Piwik Webtracking Image

Foto: picture-alliance/Daniel Kalke
Erstmals erwägt VW die Schließung von mindestens einem Werk im Inland. Die Rede ist von bis zu 30.000 Arbeitsplätzen, die abgebaut werden sollen.

Autoindustrie : Streit um das Verbrennerverbot

Union und AfD wollen das Verbot für Verbrennermotoren ab 2035 aufheben, die Koalition ist dagegen und verspricht sich davon Planungsssicherheit.

27.09.2024
True 2024-09-27T16:38:48.7200Z
4 Min

Die wichtigste Eigenschaft ist, dass dieser Wagen läuft und läuft und läuft", hieß ein VW-Werbeslogan Ende der sechziger Jahre für das Erfolgsmodell "Käfer", das sich millionenfach verkaufte und VW zum Weltkonzern machte. Mit dem "Golf" schuf VW später sogar eine eigene Autoklasse. Heute läuft es bei VW nicht mehr rund. 

E-Autos von Volkswagen sind für viele zu teuer

Die Modellpalette gilt als zu teuer, beim E-Auto holen ausländische Konkurrenten auf oder haben VW bereits überholt. Jetzt überlegt VW die Schließung von mindestens einem Werk im Inland, vom Abbau von bis zu 30.000 Arbeitsplätzen ist die Rede. Auch andere deutsche Autohersteller haben mit Absatzproblemen zu kämpfen; die Zulieferindustrie von Schaeffler bis Bosch leidet ebenfalls stark. Die Rezepte hier: Arbeitsplatzabbau, Werksschließungen und Produktionsverlagerung ins Ausland.


Julia Klöckner im Portrait
Foto: CDU
„Die Wirtschaftspolitik der Ampel ist fatal.“
Julia Klöckner (CDU)

Im Bundestag gingen die Meinungen, was für den wichtigsten deutschen Industriezweig getan werden könnte, in zwei Debatten am Donnerstag und Freitag weit auseinander. Ampel-Koalition und Linke wollen an dem von der EU geplanten Verbot des Verbrennermotors ab 2035 festhalten, Union, AfD und BSW wollen es aufheben und setzen auf Technologieoffenheit.

Julia Klöckner (CDU) kritisierte: "Die Wirtschaftspolitik der Ampel ist fatal." Die Bürger seien verunsichert. So habe die Ampel-Bundesregierung die Zuschüsse für E-Autos gestrichen. Folge sei ein Absatzeinbruch um 69 Prozent bei E-Autos.

Mehr zum Thema

Mehr zum Thema Zukunft des Autos: Industrie unter Transformationsdruck
Dossier: Zukunft des Autos: Industrie unter Transformationsdruck

Sabine Poschmann (SPD) erklärte, Populismus und blinder Aktionismus würden jetzt nicht weiterhelfen. Ein Teil der Wirtschaft stehe unter enormem Druck, die Konkurrenz aus China sei immens. Aber die Regierung habe das erkannt und das Wachstumschancengesetz auf den Weg gebracht. Das habe die Union jedoch blockiert. Gebraucht würden Investitionen in den klimagerechten Umbau der Wirtschaft und in die Infrastruktur. Dafür seien im Haushalt 81 Milliarden Euro vorgesehen.

Dirk Spaniel (AfD) wies den Eindruck zurück, dass staatliche Hilfen die Autoindustrie retten könnten. Die Krise der Autoindustrie sei hausgemacht. Das Geschäftsmodell der Autobauer sei von der Politik "weggeschossen" worden. In Deutschland könnten keine konkurrenzfähigen E-Autos produziert werden. Spaniel forderte eine Abschaffung des geplanten Verbots von Verbrennungsmotoren. Die den Autoherstellern drohenden Strafzahlungen müssten entfallen.

Grüne:  Das meistgebaute Auto der Welt ist ein E-Auto

Ab 2035 keine Verbrennermotoren mehr zuzulassen, gebe auch Planungssicherheit sagte Michael Kellner (Grüne), Parlamentarischer Staatssekretär beim Wirtschaftsministerium. E-Mobilität habe damit Zukunft. In China zeige sich, dass die deutschen Unternehmen auf ihren Fahrzeugen mit Verbrennermotoren sitzen bleiben würden. Das meistgebaute Auto der Welt sei ein E-Auto, und das werde auch in Grünheide (bei Berlin) gebaut. Dort produziert der US-Hersteller Tesla.

