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Mercosur-Handelsabkommen : Die Mehrheit im Europäischen Parlament steht noch nicht

Seit 25 Jahren verhandelt die EU mit Staaten in Lateinamerika über ein Freihandelsabkommen. Ob der Deal bis Jahresende besiegelt werden kann, bleibt offen.

04.12.2025
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4 Min

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hat die Reise schon geplant. Vier Tage vor Heiligabend will sie nach Brasilien fliegen und dort ihre Unterschrift unter das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay setzen, über das seit 1999 verhandelt wird. Doch ob alles nach Plan verläuft, ist offen. Die Staats- und Regierungschefs müssen beim letzten EU-Gipfel des Jahres 2025 noch ihre abschließende Zustimmung zu dem Abkommen geben. Anschließend muss das Europäische Parlament (EP) das Abkommen ratifizieren, wahrscheinlich wird es im März abstimmen. Eine klare Mehrheit für das Freihandelsabkommen steht bisher nicht.

Foto: picture alliance/abaca/Paoloni Jeremy/ABACA

In Frankreich gibt es regelmäßig Proteste gegen Mercosur, besonders die Landwirte sind dagegen. Ende November forderte die Nationalversammlung die Regierung auf, gegen das Abkommen zustimmen.

Ein erster Stimmungstest könnte die Abstimmung über die Schutzklauseln für Agrarimporte am 16. Dezember im EP werden. Die Klauseln sollen sicherstellen, dass die europäische Landwirtschaft nicht übermäßig unter dem Handelsdeal leidet. Sollte die Konkurrenz aus Lateinamerika bei Gütern wie Rindfleisch, Eiern und Zucker den europäischen Markt stark beeinträchtigen, wie Kritiker befürchten, soll die EU-Kommission künftig eingreifen können. Sie hat diese Maßnahmen vorgeschlagen, um Mitgliedstaaten wie Frankreich, Irland und Polen zu besänftigen.

Die Befürworter von Mercosur schwärmen von einem gigantischen Handelsraum, der entstehen würde, mit annähernd 800 Millionen Menschen. Das entspricht rund einem Fünftel der Weltwirtschaft. Graduell sollen die Zölle abgebaut werden: 91 Prozent der Zölle von EU-Exporten in Richtung Mercosur sollen entfallen, in der Gegenrichtung sogar 92 Prozent. Vier Milliarden Euro an Zöllen würden für Exporteure in den EU-Ländern pro Jahr entfallen, prognostiziert die EU-Kommission.

Manfred Weber: Mercosur ist wichtige Alternative zur Zollpolitik der USA

In einer Zeit, in der US-Präsident Donald Trump den transatlantischen Handel mit Zöllen belastet, halten manche das Mercosur-Freihandelsabkommen für eine wichtige Alternative. "Wer enttäuscht ist von Trump, der muss für solche Abkommen stimmen", findet Manfred Weber, Vorsitzender der Christdemokraten im EP.

Sein spanischer Parteifreund Gabriel Mato, im EP zuständig für Mercosur, sieht darin ein "strategisches Instrument". Er hält Nichtstun für keine Option: “Jede Verzögerung bedeutet, dass Arbeitsplätze nicht entstehen, Märkte nicht geöffnet werden, Investitionen verloren gehen und Europas Stimme geschwächt wird gegenüber anderen globalen Akteuren.”


„Es gibt keine Handhabe, wenn Umweltstandards missachtet werden.“
Iratxe García Pérez (Vorsitzende der Sozialdemokraten im EP)

Auch Matos Landsfrau Iratxe García Pérez, Vorsitzende der Sozialdemokraten im EP, befürwortet das Abkommen. Ihre Fraktion ist jedoch tief gespalten. Die Grünen lehnen Mercosur in seiner aktuellen Form ab. Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EP, hält es für "stark fehlerbehaftet". Sie wirbt dafür, dass Handelsabkommen nicht nur nach ihrer strategischen Notwendigkeit beurteilt werden, sondern nach ihrem Inhalt. Konkret befürchtet Cavazzini, dass Mercosur die Entwaldung, etwa im Amazonas, beschleunigen könnte. Es gebe keine Handhabe, wenn Umweltstandards missachtet würden, warnt sie.

Ökonom empfiehlt Investitionen in nachhaltige Technologien

Ökonomen wie Rolf Langhammer, ehemaliger Vizepräsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, betonen dagegen, dass die EU ihre Standards den Partnerländern nicht aufdrängen könne, da europäische Vorstellungen von Nachhaltigkeit als "Einmischung" empfunden würden. Zielführender sei es, mit EU-Mitteln natürliche Ressourcen zu schützen oder Technologien zu finanzieren, die nachhaltige Produktionsweisen ermöglichten. "Der auf der Weltklimakonferenz in Belém verabschiedete Regenwald-Fonds weist in diese Richtung", sagt Langhammer.

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In einer Studie für das Europäische Parlament kommen Ökonomen zu dem Ergebnis, dass die Mercosur-Länder stärker von der Marktöffnung profitieren würden als die EU. Das Abkommen würde die Wirtschaftsleistung in der EU den Schätzungen zufolge um 0,1 Prozent erhöhen, in den Mercosur-Ländern um 0,3 Prozent. Deutschland würde als Exportland allerdings überproportional profitieren, vor allem die Autoindustrie erhofft sich besseren Zugang zu Absatzmärkten. Die europäische Industrie setzt außerdem auf einen besseren Zugang zu wichtigen Rohstoffen wie Lithium und Kupfer, essenziell für Elektromobilität und Technologien für erneuerbare Energien.

Bis zu 250 Abgeordnete lehnen Mercosur strikt ab

Die Zivilgesellschaft steht dem Abkommen skeptisch gegenüber. Die Deutsche Gesellschaft für bedrohte Völker warnt vor Gesundheitsrisiken auf beiden Seiten des Atlantiks. In Brasilien sei die Pestizid-Nutzung in den vergangenen zehn Jahren um 78 Prozent gestiegen. Das Abkommen schaffe außerdem Zölle auf Pestizidimporte in die Mercosur-Länder ab. "Davon profitieren Chemieunternehmen wie Bayer, BASF und Alzchem." Mehr als die Hälfte der Substanzen, die beim Anbau von Mais in Mercosur erlaubt seien, dürften in der EU nicht verwendet werden, argumentiert der europäische Bauernverband Copa-Cogeca, der Demonstrationen gegen Mercosur angekündigt hat.

Die Befürworter des Deals im Parlament werben um Zustimmung. Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EP, Bernd Lange (SPD), sieht bei 200 bis 250 Abgeordneten im linken und rechtspopulistischen Lager Fundamentalopposition. "Es bleiben 500 Abgeordnete, um die man ringen muss." Der Niedersachse gibt sich zuversichtlich, eine Mehrheit für Mercosur im EP erreichen zu können. Am 20. April 2026 wird der brasilianische Präsident Lula da Silva auf der Hannover-Messe erwartet, um das Partnerland Brasilien zu vertreten. Bis dahin, so Lange, sollte der politische Prozess rund um Mercosur endlich abgeschlossen sein. 

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