Handel mit Lateinamerika : Mehrheit im Bundestag begrüßt Mercosur-Abkommen
Der Bundestag debattierte in einer Aktueller Stunde über freieren Warenverkehr zwischen der EU und Südamerika. Es gibt viel Zustimmung, aber auf heftige Kritik.
Nach 25 Jahren Verhandlungen nun der Durchbruch: Das Freihandelsabkommen Mercosur mit Südamerika ist unterschriftsreif und soll auf einem Gipfeltreffen in Uruguays Hauptstadt Montevideo an diesem Freitag rechtsgültig verabschiedet werden. Für die Europäische Union wird Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Unterzeichnung nach Südamerika reisen. Nach der Prozedur in Uruguay muss das Abkommen noch den EU-Rat und das Europaparlament passieren, auch die nationalen Parlamente müssen zustimmen.
Die EU will ihren Markt für Rindfleisch aus Südamerika nicht vollständig öffnen, sondern Quoten einführen.
Der Bundestag hat am Donnerstagnachmittag in einer Aktuellen Stunde auf Verlangen der FDP-Fraktion über das Mercosur-Abkommen debattiert. Wenngleich die Mehrheit der Abgeordneten den Freihandelsvertrag mit Südamerika befürwortet, gab es auch heftige Kritik. Dabei wurden vor allem von Linken und der AfD bekannte Argumente ins Feld geführt, die seit Beginn der Verhandlungen 1999 regelmäßig wiederkehrten, wie negative wirtschaftliche, ökologische und soziale Auswirkungen.
Freihandelszonen mit über 715 Millionen Einwohnern
Doch die anderen Fraktionen waren anderer Meinung. Lukas Köhler (FDP) begrüßte es, dass Mercosur nun "endlich zum Abschluss kommt". Neben der Notwendigkeit von Handelsabkommen für die Wirtschaft seien auch geopolitische Gründe dazugekommen. Vor allem China stehe in "Südamerika in den Startlöchern", es gelte, für Europa Partner und Absatzmärkte zu gewinnen. Köhler: "Wir brauchen Wachstum und wir brauchen Perspektiven."
Das Abkommen soll eine der weltweit größten Freihandelszonen mit über 715 Millionen Einwohnern schaffen. Die EU schließt den Vertrag mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Im Kern geht es um den Abbau von Handelsschranken. Für 91 Prozent aller zwischen der EU und dem Mercosur gehandelten Waren sollen Zölle abgeschafft werden. Nach Berechnungen der EU-Kommission würden sich für europäische Exporteure dadurch jährliche Einsparungen in Höhe von rund vier Milliarden Euro ergeben.
Auch Peter Beyer (CDU) appellierte an die Verantwortlichen, "den Sack endlich zuzumachen und das Freihandelsabkommen zu unterzeichnen". Er warf der Bundesregierung vor, das Abkommen nicht bereits im Sommer unterschrieben zu haben. Das war "sehr zum Nachteil der deutschen Wirtschaft", sagte Beyer. Er habe "große Hoffnungen", dass das Abkommen nun bald ins parlamentarische Verfahren komme, damit der Bundestag es verabschieden könne.
Darauf hofft auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), vor allem Autohersteller und Chemieindustrie würden von dem Abkommen profitieren. Landwirtschaftsverbände hingegen lehnen Mercosur in der jetzigen Form ab. Der Deutsche Bauernverband fordert, das Abkommen zu stoppen und neu zu verhandeln. Umweltverbände führen vor allem niedrigere Standards beim Tierschutz und beim Einsatz von Pestiziden an. Kritisch sehen sie auch Gen-Soja, für das Regenwald abgeholzt wird.
Isabel Codematori (SPD) verwahrte sich gegen solche Kritik und verwies darauf, dass die EU-Verbraucherstandards auch für den Handel mit Südamerika gelten würden. Zudem wolle die EU ihren Markt für Rindfleisch, Geflügel oder Zucker aus den Mercosur-Ländern nicht vollständig öffnen, sondern Quoten einführen. So sollten für Rindfleisch Einfuhren erlaubt werden, die 1,2 Prozent der gesamten EU-Produktion entsprächen. Mercosur sei somit ein "wichtiges Zeichen in einer geopolitischen Situation, wo viele wichtige Nationen sich in eine andere Richtung entwickeln, mit mehr Protektionismus und mehr Barrieren im Handel", sagte Codematori.
China baut seinen Einfluss weltweit immer mehr aus
Auch Maik Außendorf (Grüne) unterstrich die Bedeutung von Handelsabkommen wie Mercosur. China baue Häfen und Eisenbahnschienen in vielen Teilen der Welt und sichere sich so seinen Zugang zu Rohstoffen und exportiere nicht nur Waren, sondern auch technische Normen und Werte. Das solle die EU mit betrachten, wenn über Handelspolitik nachgedacht werde, deshalb sollten "Handelswege diversifiziert sein", so Außendorf. Nicht verhandelbar sei jedoch, sich bei solchen Verträgen für Klimaschutz einzusetzen, damit Lebensgrundlagen nicht weiter zerstört würden. Das gelte vor allem für den Amazonas-Regenwald.
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Enrico Komning (AfD) warf der EU-Führung vor, ohne Absprache mit wichtigen Partnern wie Frankreich "einfach nach Südamerika zu fliegen", um das Abkommen zu unterzeichnen, während in Paris gerade der Ministerpräsident zurückgetreten sei. Komning sprach von einem "Schurkenstück".
Ina Latendorf (Linke) warnte vor einem "neoliberalen Ruinierungspaket". Mercosur bedeute vor allem "Fressen-und-gefressen-Werden" ohne Absicherung der gesamtstaatlichen Sicherungsmaßnahmen. Klimaschutz, Umweltschutz und Arbeitsschutz würden dem Profit komplett untergeordnet.