Vor 65 Jahren : Verteidigungsministerium veröffentlicht Zahlen zu Ost-West Deserteuren
21.000 versus 161 Soldaten: Mitte Juli 1960 veröffentlichte das Bonner Ministerium Zahlen zu Soldaten, die von der DDR zur BRD - aber auch umgekehrt - desertierten.

Sein Foto ging um die Welt: Am 15. August 1961 floh der DDR-Soldat Conrad Schumann an der Bernauer Straße in Berlin, während er den Mauerbau unterstützen sollte. Mit einem Sprung über den Stacheldraht gelangte er nach West-Berlin.
Für die DDR-Propaganda waren sie ein Glücksfall: Bundeswehrangehörige, die die Seiten wechselten - von West nach Ost. Am 18. Juli 1960 veröffentlichte das Bonner Bundesverteidigungsministerium Zahlen zu den Fahnenflüchtigen. Demnach waren seit 1951 insgesamt 161 Bundeswehrsoldaten in die DDR desertiert. Umgekehrt waren aus der DDR im selben Zeitraum mehr als 21.000 Soldaten in die Bundesrepublik geflohen. Trotz des gravierenden Zahlenunterschieds wurde das Thema in Ost-Berlin für die eigenen Zwecke benutzt.
Fahnenflucht Richtung Osten: Kanzler Adenauer schlug ein privates Detektivinstitut vor
In den Wochen zuvor hatte die DDR-Propaganda Fahnenflüchtige der Bundeswehr und Überläufer aus der zivilen Wehrverwaltung präsentiert. Deren Aussagen wurden als Beweis dafür angeführt, dass die Bundeswehr mit westlichen Verbündeten einen "Blitzkrieg" gegen die DDR plane.
Unterdessen befasste sich am 20. Juli 1960 auch das Bundeskabinett mit den Deserteuren. Im entsprechenden Protokoll heißt es, die Regierung habe die "verhältnismäßig große Zahl der Deserteure der Bundeswehr" unter anderem "auf den Zeitdruck" zurückgeführt, "unter dem die Bundeswehr seinerzeit aufgebaut wurde". Vor allem aber "fehle es dem Bund auf diesem Gebiet an Exekutivbefugnissen", heißt es weiter. Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) machte dabei einen unkonventionellen Vorschlag, wie man der Fahnenflucht Richtung Osten begegnen könne: Er bat unter anderem zu prüfen, "ob die Bundesregierung nicht ein privates Detektivinstitut beschäftigen könne".
Auch lesenswert

So haben DDR-Bürger die Mauer nicht zu Gesicht bekommen: Zum 35. Jubiläum des Mauerfalls zeigt eine Ausstellung im Bundestag seltene Aufnahmen der DDR-Grenztruppen.

Christoph Heins fesselnder Roman "Das Narrenschiff" beschreibt die Geschichte der DDR aus der Sicht ihrer Gründer und Funktionäre.

Die Skepsis gegenüber einer eigenen Armee war groß im Deutschland der Nachkriegszeit. Zehn Jahre nach Kriegsende wird das Bundesverteidigungsministerium gegründet.