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Freihandelsdeal mit Lateinamerika : "Jedes weitere Handelsabkommen ist ein Beitrag für Wachstum"

FDP-Europapolitikerin Svenja Hahn macht sich für das umstrittene Mercosur-Handelsabkommen stark. Sie meint: Gerade die deutsche Wirtschaft würde davon profitieren.

04.12.2025
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3 Min

Frau Hahn, wie wird sich das Europäische Parlament (EP) zu Mercosur positionieren?

Svenja Hahn: Zunächst entscheiden wir über die Schutzmechanismen, 2026 über das ganze Abkommen. Ich bin optimistisch, dass eine Mehrheit für die Schutzmechanismen stimmen wird, die weitreichendsten, die es je in einem Freihandelsabkommen gab. Die EU-Kommission hat sie mit Ländern wie Frankreich, Polen und Irland erarbeitet, die Mitgliedstaaten haben sie einstimmig verabschiedet. Selbst Kollegen, die dem Abkommen kritisch gegenüberstehen, sollten diese Mechanismen begrüßen.

Konkret sollen bei Gütern wie Rindfleisch, Huhn und Zucker die Importerleichterungen entfallen, wenn der EU-Markt leidet. Viele Jahre wurde fast nur über Agrarthemen gestritten. War das die falsche Debatte?

Svenja Hahn: Die Debatte hat sich auf Landwirtschaft fokussiert, obwohl das nur ein Teil des Abkommens ist. Und die Neuerungen sind da nicht enorm: Die Quoten für Rindfleisch betragen gut 200 Gramm pro Person pro Jahr in der EU, also ein Steak, das zu niedrigeren Zöllen auf den Markt kommt. Beim Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) haben sich Befürchtungen, dass der EU-Rindfleischmarkt verzerrt würde, nicht bewahrheitet. Nach der aktuellen Auswertung zu fast zehn Jahren Handel unter CETA werden nur rund zwei Prozent der Rindfleischquoten genutzt. Sollte es zu Verzerrungen kommen, wird ein Ausgleichsfonds Abhilfe schaffen.

Foto: Svenja Hahn
Svenja Hahn (FDP)
ist seit 2019 Abgeordnete im Europäischen Parlament und gehört der liberalen Renew Europe Fraktion an. Die FDP-Politikerin sitzt im Ausschuss für Internationalen Handel sowie im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz.
Foto: Svenja Hahn

Welche Chancen bietet Mercosur für die Industrie?

Svenja Hahn: Ich sehe ein großes Wachstumspotenzial. Aktuell schotten die Mercosur-Länder ihre Märkte stark ab, zugleich besteht ein hoher Modernisierungsbedarf. Noch entfallen dort hohe Zölle, auf Autos etwa 35 Prozent, auf Maschinenprodukte bis zu 20 Prozent, auf Chemieprodukte bis zu 18 Prozent. Das sind Bereiche, in denen die deutsche Wirtschaft stark ist, und wo neue Absatzmärkte entstehen können. Rund 240.000 Jobs in Deutschland hängen aktuell an den Mercosur-Staaten, 10.000 deutsche Mittelständler exportieren dorthin.

Der wissenschaftliche Dienst des EP prognostiziert nur ein Plus der Wirtschaftsleistung in der EU von 0,1 Prozent dank Mercosur.

Svenja Hahn: Es gibt keinen Zauberstab, um die europäische Wirtschaft zu retten. Aber jedes weitere Handelsabkommen ist ein wichtiger Beitrag für Wachstum und sichere Arbeitsplätze. Gerade wenn im Welthandel immer mehr das Recht des Stärkeren gilt, dann zeigt die EU mit Mercosur, dass wir mit Partnern nach klaren Regeln handeln wollen. Und in Zeiten, in denen viele Länder Zölle hochsetzen, ist es ein starkes Signal, sie bewusst zu senken.


„Es ist geopolitisch, ökonomisch und sicherheitspolitisch notwendig, dass wir dieses Abkommen vorantreiben.“
Svenja Hahn (FDP)

Haben Sie den Eindruck, dass Skeptiker im EP umdenken, weil sich die Welt gerade verändert?

Svenja Hahn: Die Diskussion zeigt, wie polarisiert die Handelsdebatte ist. Globalisierungsgegner schwenken jetzt nicht abrupt auf eine Pro-Freihandels-Agenda um. Gleichzeitig glaube ich, kann sich niemand vor der Realität verschließen. Wir haben zuletzt immer wieder gesehen, wie fragil unsere Lieferketten sind. Auch deswegen ist es wichtig, dass im Mercosur-Handelsabkommen ein bevorzugter Zugang zu kritischen Rohstoffen vorgesehen ist. Im Bereich Sicherheit und Verteidigung brauchen wir Zugang zu diesen Rohstoffen, aber auch im Bereich Gesundheit. Für Herzschrittmacher benötigen wir kritische Rohstoffe wie Platin. Es ist geopolitisch, ökonomisch und sicherheitspolitisch notwendig, dass wir dieses Abkommen vorantreiben.

Im EP sind viele Fraktionen gespalten, weil die Standpunkte national geprägt sind. Wie sieht das bei den Liberalen aus?

Svenja Hahn: Stimmt, das ist eine sehr national geprägte Debatte. Unsere liberale Fraktion stellt sich positiv zum Handelsabkommen auf. Es gibt allerdings Kollegen, besonders aus Frankreich und Irland, die noch besorgt sind.

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Auch die europäische Bevölkerung ist von Mercosur noch nicht überzeugt. Wie wollen Sie das ändern?

Svenja Hahn: Mich macht ehrlicherweise in der Debatte fassungslos, wenn so getan wird, als gäbe es gar keinen Handel ohne Freihandelsabkommen. Es findet Handel statt, aber zu wesentlich schlechteren Konditionen. Ein Handelsabkommen schafft immer bessere Bedingungen als der Status quo. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass Menschen Angst gemacht wurde, gerade bei der Qualität von Lebensmitteln. Ich glaube, da muss man Sorgen und Bedenken adressieren, aber man muss auch sagen, unsere Gesundheitsstandards ändern sich nicht. Auch mit Handelsabkommen dürfen gefährliche Produkte nicht in unsere Märkte.

Was erwarten Sie bei der Abstimmung zur Ratifizierung im EP?

Svenja Hahn: Ich gehe davon aus, dass eine Mehrheit für das Abkommen stimmen wird, da viele im EP eine stärkere geopolitische Zusammenarbeit für notwendig halten und auch das Potenzial für die europäische Wirtschaft sehen werden.