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Bisher ist die fast 18 Kilometer lange Öresund-Brücke das Vorzeigebauwerk Skandinaviens: Seit 25 Jahren verbindet sie auf Schiene und Straße Dänemark und Schweden, fast 38 Millionen Reisende haben sie im Jahr 2024 überquert.

Vorreiter Dänemark : Das kleine Land im Norden macht große Pläne

Mit einem milliardenschweren Infrastrukturplan will Dänemark bis 2035 Stadt und Land neu verbinden. Ein historisches Projekt - wenn es denn so umgesetzt wird.

24.07.2025
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4 Min

Eine leistungsfähige Bahn, bessere Straßen, grüne Energie und weniger CO2 - mit einem der größten Infrastrukturprogramme seiner Geschichte will Dänemark bis 2035 den Anschluss an die Zukunft sichern. Über 160 Milliarden Kronen (rund 21,5 Milliarden Euro) investiert die Mitte-Links-Koalition von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen in ein umfassendes Modernisierungspaket, das nicht nur Bauwerke, sondern auch Vertrauen in staatliche Handlungsfähigkeit schaffen soll.

"Jeder soll, egal wo er lebt, gut zur Arbeit, zum Krankenhaus oder zu seiner Familie gelangen können", sagte Finanzminister Nicolai Wammen bei der Präsentation. Die Maßnahmen sollen "Stadt und Land neu verbinden".

Transportminister spricht von einer “echten Bahn-Dekade”

Im Zentrum des Plans steht die Schiene. 86 Milliarden Kronen sollen allein in den Ausbau des Bahnnetzes fließen - etwa in eine neue Metrolinie in Kopenhagen und eine Öresund-Metro, die Kopenhagen mit dem schwedischen Malmö verbinden soll. Auch neue Schnellstrecken gehören dazu. "Mit massiven Investitionen treten wir in eine echte Bahn-Dekade ein", sagte Transportminister Benny Engelbrecht. Dänemark habe als Bindeglied zwischen Nordeuropa und Kontinentaleuropa eine "besondere Verantwortung".

Ein Beispiel: Ab 2028 soll auf der Insel Fünen die sogenannte Vestfyn-Strecke zwischen Odense und Middelfart gebaut werden - kürzere Fahrzeiten und klimafreundlicher Personenverkehr inklusive.

Mobilität wird in Dänemark als Voraussetzung für Teilhabe angesehen

Obwohl der Fokus auf dem Schienenausbau liegt, spielt der Straßenbau weiterhin eine wichtige Rolle. Geplant sind acht Tunnelprojekte, darunter der Marselis Boulevard-Tunnel in Aarhus. Umweltorganisationen kritisieren die CO2-Belastung und sprechen von einem Widerspruch zu den nationalen Klimazielen. Die Regierung verweist dagegen auf ergänzende Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, Radwege und Ladeinfrastruktur für E-Autos - besonders in ländlichen Regionen. "Dänemark ist zu klein für große Unterschiede", sagt Innenminister Kaare Dybvad Bek. “Egal ob Stadt oder Land - Mobilität ist Voraussetzung für Teilhabe.”


„Europa braucht grünen Strom, und wir schaffen die Bedingungen dafür.“
Dänemarks Klima- und Energieminister Lars Aagaard

Finanzminister Wammen betont, dass der Plan vollständig finanziert sei - durch Haushaltsüberschüsse, Rücklagen, Investitionsrahmen und Fonds wie den "Grön Fond", der grüne Bauprojekte unterstützt. Anders als in Deutschland gibt es in Dänemark keine Schuldenbremse, was langfristige Planungen erleichtert. Allerdings birgt das Konzept Risiken: Viele Rücklagen sind zweckgebunden oder knapp kalkuliert. Einzelne Vorhaben wurden vorgezogen, um die politische Einigkeit zu sichern. Außerdem basiert die Finanzplanung auf stabilen Wirtschaftsprognosen - ein Unsicherheitsfaktor bei steigenden Baukosten und der gegenwärtigen geopolitischen Lage.

