Gas- und Öl-Importe : Umstrittene Fracht aus Russland
Durch Schlupflöcher im Sanktionssystem und Ausnahmen exportiert Russland nach wie vor Öl und Gas in die Europäische Union – und nach Deutschland.
Die Europäische Union hat Anfang der Woche das 17. Sanktionspaket mit Strafmaßnahmen gegen Russland in Kraft gesetzt. Es sieht unter anderem eine weitere Verschärfung des Vorgehens gegen die sogenannte russische Schattenflotte für den Transport von Öl und Ölprodukten vor. Doch auch nach mehr als drei Jahren Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, finden russische Exporte von fossilen Brennstoffen jede Menge Abnehmer in der EU und auch in Deutschland.

Durch Tanker wie die „Hellas Diana“, die eine Ladung LNG-Gas zum Terminal „Deutsche Ostsee“ auf der Insel Rügen bringt, gelangt auch russisches LNG-Gas in die EU und nach Deutschland.
Zahlen, die das finnische Energie-Analyseinstitut (CREA) vor rund zwei Monaten veröffentlichte, beziffern den Export Russlands an fossilen Brennstoffen auf 242 Milliarden Euro. Das sind lediglich acht Prozent weniger als vor der Invasion in die Ukraine im Jahr 2022. Der Export nach Europa komme überwiegend durch die russische Schattenflotte sowie den Verkauf von Flüssiggas (LNG) zustande. Immer noch stamme ein Viertel der entsprechenden Einnahmen Moskaus aus Energielieferungen nach Europa.
Russische LNG-Tanker steuern Belgien und Frankreich an
Vor allem im belgischen Zeebrügge und an diversen französischen und spanischen LNG-Terminals landen regelmäßig russische LNG-Tanker. Belgien bezog 2024 sogar mehr Erdgas aus Russland als vor dem Krieg. Auch Frankreich verzeichnete ein Plus von neun Prozent, und Spanien importiert sogar 55 Prozent mehr russisches Erdgas. Laut Energiebranchendienst KPLER beruht ein Teil der Importe zwar auf Verträgen, die vor Kriegsausbruch unterzeichnet wurden, aber bis heute gibt es in der EU kein Importverbot für Gas aus Russland. Österreich hatte 2018 einen Gasliefervertrag mit dem russischen Staatskonzern Gazprom vereinbart, der bis 2040 läuft. Und Ungarn hat vor einem Jahr sogar noch neue Verträge mit Gazprom geschlossen.

„Mit der Energie, die auf unseren Kontinent kommt, sollten wir nicht für einen Angriffskrieg gegen die Ukraine zahlen.“
Seit Anfang dieses Jahres fließt zwar kein russisches Gas mehr durch die Röhren des Gastransportsystems der Ukraine in die EU. Die Regierung in Kiew hatte den Vertrag zum Jahreswechsel 2024/2025 gekündigt. Doch es gibt mittlerweile zwei Alternativen: Turkstream und Blue Stream, die einzigen russischen Gaspipelines in Europa, die noch in Betrieb sind. Beide transportieren russisches Gas durch das Schwarze Meer, die Hälfte des Gases ist für die Türkei bestimmt, die andere für den Balkan. Turkstream wird aktuell noch ausgebaut.
Die Türkei besitzt mittlerweile auch LNG-Terminals und hat Lieferverträge mit Katar. So kommt es vor, dass Gas aus verschiedenen Quellen beliebig gemischt wird, so dass nicht mehr bestimmbar ist, woher die Anteile kommen. Anders als beispielsweise bei Öl aus dem Iran gibt es beim Gas derzeit keine Herkunftsnachweise.
Russisches Gas könnte auch durch deutsche Netze fließen
Die "Financial Times" hatte Ende vergangenen Jahres berichtet, dass offenbar auch russisches Gas über LNG-Terminals in Brunsbüttel, in Wilhelmshaven sowie in Stade nach Deutschland gelangt. Die Zeitung verwies darauf, dass Belgien, Spanien und Frankreich langfristige Verträge mit Russland abgeschlossen hätten und weiter Gas aus Russland bezögen. Die Bundesnetzagentur konnte einen möglichen Gastransfer durch deutsche Netze nicht ausschließen, denn denkbar sei, dass russisches Gas nach Deutschland fließt. Der Brüsseler Think-Tank Bruegel wird deutlicher. Demnach habe der Anteil russischen LNGs in der EU im Oktober 2024 ungefähr 16 Prozent an den gesamten LNG-Einfuhrmengen betragen.
Eigentlich sollte mit dem 14. Sanktionspaket der EU, das im Sommer vergangenen Jahres beschlossen wurde, das Umladen von russischem LNG in europäischen Häfen für den Weitertransport an Nicht-EU-Drittstaaten verboten werden. Vor wenigen Tagen hat die EU-Kommission nun bekanntgegeben, dass Gas-Importe aus Russland bis Ende 2027 komplett verboten werden sollen. "Mit der Energie, die auf unseren Kontinent kommt, sollten wir nicht für einen Angriffskrieg gegen die Ukraine zahlen", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Laut EU-Kommission wurden 2024 EU-weit etwa 20 Milliarden Kubikmeter russisches LNG importiert. Daten von KPLER zeigen sogar eine Steigerung auf 22 Milliarden Kubikmeter, verglichen mit 18,41 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2023. Den größten Anteil an LNG-Importen in der EU hatten 2024 die USA mit 45,1 Milliarden Kubikmetern.
Rohstoff-Importe trotz seit Jahren bestehender Sanktionen
Auch Öl wird trotz EU-Sanktionen, die seit 2022 bestehen, weiterhin nach Deutschland geliefert. Das meiste Öl aus Russland wird über die CPC-Pipeline in Kasachstan an die Schwarzmeerküste transportiert und dort auf Tanker verladen, die unter anderem den italienischen Hafen in Triest anlaufen. Von dort leitet eine Pipeline das Öl in eine Raffinerie in Burghausen. Das Öl wird dort für Städte wie Ingolstadt und Karlsruhe verarbeitet, außerdem entsteht Kerosin für den Flughafen in München. Die CPC-Pipeline wurde trotz des Lieferwegs durch Russland von den EU-Sanktionen ausgenommen, auch Deutschland setzte sich dafür ein.