Das Auto in Deutschland

📉 Die Automobilproduktion in Deutschland hat ihren Zenit längst überschritten. Wurden 1998 noch 5,3 Millionen Pkw gebaut, so waren es 2023 4,1 Millionen. Allerdings bauten deutsche Autofirmen in ihren ausländischen Werken 2023 rund zehn Millionen Autos.

📈 779.662 Menschen arbeiteten 2023 in der Autoindustrie, 0,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Umsatz betrug im letzten Jahr 564 Milliarden Euro (plus 11,5 Prozent).

🚘 Anfang 2024 waren in Deutschland rund 60,7 Millionen Kraftfahrzeuge zugelassen, davon 49,1 Millionen Personenkraftwagen (Pkw). Von diesen Pkw waren fünf Prozent Batteriefahrzeuge oder Fahrzeuge mit Hybridantrieb.



Sandra Detzer (Grüne) sagte, Automobilindustrie und Zulieferer hätten es verdient, dass das Auto der Zukunft aus Deutschland komme. Dabei müsse die Industrie unterstützt werden. Man erlebe derzeit die "zweite Geburt des Automobils". Die Zukunft des Autos sei elektrisch. Wer an der alten Technik festhalte, gefährde die Zukunft. Wer das Ende des Verbrenners wolle, gebe der Branche Zukunftssicherheit.

Das Verbrennerverbot und die drohenden Strafzahlungen für die Autoindustrie könne EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufheben, sagte Lukas Köhler (FDP) an die Adresse der Union. Von der Leyen gehört der CDU an. Jörg Cezanne (Linke) kritisierte die Unfähigkeit deutscher und europäischer Hersteller, ein preisgünstiges E-Auto anzubieten: "Hier gilt es einzugreifen." Eine Aufhebung der Flottengrenzwerte lehnte er ab.

Union schlägt Maßnahmenbündel vor

An den Wirtschaftsausschuss überwiesen wurde ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, in dem ein Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Automobilindustrie und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland vorgeschlagen wird. Dazu gehört in erster Linie ein Verzicht auf die zum 1. Januar 2025 auf EU-Ebene vorgesehene Senkung des CO2-Flottengrenzwertes und auf die den Autoherstellern drohenden Strafzahlungen. Auf nationaler Ebene wird verlangt, mit den Einnahmen aus der CO2-Bepreisung die Stromsteuer dauerhaft und für alle auf das europäische Minimum zu senken. Außerdem sollen die Netzentgelte gesenkt werden.

Mehr zum Thema

Kritik an EU-Vorgaben: Union will gegen "Verbrennerverbot" vorgehen
Neuwagen mit Verbrennungsmotor sollen nach Willen der Union auch nach 2034 in der EU zugelassen werden können.
Thorsten Frei spricht vor dem Plenum des Deutschen Bundestags.
Thorsten Frei im Interview: "Die Ampel hat die Branche massiv verunsichert"
Das Auslaufen des Umweltbonus war ein fatales Signal für die E-Mobilität, sagt Unionspolitiker Frei. Es brauche weiterhin politische Signale, die diese stützen.

Abgelehnt wurde von den Koalitionsfraktionen SPD, Grünen und FDP sowie den Gruppen Linke und BSW auf Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur Wirtschaftspolitik. CDU/CSU- und AfD-Fraktion stimmten für den Antrag. Die Union verlangt darin eine Begrenzung der Sozialabgaben bei 40 Prozent des Bruttoarbeitslohns und eine Senkung der Steuern für im Unternehmen verbleibende Gewinne auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau von 25 Prozent. Das deutsche Lieferkettengesetz solle aufgehoben werden.

Ein Antrag der Gruppe BSW wurde an den Umweltausschuss überwiesen. Die Gruppe will Neuzulassungen von benzin- und dieselbetriebenen Motoren auch über 2035 hinaus ermöglichen. Die Einseitigkeit, mit der die Bundesregierung und EU auf E-Mobilität setzten, sei ein "schwerer wirtschafts- und industriepolitischer Fehler", heißt es in einem Antrag. Dieser Fehler drohe weltweit führendes Know-how der heimischen Industrie zu zerstören.