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Grund zum Feiern: Das wichtigste deutsche Börsenbarometer, der Dax, erreichte am 3. Dezember mit mehr als 20.000 Punkten ein neues Allzeithoch.

Aktuelle Stunde zur Wirtschaftslage : Trotz DAX-Rekord keine Feierlaune im Parlament

Minister Habeck will die Netzentgelte beim Strompreis senken, die Opposition kritisiert seine Subventionspolitik. Ein Chefökonom ordnet das Aktien-Kursfeuerwerk ein.

05.12.2024
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3 Min

Eine Aktuelle Stunde, keine Feierstunde stand zu Beginn der Sitzungswoche am Mittwochnachmittag auf der Tagesordnung des Bundestags zum Thema "Die aktuelle Lage der Wirtschaft". Warum auch eine Feierstunde? Dass der Deutsche Aktienindex (DAX) tags zuvor erstmals in seiner Geschichte die Marke von 20.000 Punkten überschritten hatte, veranlasste die Mitglieder des Bundestags jedenfalls nicht, die Sektkorken knallen zu lassen. Die Abgeordneten debattieren über Arbeitsplätze, Insolvenzen und zu hohe Strompreise.

Habeck fordert "vernunftbegabte Entscheidungen" bis zur Neuwahl im Februar

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), der die Aktuelle Stunde, aufgesetzt von SPD und Grünen, eröffnete, richtete eindringliche Worte an das Parlament. "Um uns herum wird die Weltlage immer dramatischer." Habeck warnte auch unter Verweis auf die politische Situation in Frankreich: "Zentraleuropa ist im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt."

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Zunächst kletterte der DAX nur kurzzeitig über der Marke von 20.000 Zählern. Doch im Wochenverlauf hielt er sich dann weitgehend darüber.

Der Minister rief die Abgeordneten auf, bis zur Neuwahl im Februar noch "vernunftbegabte Entscheidungen" zu treffen, etwa die Netzentgelte beim Strompreis zu dämpfen. Die erste Lesung eines entsprechenden Gesetzentwurfs von SPD und Grünen dazu stand am Freitag auf der Tagesordnung des Parlaments.

Klöckner: Nicht auf Subventionen für einige wenige setzen

Dagegen verwies Julia Klöckner (CDU) für die CDU/CSU-Fraktion darauf, dass derzeit in Deutschland "Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut" würden, es gebe eine "Höchstzahl an Insolvenzen". Klöckner forderte: "Wir brauchen Konzepte, die nicht auf Subventionen für einige wenige setzen." Stattdessen müssten beispielsweise die Unternehmenssteuern in der Breite sinken.

DAX und MDAX auf einen Blick

📈 Der Deutsche Aktienindex, kurz DAX, umfasst die 40 wertvollsten und liquidesten Unternehmen Deutschlands. Als liquideste Unternehmen gelten Werte mit einem hohen Handelsvolumen.

💼 Der MDAX spiegelt die 50 größten deutschen Unternehmen wider, die auf die 40 DAX-Firmen folgen.



Für den Bundesrat ergriff Alexander Schweitzer (SPD) das Wort, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Die strukturellen Probleme Deutschlands seien "weit vor dieser Regierungszeit entstanden", sagte er. Die frühere Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe in ihrem gerade erschienenen Buch ein wesentliches Kapitel vergessen: "Reformstau und warum ich ihn meinen Nachfolgern hinterlassen habe."

FDP warnt vor Schulden und sieht Frankreich als warnendes Beispiel

Lukas Köhler nutzte die Chance, um in seiner Rede die FDP-Sicht auf die Schuldenbremse zu verteidigen. Als Replik auf Minister Habecks Frankreich-Bezug sagte er: "Das große Problem Frankreichs sind die Schulden, die es gemacht hat." Die Handlungsfähigkeit des deutschen Staates sichere die Schuldenbremse. Damit die Wirtschaft wieder an Dynamik gewinne, forderte Köhler unter anderem ein "bürokratiefreies Jahr".

Leif-Erik-Holm (AfD) kritisierte die Subventionspolitik und nannte als Beispiel für ein "Desaster" die geförderte Batteriefirma Northvolt. Holm sagte: "Northvolt ist pleite und ein KfW-Kredit über 600 Millionen Euro höchstwahrscheinlich futsch." Holm fügte gerichtet an Habeck hinzu: "Ihre Rede war fernab der Realität."

Verena Hubertz griff für die SPD-Fraktion Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) an und riet ihm, in einen sozialdemokratischen Ruderverein einzutreten: "So oft und so kräftig, wie Friedrich Merz zurückrudert, nehmen ihn die Genossen vom Rudersportverein Vorwärts in Berlin-Pichelsdorf sicher gerne auf." Hubertz bezog sich dabei auf Merz` Aussagen zur Schuldenbremse und zur CDU-Atompolitik.


„Auf keinen Fall ist die Dax-Entwicklung ein Ausweis guter wirtschaftlicher Entwicklung am Standort Deutschland oder gar einer guten Wirtschaftspolitik.“
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank

Heidi Reichinnek (Gruppe Die Linke) warf der Regierung mangelnde Verlässlichkeit vor. Sie erinnerte an das Versprechen, 400.000 Wohnungen zu bauen, und fragte: "Wo sind die denn?" Für die Gruppe BSW stellte Christian Leye fest: "Die Wirtschaft ist nach drei Jahren Ampel in einem fürchterlichen Zustand."

Chefvolkswirt mahnt zu Blick auf Deutschland-orientierte Firmen

Der DAX zeigte sich von dieser Diagnose freilich unbeeindruckt. Das wichtigste deutsche Börsenbarometer hielt sich auch nach der Debatte im Bundestag oberhalb der 20.000er Marke.

"Auf keinen Fall ist die Dax-Entwicklung ein Ausweis guter wirtschaftlicher Entwicklung am Standort Deutschland oder gar einer guten Wirtschaftspolitik", sagt dazu Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Vor allem die international orientierten DAX-Unternehmen trieben derzeit den Index nach oben. “Bei den eher Deutschland-orientierten Unternehmen der zweiten Reihe sieht die Kurswelt ganz anders aus: Der MDax hat in diesem Jahr 20 Prozent verloren.”

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