Außerdem erhält die PCK-Raffinerie in Schwedt russisches Öl über die CPC-Pipeline. PCK versorgt 95 Prozent der Unternehmen, Haushalte und Verwaltungen in Berlin und Brandenburg mit Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin. Im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz wurde der Vertrag mit Kasachstan im Herbst 2024 deshalb verlängert, bis Ende 2025 sollen 100.000 Tonnen Öl im Monat geliefert werden. Der Anbieter hätte auch mehr geliefert. Für Christian Görke, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linke-Fraktion und früherer Finanzminister in Brandenburg, ist das völlig unverständlich. Kasachstan habe mehr Rohöl angeboten. "Warum die Bundesregierung das kasachische Angebot nicht angenommen hat, bleibt ihr Geheimnis", meinte der Linken-Politiker nach der Vertragsunterzeichnung.
Türkei und Indien als Umladeplatz für sanktioniertes Öl
Zudem gibt es weitere Wege, wie sanktioniertes russisches Öl nach Europa kommt. Russland verkauft beispielsweise Öl nach Indien und in die Türkei, dort wird es weiterverarbeitet und exportiert.
Und schließlich wird sanktioniertes Öl durch die Schattenflotte nach Europa gebracht. Ende 2024 fuhren mehr als 200 ehemals westliche Tanker in der russischen Schattenflotte. Insgesamt wird von etwa 500 Schiffen ausgegangen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur russisches Öl transportierenden Schattenflotte gehören. Für die Eigentümer der Schiffe bringt der Verkauf Milliardengewinne ein.
Das Prinzip ist simpel, aber gefährlich, nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch für die Umwelt. Viele dieser Tanker fahren ins Mittelmeer. Auf hoher See übergeben sie ihre Ladung dann an andere Schiffe. So wird die Herkunft der Ware verschleiert. Überwachungen finden selten statt, doch das will die EU nun ändern.
Ökosysteme im Mittelmeer sind durch Aktivitäten der Schattenflotte bedroht
Recherchen der Umweltschutzorganisation Greenpeace zeigen, dass die sensiblen Ökosysteme im Mittelmeerraum massiv durch die Aktivitäten der russischen Schattenflotte bedroht sind. Die Schiffe seien oft alt, schlecht instand gehalten, umgingen vorgeschriebene Inspektionen und verfügten über keinen ausreichenden Versicherungsschutz gegen Ölunfälle.
Zwischen 2022 und 2024 sollen auch aus der deutschen Handelsflotte Tanker verkauft worden sein. Insgesamt zählen elf dieser Schiffe heute zur Schattenflotte. Die Reeder und Eigner der Schiffe sollen mit den Geschäften etwa 200 Millionen Euro eingenommen haben.
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