Auch die Energieinfrastruktur in Dänemark soll ausgebaut werden

"Wir haben diese Mittel langfristig gesichert - nicht auf Pump, sondern als Ergebnis verantwortungsvoller Haushaltspolitik", beteuert Wammen. Auch die bahnspezifischen Mittel seien "zu hundert Prozent gedeckt".

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Neben dem Verkehr rückt auch die Energieinfrastruktur in den Fokus. Der im Bau befindliche Fehmarnbelt-Tunnel - Fertigstellung voraussichtlich 2029 - soll Personen- und Stromverbindungen nach Deutschland verbessern. Parallel plant die Regierung große Offshore-Windparks und ein nationales Wasserstoffnetz. "Wir müssen schnell handeln", mahnte Klima- und Energieminister Lars Aagaard. "Europa braucht grünen Strom, und wir schaffen die Bedingungen dafür."

Der dänische Infrastrukturplan wurde mit breitem politischem Konsens, klarem Zeitrahmen und einem Finanzierungskonzept auf den Weg gebracht. Die Umsetzung erfolgt weitgehend unbürokratisch und ohne jahrelange Debatten.

Breite Kritik von Anwohnern, Nichtregierungsorganisationen und Kommunen 

Aber: Tempo ist kein Selbstzweck. Die politische Einigkeit, auf die sich der Plan stützt, könnte sich bei Kostensteigerungen oder lokalen Protesten schnell verflüchtigen. Schon heute gibt es massiven Widerstand gegen einzelne Projekte - von Anwohnern, Nichtregierungsorganisationen und Kommunen. Beispiel: Lynetteholm, die künstliche Insel vor Kopenhagen, die Wohnraum schaffen, aber auch die Stadt vor möglichen Überflutungen schützen soll. Von Teilen der Bevölkerung wird sie als "grünes Täuschungsmanöver" bezeichnet. Auch andere Projekte stehen in der Kritik.

Während Dänemark neue Bahnverbindungen ausbaut, wurden in Deutschland vielerorts Strecken stillgelegt oder ihr Erhalt vernachlässigt. Genehmigungen dauern hier oft Jahre, politische Mehrheiten wechseln, die Finanzierung bleibt unsicher. Außerdem setzen deutsche Ausschreibungen häufig auf den niedrigsten Preis. In Dänemark sollen Klimakriterien zunehmend mitgewertet werden - verbindlich allerdings erst ab 2026.

Dänischer Klimarat kritisiert CO2-Bilanz einiger Großprojekte

Allerdings ist auch der dänische Plan ökologisch nicht frei von Widersprüchen. Laut einer Analyse des dänischen Klimarates von 2023 schneiden viele Großprojekte in ihrer CO2-Bilanz schlechter ab als angenommen. Teilweise seien sie sogar "schöngerechnet" worden.

Zwar sollen künftig Klimawirkung, Preis und Qualität gleichrangig bewertet werden, doch ist fraglich, ob das genügt - und ob es nicht schon zu spät für manche Korrekturen ist.

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Zugleich wächst der Druck, dass Verbesserungen schneller spürbar werden - vor allem im ländlichen Raum. Der Plan steht also auch für ein Versprechen: dass Infrastrukturpolitik nicht länger Symbolpolitik bleibt.

Für das kleine Dänemark mit seinen knapp sechs Millionen Einwohnern ist der Infrastrukturplan 2035 ein historisches Projekt - nicht nur wegen seines Umfangs, sondern auch wegen seines Anspruchs: Stadt und Land zu verbinden und Mobilität nachhaltiger zu gestalten. Im europäischen Vergleich wirkt Dänemark damit wie ein Vorreiter. Zumindest, wenn alles wie geplant umgesetzt wird. 

Der Autor ist Nordeuropa-Korrespondent des Handelsblattes.