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Foto: picture alliance / dts-Agentur
Gilt als Hardlinerin in der Migrationspolitik: Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ist in den kommenden sechs Monaten EU-Ratspräsidentin.

EU-Ratspräsidentschaft : Dänemark übernimmt in Zeiten geopolitischer Spannung

Ab dem 1. Juli übernimmt Dänemark die EU-Ratspräsidentschaft. Schwerpunkte will Deutschlands Nachbar bei Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Migration setzen.

01.07.2025
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4 Min

Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen weiß, dass ihr Land die EU-Ratspräsidentschaft in schwierigen Zeiten übernimmt. „Die Weltordnung, die uns Freiheit und Wohlstand gesichert hat, kann nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden“, sagt sie. Sicherheit, Migration und Wettbewerbsfähigkeit sollen von 1. Juli bis zum Jahresende im Mittelpunkt stehen. 

Gleichzeitig hofft Frederiksen, dass in dieser Zeit ein Thema überhaupt nicht auf die Tagesordnung kommt: Grönland. In Kopenhagen und den anderen EU-Hauptstädten wünschen sich Spitzenpolitiker, dass US-Präsident Donald Trump Abstand nimmt von seiner lautstarken Ankündigung, die USA würden sich das dänische Territorium einverleiben.

Polnische Ratspräsidentschaft konnte 18. Sanktionspaket gegen Russland nicht abschließen

Frederiksen wird davon profitieren, dass im größten Mitgliedsstaat Deutschland endlich wieder eine Regierung im Amt ist. Die polnische EU-Ratspräsidentschaft in der ersten Jahreshälfte 2025 litt darunter, dass im Februar Bundestagswahlen stattfanden und Friedrich Merz erst Anfang Mai als Bundeskanzler antrat. Nun, da das Berliner Machtvakuum beendet ist, kann die dänische Regierungschefin auf mehr Dynamik hoffen. „Ein starkes Europa in einer Welt im Wandel“ lautet das Motto der dänischen Ratspräsidentschaft. Europa müsse zusammenstehen, fordert Frederiksen.


„Ein starkes Europa in einer Welt im Wandel“
Motto der dänischen Ratspräsidentschaft 2025

In der Praxis wird das allerdings nicht so leicht umzusetzen sein. Die polnische Ratspräsidentschaft etwa konnte das 18. Sanktionspaket gegen Russland auf dem jüngsten EU-Gipfel nicht abschließen, weil die Slowakei ihr Veto einlegte, um eigene Interessen durchzudrücken. Dänemark wird gleich zu Anfang der Ratspräsidentschaft den politischen Widerstand aus der Slowakei beenden müssen.

Beim Thema Rüstung droht ebenfalls Streit. Die EU-Mitgliedsstaaten werden die jüngst in der Nato beschlossene Aufrüstung weitgehend selbst finanzieren müssen. Dänemark dürfte die Verhandlungen über das 1,5 Milliarden Euro schwere Programm für die Europäische Verteidigungsindustrie (EDIP) bis zum Jahresende abschließen. 

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Bei einem zweiten Programm namens SAFE gibt es Protest aus dem Europäischen Parlament, weil es nicht einbezogen war. Grundsätzlich sind laute Diskussionen zu erwarten, ob die EU-Finanzplanung für die Jahre 2028 bis 2034 mehr Mittel für Verteidigung vorsehen soll. Die EU-Kommission wird Mitte Juli ihren Vorschlag für die mittelfristige Finanzplanung vorlegen. Die dänische Ratspräsidentschaft wird dazu Verhandlungsgruppen aufsetzen. Eine Einigung wird jedoch erst viel später, nämlich im Jahr 2027 erwartet.

Migrations-Hardlinerin Frederiksen findet zunehmend Unterstützer

Frederiksen betont, dass für sie das Thema Migration eng mit Sicherheit verbunden ist. Die Sozialdemokratin ist bisher als Hardliner aufgetreten und bezeichnet Zuwanderung als „große Herausforderung für das soziale Gleichgewicht unserer Gesellschaften“. Sie spricht von „neuen Lösungen“, die gefunden werden müssen, ohne diese zu konkretisieren. Dänemark hat einen Deal mit Kosovo abgeschlossen, damit ausländische Gefängnisinsassen ihre Strafe dort verbüßen, ehe sie abgeschoben werden. 

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Es gilt als unwahrscheinlich, dass die dänische Ratspräsidentschaft rechtzeitig zum Jahresende eine Einigung beim Gemeinsamen System für Rückführungen erreicht. Mit ihrem harten Kurs kann Frederiksen freilich bei Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf Sympathie hoffen. Dänemark hatte mit Italien und den Niederlanden eine Gruppe gegründet, die in der EU für einen härteren Kurs bei der Migration plädiert und mehr und mehr Zuspruch unter den Mitgliedsländern findet.

Dänemark möchte zudem den Kurs der Entbürokratisierung fortsetzen, der unter der polnischen EU-Ratspräsidentschaft begonnen hat. Unter den Mitgliedsstaaten gibt es mittlerweile Unterstützung für die Idee, Teile der Regulierung des Green Deals zu vereinfachen, um Europas Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Aus dem Europäischen Parlament dürfte allerdings Widerstand kommen.

Schwierige Verhandlungen über EU-Klimaziele stehen an

Schwierige Verhandlungen sind bei den EU-Klimazielen für 2035 und 2040 zu erwarten. Voraussichtlich am 2. Juli wird die EU-Kommission ihr Ziel für 2040 vorstellen, das CO2-Einsparungen von 90 Prozent vorsieht verglichen mit 1990. Allerdings wird das Ziel wohl nicht so hart ausfallen, wie es klingt, zahlreiche Mitgliedsstaaten hoffen auf Erleichterungen, etwa internationale CO2-Gutschriften. Dies würde Mitgliedsstaaten mehr Flexibilität geben, gleichzeitig würden Anstrengungen damit in Drittstaaten verlagert. Bis September müsste die EU ein Klimaziel für 2035 definieren, weil dies die Vereinten Nationen verlangen.

Zollstreit mit den USA

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Ein Thema, mit dem sich die Dänen sehr schnell befassen müssen, sind die US-Zölle, mit denen US-Präsident Trump ab 9. Juli gedroht hat. Die Verhandlungen mit den USA führt die EU-Kommission. Die Ratspräsidentschaft muss dafür sorgen, dass sich die EU-Mitgliedsstaaten auf einen einheitlichen Kurs einigen. Die Interessen der Mitgliedsstaaten divergieren, Deutschland gehört zu den großen Exportnationen. Kanzler Merz hat die Vorgehensweise der EU-Kommission jüngst offen kritisiert und fordert eine schnelle Einigung. 

Da sich Trump in seiner zweiten Amtszeit als genauso unberechenbar gezeigt hat wie in seiner ersten, ist nicht abzusehen, ob es schnell zu einem Handelsdeal kommen wird. Die polnische Ratspräsidentschaft hat überdies gezeigt, dass sich schnell neue Themen auf die Tagesordnung drängen, etwa die zugespitzte Lage im Nahen Osten

Die Autorin ist freie EU-Korrespondentin.

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