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Humanitäre Lage in Gaza : Große Zweifel an Israels Kampf gegen die Hamas

Angesichts der katastrophalen humanitären Lage in Gaza werden im Bundestag die Rufe nach Einschränkungen von Waffenexporten nach Israel lauter.

06.06.2025
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3 Min

Außenminister Johann Wadephul (CDU) sichert Israel weitere Waffenhilfe zu, verlangt zugleich aber rasche humanitäre Hilfe im Gazastreifen und äußert scharfe Kritik am Siedlungsbau im Westjordanland. "Deutschland hat eine Verpflichtung für die Sicherheit und Existenz des Staates Israel und Deutschland ist auch dem Völkerrecht verpflichtet. Das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille", sagte der CDU-Politiker bei einem Treffen mit seinem israelischen Kollegen Gideon Saar am Donnerstag in Berlin.

Foto: picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

"Sorge um die Menschen in Gaza": Außenminister Johann Wadephul (r.) übte beim Besuch seines israelischen Kollegen Gideon Saar am Donnerstag in Berlin deutliche Kritik.

Auch im Bundestag gab es fraktionsübergreifend die Forderung nach einem besseren Zugang für humanitäre Hilfen für die Menschen in Gaza. In einer Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion Die Linke zur "humanitären Katastrophe in Gaza" stellten die Abgeordneten am Donnerstag den Bezug zum Massaker der islamistischen Hamas an israelischen Zivilisten vom 7. Oktober 2023 her, das den Ausgangspunkt für Israels militärisches Vorgehen gegen die Terrororganisation bildete. Mehrere Redner bezweifelten jedoch, ob das Vorgehen der israelischen Streitkräfte noch verhältnismäßig und in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht ist.

Ein Waffenembargo kommt für die Union aber nicht infrage

Ines Schwerdtner (Die Linke) sprach von 53.000 in Gaza getöteten Menschen, die Mehrheit von ihnen Zivilisten. 100 Prozent der Bevölkerung seien von Hunger bedroht, es fehle an Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten. "Dieser Krieg muss sofort enden." Der Regierung von Premier Benjamin Netanjahu warf Schwerdtner einen "genozidalen Krieg" gegen die palästinensische Bevölkerung vor. “Was hier passiert, hat mit Selbstverteidigung nichts mehr zu tun.”

Armin Laschet (CDU) macht jedoch deutlich, dass ein Waffenembargo gegenüber Israel aus Sicht der Union nicht infrage kommt. "Die Waffenexporte werden nicht eingeschränkt." Die Bundesregierung werde bei jeder Entscheidung die völkerrechtliche Relevanz prüfen. Aber in einer Phase, in der Israel von außen, vom Iran und von anderen Proxies bedroht sei, werde es "keine Sanktionen gegen Israel geben".


„Kein Konflikt, keine Vergangenheit, kein politisches Ziel rechtfertigt die Entführung und Gefangenschaft Unschuldiger.“
Adis Ahmetovic (SPD) über die Hamas

Beatrix von Storch (AfD) erinnerte daran, dass sich Israel 2005 mit der Hoffnung "Land gegen Frieden" aus Gaza zurückgezogen hatte. "Israel gab Land, aber bekam keinen Frieden." Die Hamas habe Gaza zur "Terrorfestung" ausgebaut und nutze zivile Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser und Wohnhäuser für ihren Terror und Menschen als Schutzschilde. Die israelische Armee stehe in diesem asymmetrischen Krieg vor einem "furchtbaren moralischen Dilemma" - jeder Versuch, gegen die Hamas vorzugehen, treffe immer auch die Zivilbevölkerung und jeder Verzicht darauf gebe der Hamas die Möglichkeit, stärker zu werden.

SPD: Verknappung von Hilfsgütern ist Bruch des Völkerrechts

Adis Ahmetovic (SPD) forderte die sofortige Freilassung der Geiseln in der Hand der Hamas. "Kein Konflikt, keine Vergangenheit, kein politisches Ziel rechtfertigt die Entführung und Gefangenschaft Unschuldiger." Zugleich kritisierte er das Vorgehen Israels. "Die bewusste Verknappung von Hilfsgütern, Fakten zu schaffen in der Westbank" - das sei ein Bruch des humanitären Völkerrechts. Ahmetovic betonte, dass die Bundesregierung bei jeder Waffenlieferung überprüfen müsse, ob deutsche Waffen zum Schutz des Staates Israel vor Terror und Krieg oder zum Bruch von Völkerrecht verwendet werden.

Einschätzungen aus Israel

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Wenn die einzige Demokratie im Nahen Osten von der Hamas, von Huthis und vom Iran angegriffen werde, dann dürfe man Israel nicht allein lassen, sagte Max Lucks (Grüne). Die "rechtsextreme Regierung" Netanjahus sei aber eine Belastung für das deutsch-israelische Bündnis. Sie mache der Freilassung der Geiseln nicht zur Priorität, stattdessen vertiefe sie den Konflikt in Gaza und setze auf den illegitimen Siedlungsbau im Westjordanland. Der politische Druck müsse der Hamas gelten, aber auch einer israelischen Regierung, "die ihre politische Existenz auf Kosten von Hass und Menschenleben sichert", sagte Lucks.

Linke fordert in einem Antrag die Anerkennung Palästinas

Am Freitag befasste sich der Bundestag mit einem Antrag der Fraktion Die Linke und überwies die Vorlage an die Ausschüsse. Die Abgeordneten fordern darin die Bundesregierung auf, sich "für einen sofortigen, ungehinderten Zugang zu umfassender humanitärer Hilfe für die palästinensische Zivilbevölkerung in Gaza" einzusetzen. Außerdem solle die Bundesregierung alle Waffenlieferungen an Israel einstellen und Palästina als eigenen Staat in den Grenzen von 1967 anerkennen, "um einer Zweistaatenlösung mit einem sicheren und demokratischen Israel und einem lebensfähigen, unabhängigen und demokratischen Palästina näherzukommen".

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