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Anhörung im Menschenrechtsausschuss : Im Dauerstrom der Desinformation

Mehrere Experten warnen vor anhaltender Einflussnahme autoritärer Staaten. Ein Rat lautet: Mehr Medienkompetenz bei Jugendlichen und Erwachsenen.

13.11.2025
True 2025-11-13T19:29:41.3600Z
3 Min

Experten warnen mehrheitlich vor anhaltender Einflussnahme und Desinformationskampagnen durch autoritäre Staaten: In einer öffentlichen Anhörung des Menschenrechtsausschusses am Mittwoch reichten die Empfehlungen von einer stärkeren Förderung der Medienkompetenz bis hin zu Rufen nach mehr Regulierung, etwa durch eine enge Auslegung des Digital Services Acts.

Die Journalistin Gesine Dornblüth bezeichnete russische Desinformation als "zentralen Bestandteil des russischen hybriden Krieges gegen demokratische und offene Gesellschaften". Der Kreml weite Desinformation aus, für 2026 sehe der Haushalt die Rekordsumme von 1,5 Milliarde Euro für Propagandamedien vor. Es gehe darum, Stimmung gegen die Ukraine und ihre Unterstützer zu machen und Zweifel am Sinn der wegen des russischen Angriffskriegs gegen Russland verhängten Sanktionen zu streuen. Dornblüth sprach sich für eine stärkere Medienpädagogik in Schulen und in der Erwachsenenbildung aus. Wer wisse, wie russische Kampagnen funktionierten und wer mit ihnen rechne, sei weniger anfällig.

Experte: Ziel ist es, die Handlungsfähigkeit der westlichen Staaten zu schwächen

Für Ferdinand Alexander Gehringer von der Konrad-Adenauer-Stiftung steht Russland bei Desinformationen "an vorderster Front und ist die größte Bedrohung für Deutschland". Russische Kampagnen kombinierten "staatliche Medien, Geheimdienststrukturen, Troll-Netzwerke und KI-generierte Inhalte". Dahinter stehe das Ziel, gesellschaftliche Spaltung zu vertiefen, das Vertrauen in demokratische Prozesse und Strukturen zu untergraben und die Handlungsfähigkeit der westlichen Staaten zu schwächen - nicht zuletzt bei der Unterstützung der Ukraine.


„Die Menschen sollen nicht mehr wissen, was wahr ist und was falsch.“
Sachverständiger Johannes Hillje

Der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje bezeichnete Desinformation als "Strategie der Informationsmanipulation", die Vertrauen untergraben solle. "Die Menschen sollen nicht mehr wissen, was wahr und was falsch." Nötig sei mehr Medienbildung mit dem Ziel der "Informationskompetenz". Es gehe vor allem darum, Quellen richtig einschätzen zu können.

Stefan Liebich von der Rosa-Luxemburg-Stiftung machte sich für die Regulierung sozialer Netzwerke und gegen eine Verwässerung des Digital Service Act der EU stark. Wenn man sich anschaue, dass einige der reichsten Männer der Welt wie Elon Musk und Mark Zuckerberg die Plattformen "X" beziehungsweise Facebook, Instagram und Whatsapp besäßen und zudem Unterstützer des US-Präsidenten Donald Trump seien, "dann wird einem klar, was wir hier für ein Problem haben".

Bürger ermutigen, sich auf primäre Informationen zu konzentrieren

Jan Mainka, Chefredakteur und Herausgeber der "Budapester Zeitung", beklagte ein "eklatantes Auseinanderklaffen" zwischen dem Ungarnbild deutscher "Mainstreammedien" und der Wirklichkeit vor Ort. Es gebe eine ausgeprägte Meinungsfreiheit in Ungarn, Medien könnten frei berichten, es gebe keine staatlichen Eingriffe in den redaktionellen Alltag, es könne auch sehr hart kritisiert werden.

Puma Shen, Abgeordneter im taiwanesischen Parlament für die Democratic Progessive Party, verwies in seiner schriftlichen Stellungnahme auf ein "asymmetrisches Dilemma" für Demokratien. "Informationelle Autokratien" wie China oder Russland stünden praktisch unbegrenzte, durch keine demokratische Kontrolle eingeschränkten Ressourcen und Kanäle für Kampagnen zur Verfügung. Die Politik müsse gegen die "strukturelle Architektur der ausländischen Einflussnahme" vorgehen und Medienkompetenz fördern. Bürgerinnen und Bürger sollten ermutigt werden, Erzählungen im Internet "die Komplexität der echten Welt entgegenzusetzen und sich auf primäre und nuancierte Informationen zu konzentrieren".

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