität ein zentrales Prinzip ist", wie die Kommissionschefin betont. Dazu gehöre, dass auch nach 2035 sogenannte Plug-in-Hybride stärker berücksichtigt werden sollten - also Autos, die sowohl einen Verbrennungsmotor als einen batteriebetriebenen Elektromotor haben. Bereits im vergangenen Sommer hatte von der Leyen ihren Christdemokraten im EU-Parlament das - bisher nicht ausbuchstabierte -Zugeständnis machen müssen, dass Verbrenner auch nach 2035 weiter zugelassen werden könnten, wenn sie mit dem synthetischen, in der Gesamtbilanz klimaneutralen Kraftstoff E-Fuels betankt werden.

Michael Bloss (Bündnis 90/Die Grünen) hat Befürchtungen, dass entgegen den Zusicherungen der EU-Kommission Klimaziele unter die Räder geraten.
In der EVP-Fraktion wurde der Aktionsplan nun als Richtungsentscheidung für eine Schlüsselindustrie gelobt, von der Leyens Kurs beim Verbrennerverbot aber als zu vage und unkonkret kritisiert, auch weil Gesetzesänderungen erst später folgen sollen. "Hier haben wir deutlich mehr erwartet und auf ein klares Bekenntnis zur zügigen Überarbeitung des Verbrennerverbots gehofft", sagte der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke.
Die Grünen dagegen warnten, die Kommission habe mit ihrem Plan "die Büchse der Pandora" geöffnet. Die EVP wolle das Verbrenner-Aus komplett kippen, es drohe die Abwicklung des Green-Deal-Gesetzes sagte der Industrie- und Klimaexperte der Grünen-Fraktion, Michael Bloss. Auch die Umweltorganisation T&E kritisierte die Ankündigung als “beispielloses Geschenk an die europäische Autoindustrie”.
Dem Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) gehen die Änderungen indes nicht weit genug. Mit dem Aktionsplan würden erste Schritte in die richtige Richtung gegangen, es müssten aber weitere Maßnahmen und Gesetzesanpassungen folgen, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.
Der Autor ist EU-Korrespondent der Funke Mediengruppe.
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