
Aufarbeitung der Corona-Pandemie : Die Länder haben Vorsprung
Von Stuttgart bis Erfurt: In ihrer ersten Arbeitssitzung hat die Corona-Enquete bei den Erfahrungen der Landtage mit der Pandemieaufarbeitung genau hingeschaut.
In Sachen Pandemieaufarbeitung haben einige Länder die Nase vorn: Welche Erfahrungen haben Untersuchungsausschüsse und Enquete-Kommissionen in den Landesparlamenten bei der Aufarbeitung der Corona-Pandemie bereits gesammelt? Diese Frage stand am Montag im Zentrum der dritten Sitzung der Enquete-Kommission zur "Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse" im Bundestag.
Verschiedene Landtage hatten bereits entsprechende Sondergremien eingerichtet - ihre bisherigen Antworten bildeten den Auftakt dieser öffentlichen Anhörung in Berlin.
Wie können Risikobewertung und Krisenbewältigung künftig effektiver gestaltet werden?
"Es gab ein spezifisches Spannungsfeld zwischen Bund und Ländern", sagte Andreas Nowak (CDU), sächsischer Landtagsabgeordneter und Vorsitzender des dortigen Untersuchungsausschusses. "Die Länder waren am Drücker, die Maßnahmen durchzusetzen." Sie seien in informellen Runden mit der Bundeskanzlerin beteiligt gewesen. Eine erste Einschätzung sei, künftig besser abgestimmt und gesetzlich normierter vorzugehen. Dies unterstrich auch Alexander Salomon (Bündnis 90/Die Grünen), baden-württembergischer Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der dortigen Enquete-Kommission "Krisenfeste Gesellschaft": Dort sei diskutiert worden, dass nicht nur Regierungen über zu treffende Maßnahmen entscheiden sollten, "sondern auch Landtage".
Die Corona-Pandemie hat Staat und Gesellschaft in gesundheitlicher, wirtschaftlicher, sozialer und politischer Hinsicht vor enorme Herausforderungen gestellt. Um künftig besser auf Gesundheitskrisen vorbereitet zu sein, arbeitet die Enquete-Kommission des Bundestags interdisziplinär an der Frage, wie Risikobewertung, Früherkennung und Krisenbewältigung in künftigen Pandemien effektiver gestaltet werden können. Der Kommission gehören 14 Abgeordnete und 14 externe Sachverständige an.
Spielplatz-Schließungen im Lockdown
Da die Kommission im Landtag in Stuttgart ihre Arbeit als erste bereits abgeschlossen hat und die anderen Gremien in den Ländern teilweise erst am Anfang stehen, wurden die meisten Fragen an Salomon adressiert. Er lobte die Wirkung des Kurzarbeitergeldes, kritisierte andererseits die Auswirkungen der einschränkenden Sicherheitsmaßnahmen. "Für Kinder und Jugendliche wirkten diese nochmal mehr." Salomon verwies auf geschlossene Spielplätze während der Lockdowns. Kinder und Jugendliche seien massiv betroffen gewesen, hier hätte es mehr Verhältnismäßigkeit geben sollen.
„Eine Enquete-Kommission kann, was ein Untersuchungsausschuss nicht kann.“
Auch gab Salomon konkrete Handlungsempfehlungen weiter: Gesundheit solle als "Health in all Policies" integriert werden, es solle eine bessere Datensatz-Sammlung geben und alle Bevölkerungsgruppen sollten geschützt sowie eingebunden werden. Es habe etwa Ungleichheiten bei Gruppen wie Migranten oder Menschen mit Behinderungen gegeben. Mit Blick auf Impfungen sagte Salomon, "eine Handlungsempfehlung ist die Mehrsprachigkeit". Man brauche auch "Personen, die ein gewisses Vertrauen und Wirkung in diesen Bevölkerungsgruppen haben".
Beitrag zur Überwindung der Spaltung der Gesellschaft
Sina Schönbrunn (SPD) sagte, staatliche Eingriffe sollten so gering wie möglich gehalten werden. "Zentrale Herausforderungen sind die unbefriedigende Datenlage und die begrenzte Flexibilität beim Personal", sagte die brandenburgische Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der dortigen Enquete-Kommission mit Blick auf Pflegekräfte.
Lena Saniye Güngör (Die Linke) ging auf das Nebeneinander von Enquete und Untersuchungsausschuss ein: "Für Thüringen war es relevant, dass wir beide Gremien hatten", sagte die Vorsitzende des dortigen U-Ausschusses. "Eine Enquete-Kommission kann, was ein Untersuchungsausschuss nicht kann", sagte sie mit Blick auf Themenkomplexe wie Resilienz in Familien, soziale Ungleichheit oder Krisenkommunikation.
Mehr Hintegründe

Enquete-Kommissionen leisten parlamentsinterne Politikberatung. Sie arbeiten interdisziplinär, gründlich und oft unsichtbar zu Themen, die Differenzierung verlangen.

Die Psychologin und Direktorin des Deutschen Jugendinstituts befürchtet langfristige Folgen der Pandemie und fordert ein Umdenken, um Kinder besser einzubinden.
Hartmut Beucker (AfD) berichtete als Vorsitzender der Enquete-Kommission "Krisen- und Notfallmanagement" in Nordrhein-Westfalen: Er kritisierte, dass der Landtag den von der AfD berufenen ständigen Sachverständigen abberufen hätte, und es keine Möglichkeit der Wiederernennung gegeben habe, als die gegen ihn erhobene Vorwürfe sich als haltlos erwiesen hätten: Aus rechtsstaatlichen Erwägungen sei das ein Ergebnis, "das nicht restlos überzeugt".
Yanki Pürsün (FDP) wünschte der Enquete-Kommission, dass sie umfassend und konstruktiv aufarbeitet, mit dem Ziel "einer größeren Akzeptanz in der Bevölkerung für Maßnahmen der Politik", so der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses im hessischen Landtag. Auch Salomon gab aus Stuttgart einen Wunsch auf den Weg: Man könne versuchen, die Spaltung der Gesellschaft “ein wenig zu überwinden”.