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Deutsch-Französische Partnerschaft : "Wir wollen die Belastungen für die Grenzregion minimieren"

Der Co-Vorsitzende der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, Andreas Jung (CDU), über Kontrollen an der Grenze und neuen Schwung in den Beziehungen.

18.06.2025
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6 Min

Herr Jung, am Montag gab es in Paris nach gut anderthalb Jahren Pause wieder ein Treffen der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV). Wie war die Stimmung unter den rund hundert Abgeordneten? 

Andreas Jung: Es herrschte eine regelrechte Aufbruchstimmung. Allen ist klar: Das ist gerade ein besonderer Moment für die deutsch-französische Partnerschaft. Europa muss eine gemeinsame Haltung beziehen zu den kriegerischen Auseinandersetzungen, den wirtschaftlichen Konflikten, der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Hier ist der gemeinsame Beitrag Deutschlands und Frankreichs gefragt und dieses Bewusstsein war spürbar. 

Die DFPV hatte einen holprigen Start, seit der Gründung im Jahr 2019 sind viele persönliche Treffen ausgefallen, erst wegen der Corona-Pandemie, dann wegen der Neuwahlen in beiden Ländern. Konnten die Abgeordneten in dieser Zeit überhaupt etwas erreichen?

Andreas Jung: Ja. Unter anderem haben wir dafür gesorgt, dass die während der Corona-Pandemie zunächst geschlossene Grenze zwischen Deutschland und Frankreich wieder geöffnet wurde. Die war richtig dicht, mit der Folge, dass beispielsweise Familien getrennt wurden. Aber wenn man wirtschaftlich, kulturell und privat so eng miteinander verflochten ist, kann man nicht einfach mit einem Federstrich eine undurchlässige Grenze ziehen. Wir haben daraufhin die beiden Innenminister zum Gespräch eingeladen und auf die Probleme aufmerksam gemacht. Danach wurde die Grenze wieder geöffnet.

Foto: Otto Kasper Studios
Andreas Jung (CDU)
ist seit Juni 2025 - wie schon zwischen 2019 und 2021 - Co-Vorsitzender der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung. Er vertritt den Wahlkreis Konstanz und ist klima- und energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Foto: Otto Kasper Studios

Nun gibt es seit dem 8. Mai verschärfte Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen. Pendler, Einzelhändler und Unternehmen im Grenzgebiet klagen seither über Umsatzeinbußen und lange Wartezeiten an der Grenze. Wie passt das zur Zielsetzung der DFPV, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu harmonisieren? 

Andreas Jung: Die aktuellen Grenzkontrollen sind etwas ganz anderes als die Grenzschließung in der Corona-Pandemie. Trotzdem hat uns die Frage nach den Auswirkungen auf die Grenzregion gestern intensiv beschäftigt, wir hatten dazu eine sehr lebhafte und durchaus kontroverse Debatte. Konkret haben wir über zwei Anträge diskutiert. In einem Antrag fordern die Grünen mit ihren französischen Partnern ein sofortiges Ende der Kontrollen. Im zweiten von CDU/CSU und SPD und Abgeordneten der Macron-Partei Renaissance betonen wir, dass wir die Grenzkontrollen für notwendig halten, solange es keinen überzeugenden Schutz der EU-Außengrenzen gibt. Wir fordern aber, sie so durchzuführen, dass sie den freien Personen- und Warenverkehr in der Region nicht unverhältnismäßig behindern. Wir wollen die Belastungen für die Grenzregion minimieren. 

Wie soll das funktionieren?

Andreas Jung: Wir schlagen in unserem Antrag beispielsweise deutsch-französische Kontrollen mit Polizisten aus beiden Ländern vor. Kritik wegen Zeitverzögerungen gibt es zwischen Straßburg und Kehl, weil für die Kontrollen Straßenbahnen angehalten werden. Würden deutsche und französische Polizisten ein, zwei Stationen vorher einsteigen und während der Zugfahrt kontrollieren, müsste der Zug nicht anhalten. An einigen Orten sind auch spezielle Spuren für Pendler denkbar, die sich dann vorher registrieren lassen müssten. Es geht uns um konkrete Verbesserungen für die Menschen in der Grenzregion, deshalb bleiben wir da dran. 

Die DFPV kann keine bindenden Beschlüsse fassen. Wie wollen Sie die Regierungen von Ihren Vorschlägen überzeugen?

Andreas Jung: Wir haben über beide Anträge noch nicht abgestimmt, sondern uns darauf verständigt, zunächst die Innenminister beider Länder zu einer Videokonferenz einzuladen. Darauf aufbauend wollten wir dann eine Positionierung vornehmen. 

