Aktuelle Stunde zur inneren Sicherheit : Höhere Strafen bei Messerangriffen geplant
Die AfD sieht den Anstieg von Messerangriffen als Folge einer "völlig verfehlten Migrationspolitik". Innenminister Dobrindt kündigt eine Strafverschärfung an.
Mehr als 29.000 Messerangriffe in Deutschland weist die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes (BKA) für das Jahr 2024 aus - statistisch gesehen also 79 pro Tag. Diese Zahl - verbunden mit dem jüngsten Messerangriff von Bielefeld, bei dem ein 35-jähriger Syrer am Sonntagmorgen fünf Menschen zwischen 22 und 27 Jahren schwer verletzt hat - hat bei Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die Alarmglocken schrillen lassen.
Künftig sollen Messerangriffe nicht mehr als Vergehen, sondern grundsätzlich als Verbrechen gelten und mit einer Mindeststrafe von einem statt einem halben Jahr geahndet werden, hatte Dobrindt bei der Vorstellung des BKA-Berichts gesagt.

Blumen und Kerzen stehen am Mittwoch dieser Woche vor der Cutie Bar in Bielefeld, vor der am vergangenen Sonntag fünf Menschen bei einem Messerangriff verletzt wurden.
Bei der AfD indes herrscht die Überzeugung, dass der Staat "offensichtlich die Kontrolle über die innere Sicherheit verloren hat", wie es ihr Innenexperte Martin Hess während einer Aktuellen Stunde am Mittwoch im Bundestag formulierte. "Das ist inakzeptabel und muss schnellstens korrigiert werden", betonte er.
AfD nennt Messerkriminalität "überwiegend importiert"
Anstatt aber die wahren Ursachen zu benennen, "nämlich eine völlig verfehlte Migrationspolitik", werde von den "Altparteien" verharmlost und abgestritten. Dabei, so Hess, sei die Faktenlage glasklar: "Messerkriminalität ist überwiegend importierte Kriminalität." Im Sicherheitsbericht Baden-Württembergs sei der Anteil ausländischer Tatverdächtiger von 55 auf 57 Prozent gestiegen, darunter der Anteil "sogenannter Flüchtlinge" von 33 auf 37 Prozent, bei einem Anteil von nur zwei Prozent an der Bevölkerung.
Bei den anderen Fraktionen sorgte diese Argumentation für Empörung. Die Instrumentalisierung der Tat von Bielefeld durch die AfD, kritisierte Lukas Benner (Grüne), sei rassistisch und verhöhne die Opfer von Gewalt. Wenn die als "gesichert rechtsextremistisch" eingestufte AfD im Bundestag über Sicherheit sprechen wolle, "ist das genau mein Humor", sagte Rasha Nasr (SPD). Clara Bünger (Linke) nannte es “widerwärtig, wie die AfD das furchtbare Verbrechen von Bielefeld politisch ausschlachtet.”

„Gewalt ist männlich, sozial bedingt und oft Ausdruck von Ausgrenzung.“
Marc Henrichmann (CDU) bezeichnete die Parole, alle Migranten seien schuld und ohne sie alle Probleme gelöst, als "Schwachsinn". 80 Prozent der Taten mit Messer fänden immer noch im häuslichen Bereich statt. Im Übrigen sei das Kriminalitätsproblem mit Messern "älter als Ihre vermeintliche Erzählung von illegalen Grenzöffnungen", sagte Henrichmann in Richtung AfD. Der Unionsabgeordnete bewertete die Reaktion von Innenminister Dobrindt als "gut und richtig". Allen müsse klar sein: "Wir dulden diese Taten nicht und bestrafen die Täter hart".
Benner ging auf den erwähnten BKA-Bericht ein, bei dem ihm eine andere Zahl ins Auge gefallen ist. Dass der Bericht fast 50 Prozent mehr rechtsextreme Straftaten innerhalb eines Jahres aufzeichne, sei "zutiefst erschreckend", befand der Grünen-Abgeordnete. Die Razzia gegen die sehr jungen Mitglieder der mutmaßlichen terroristischen Vereinigung "Letzte Verteidigungswelle" müsse eine Warnung sein. "Wir dürfen in diesem Land keinen zweiten NSU, kein zweites Hanau und kein zweites Halle zulassen", mahnte Benner.
Gewalt ist ein vielschichtiges Problem, betont die SPD
Aus Sicht von Rasha Nasr ist der von der AfD gewählte Begriff der Messerkriminalität "bestens geeignet, den Menschen Angst zu machen". Genau darum gehe es der AfD, sagte die SPD-Abgeordnete. Sie suche sich ein Thema, das sich emotional aufladen lasse, und instrumentalisiere es, um Stimmung gegen Migranten zu machen. Gewalt - auch Gewalt mit Messern - sei jedoch ein vielschichtiges Problem. Wer darüber ernsthaft sprechen wolle, müsse aber auch die Teile sehen, die nicht in das eigene Weltbild passen. Die AfD betreibe jedoch geistige Brandstiftung.
Für Die Linke verwies Clara Bünger darauf, dass sich der im August 2023 eingereiste Täter von Bielefeld nach derzeitigem Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden erst in Deutschland radikalisiert habe. Benötigt würden also Investitionen in psycho-soziale Betreuung, schlussfolgerte sie. Es müsse über De-Radikalisierung und über Programme gegen islamistische Radikalisierung gesprochen werden. Gewalt sei nicht migrationsbedingt, sagte Bünger. “Sie ist männlich, sozial bedingt und oft Ausdruck von Ausgrenzung.”

Linke und Grüne kritisieren die geplante Verschärfung der Migrationspolitik, der AfD geht sie nicht weit genug. Innenminister Dobrindt verteidigt den neuen Kurs.

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