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Bau- und Mietenpolitik : Warten auf den Bau-Turbo

Die neue Bundesregierung will den Wohnungsbau auf Touren bringen und den Anstieg der Mieten begrenzen. Branchenverbände reagieren mit Lob und Kritik.

22.05.2025
True 2025-05-23T14:30:30.7200Z
4 Min

Jedes Jahr 400.000 neu errichtete Wohnungen, davon 100.000 Sozialwohnungen: Das war das Ziel, das die Ampelkoalition 2021 in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hatte und das in der Folge weit verfehlt wurde. Im vergangenen Jahr genehmigten die Behörden bundesweit den Bau von nur 215.900 Wohnungen, was dem niedrigsten Stand seit 2010 entspricht. 

Und noch immer halten sich die Bauherren zurück, während gleichzeitig vor allem in den Ballungsräumen die Mieten von Wohnungen, die in Inseraten angeboten werden, weiter steigen - in Berlin um zwölf Prozent innerhalb eines einzigen Jahres, wie der Immobiliendienstleister CBRE in einem soeben veröffentlichten Marktbericht errechnet hat.

Foto: picture alliance/SZ Photo/Robert Haas

Neubaugebiet in München: Mit dem Bau-Turbo will die schwarz-rote Koalition der Baubranche unter die Arme greifen.

Kein Wunder, dass Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) im Wohnungsbau ihre zentrale Aufgabe sieht. "Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit", sagte sie in ihrer ersten Rede im Bundestag und kündigte an, dafür zu sorgen, "dass die Bagger in diesem Land wieder rollen".

Bau- und Immobilienbranche hat schwere Zeiten hinter sich

Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn die Bau- und Immobilienbranche hat schwere Zeiten hinter sich. Der plötzliche Zinsanstieg im Jahr 2022 trieb die Kosten des Wohnungsbaus in die Höhe, weil Wohnungsbauprojekte zu einem großen Teil mit Fremdkapital finanziert werden. Verstärkt wurde der Kostenanstieg dadurch, dass die Preise von Baumaterialien sprunghaft zunahmen. Zudem klagen Vertreter der Bau- und Wohnungswirtschaft schon seit langem darüber, dass Genehmigungsverfahren viel zu lange dauerten und dass immer mehr Vorschriften das Bauen verteuerten - mit der Folge, dass es nicht mehr möglich sei, ohne massive öffentliche Förderung Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung zu errichten.

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Bei diesem letzten Punkt setzt die neue Bundesregierung an. "Baustandards werden vereinfacht und der Gebäudetyp E abgesichert", heißt es im Koalitionsvertrag. Gemeint ist mit dem Gebäudetyp E (für einfach oder experimentell) eine Bauweise, die zwar keine Abstriche an der Sicherheit macht, aber von allgemein anerkannten Regeln der Technik abweicht, sofern diese in erster Linie dem Komfort dienen. Bereits die Ampelkoalition brachte ein entsprechendes Unterfangen auf den Weg; allerdings ist bisher die rechtliche Frage unbeantwortet, wie es sich sicherstellen lässt, dass Wohnungsunternehmen nicht mit Klagen ihrer Kunden konfrontiert werden, wenn sie beispielsweise weniger Steckdosen als von den Baunormen vorgesehen einbauen.

Bauministerin Hubertz will den Bau-Turbo zünden

Auch die Fremdkapitalkosten hat die Bundesregierung im Blick. Hier kündigt der Koalitionsvertrag einen Investitionsfonds für den Wohnungsbau an. Die Finanzierungskosten sollen damit so weit gesenkt werden, dass "gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft in großer Zahl Wohnungen in angespannten Wohnungsmärkten" für eine Miete von weniger als 15 Euro pro Quadratmeter entstehen können.

Um das Problem der langen Genehmigungsverfahren zu entschärfen, will Ministerin Hubertz bereits in den ersten hundert Tagen den Bau-Turbo zünden. Gemeint ist damit ein neuer Paragraph im Baugesetzbuch: Dieser (bereits von der Vorgängerregierung geplante) Paragraph 246e soll es Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt erlauben, den Bau von günstigen Wohnungen auch ohne Bebauungsplan zu genehmigen.


„Der Koalitionsvertrag macht die ohnehin angespannte Lage noch schlimmer.“
Kai Warnecke (Haus & Grund)

Mit ihren Absichten stößt die Bundesregierung bei Branchenverbänden auf verhaltene Zustimmung. Von "vielen positiven Impulsen für Wohnungsneubau" spricht der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), in dem mittelständische Bauträger organisiert sind. Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen als Interessenvertreter vor allem der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungswirtschaft lobt den Koalitionsvertrag als "riesigen Schritt nach vorne". Und der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), der rund 37.000 Unternehmen der Immobilienwirtschaft vertritt, zeigt sich erfreut, dass es weiterhin ein eigenständiges Bauministerium gibt.

Einen anderen Schwerpunkt setzt naturgemäß der Deutsche Mieterbund. Er äußert sich erleichtert, dass die Mietpreisbremse, die in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt den Anstieg der Neuvertragsmieten begrenzt, um vier Jahre verlängert werden soll. Außerdem sieht der Koalitionsvertrag vor, dass Vermieter, die sich nicht an die Mietpreisbremse halten, in Zukunft ein Bußgeld zahlen müssen. "Wir begrüßen das Bekenntnis der neuen Bundesregierung zu mehr Mieterschutz im Koalitionsvertrag ausdrücklich", sagt Mieterbunds-Präsident Lukas Siebenkotten.

Indexmieten sollen stärker reguliert werden

Positiv ist aus Sicht der Mieterschützer auch, dass in angespannten Wohnungsmärkten Indexmieten einer erweiterten Regulierung unterworfen werden sollen. Bei Indexmieten erhöht sich die Miete automatisch entsprechend der Inflationsrate. Stärken will die Bundesregierung zudem das Vorkaufsrecht für Kommunen in Milieuschutzgebieten, das 2021 durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stark eingeschränkt worden ist.

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Genau diese Punkte stoßen bei den Verbänden der Vermieter auf Kritik. Eine Verlängerung der Mietpreisbremse schaffe keine einzige Wohnung und ersticke die nötige Investitionsbereitschaft im Keim, argumentiert ZIA-Präsidentin Iris Schöberl. Kai Warnecke, der Präsident von Haus & Grund, spricht von "alten Forderungen, die sich bereits als wirkungslos oder kontraproduktiv erwiesen haben". Warnecke, der die Interessen privater Vermieter vertritt, prognostiziert: "Der Koalitionsvertrag macht die ohnehin angespannte Lage noch schlimmer." Schon heute sei absehbar, dass "in vier Jahren das Thema bezahlbares Wohnen noch dringlicher sein wird als heute".

Angesichts der entgegengesetzten Positionen setzt das Bundesbauministerium auf eine Verständigung mit den unterschiedlichen Interessengruppen. Es bereitet die Einsetzung einer Expertengruppe vor, die Vorschläge für eine Harmonisierung mietrechtlicher Vorschriften machen soll. Eines wird sich die Bundesregierung dabei nicht vorwerfen lassen müssen: dass sie am selbst gesteckten Neubauziel gescheitert sei - im Unterschied zur Vorgängerregierung verzichtet sie nämlich darauf, im Koalitionsvertrag eine Zahl der angestrebten Neubauwohnungen zu nennen.