Ein weiteres Thema des Treffens war die Energiepolitik, dazu gab es auch ein Gespräch mit der deutschen Energieministerin und ihrem französischen Amtskollegen. Bei dem Thema bestehen Differenzen: Während Deutschland die erneuerbaren Energien ausbaut, setzt Frankreich weiter auf Kernkraft. Konnten sich die Positionen auf parlamentarischer Ebene annähern? 

Andreas Jung: Wir müssen respektieren, dass wir unterschiedliche Strategien in der Energiepolitik haben. Und das wird auch absehbar so bleiben. Wir müssen aber rauskommen aus dem Modus der Belehrungen und stattdessen unterschiedliche Strategien respektieren. Darauf aufbauend gilt es dann Synergien zu nutzen. Grundlage dafür ist eine leistungsfähige Energieinfrastruktur zwischen Deutschland und Frankreich - bei Strom, Wasserstoff und perspektivisch bei CO2. Nach langer Vorarbeit haben wir gestern ein umfassendes Papier zur Energiesouveränität verabschiedet. Darin fordern wir eine echte europäische Energie-Union - und nennen konkrete Beispiele, wie wir unsere Zusammenarbeit verbessern müssen. 

Das ist die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung

🤝 Die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung, kurz DFPV, setzt sich aus hundert Mitgliedern zusammen - 50 Abgeordnete des Bundestages und 50 Abgeordnete der französischen Nationalversammlung (Assemblée nationale).

☝️ Ziel ist, die Zusammenarbeit der beiden Parlamente zu institutionalisieren und eine Konvergenz der Standpunkte Deutschlands und Frankreichs auf europäischer Ebene zu erreichen.

📋 Die Parlamentarier sollen mindestens zweimal im Jahr abwechselnd in Deutschland und Frankreich tagen. Basis für diese Zusammenarbeit ist das Deutsch-Französische Parlamentsabkommen, das beide Parlamente am 11. März 2019 verabschiedet haben.

🛎️Das Präsidium wird gemeinsam von der Präsidentin des französischen Parlaments Yaël Braun-Pivet und Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) geleitet. Als neue Vorsitzende der DFPV wurden am 16. Juni in Paris der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung und seine französische Kollegin Brigitte Klinkert (Ensemble pour la République) gewählt. 



Welche?

Andreas Jung: Zum Beispiel haben wir am Oberrhein große Potenziale für Geothermie, aber sie werden oft nicht genutzt. Grund sind unterschiedliche Regelungen auf beiden Seiten der Grenze. Welche Technologie kann zur Anwendung kommen, wie sind die Genehmigungsverfahren, was passiert im Schadensfall? Da gibt es Unsicherheiten, die wir ausräumen wollen. Der Aachener Vertrag…

… der 2019 zwischen Deutschland und Frankreich neu geschlossene Freundschaftsvertrag…

Andreas Jung: Ja, er ermöglicht es der Grenzregion eigene Regelungen zu treffen, die von den jeweiligen nationalen Regeln abweichen. Das ist ein großer Schritt, allerdings ist das bisher noch nie angewendet worden. Das wollen wir als DFPV ändern, indem wir rechtssichere Regelungen für Geothermie über die Grenze hinweg fordern. Aber auch beim Wasserstoff müssen wir vorankommen. Die geplante Pipeline von Barcelona nach Marseille soll nach Deutschland fortgeführt werden. So haben es die Regierungen vereinbart. Aber seit Jahren passiert nichts. Wir drängen darauf, dass das jetzt endlich vorankommt. Es wird keine europäische Wasserstoffstrategie geben, wenn Deutschland und Frankreich nicht zusammenkommen. 

Die deutsch-französischen Beziehungen sind in den vergangenen Jahren ziemlich abgekühlt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat bei seinem Antrittsbesuch bei Präsident Emmanuel Macron einen Neustart angekündigt. Wie gut stehen die Chancen, dass das gelingen kann?

Andreas Jung: Ich bin zuversichtlich. Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben sofort einen engen Draht entwickelt, und auch unsere beiden Parlamentspräsidentinnen haben ein gutes, freundschaftliches Verhältnis zueinander aufgebaut. Das ist wichtig, denn die deutsch-französische Partnerschaft darf sich nicht in Bürokratie erschöpfen. Sie lebt nicht von den Institutionen, sondern von den Beziehungen zwischen den Menschen. Deshalb müssen wir die Formate, die es unter anderem mit der DFPV gibt, mit Leben füllen. Wenn sich Deutschland und Frankreich einig sind, ist das in dem größer gewordenen Europa zwar noch nicht die halbe Miete. Aber wenn wir nicht zusammenkommen, geht gar nichts. Von diesem Geist sind wir getragen. 

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