EU-Gipfel im Schatten des Nahostkonflikts : Europäer suchen nach einer gemeinsamen Sprache
Im Konflikt zwischen Israel und dem Iran steht die EU bisher am Rand, im Umgang mit Israel sind die Partner uneins. Was bedeutet das für den EU-Gipfel am Donnerstag?
Die Lage im Nahen Osten steht schon länger auf der offiziellen Tagesordnung des EU-Gipfels an diesem Donnerstag. Doch während die Europäer auf Diplomatie setzen, hat US-Präsident Donald Trump mit dem Angriff der USA auf die Atomanlagen im Iran den Europäern gezeigt, dass er - wie auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu - lieber auf militärische Macht zurückgreift.
Bis auf weiteres kommt den Europäern im Konflikt eine Zuschauerrolle zu. „Niemand weiß, was als nächstes passiert“, sagt EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas und bringt damit auf den Punkt, dass die EU nicht involviert ist in die Absprachen zwischen den USA und Israel. Die USA hatten offenbar nur die Atommacht Frankreich sowie Großbritannien, das nicht mehr EU-Mitglied ist, vorab von ihren Schlägen im Iran informiert.
Die EU hat kaum Einfluss auf die Staaten im Nahen Osten
Diplomaten werden sich nun bis Donnerstag darum mühen, eine einheitliche Sprachregelung zum Nahen Osten zu finden, die beim Europäischen Rat verabschiedet werden kann. In den bisher zirkulierenden Fassungen der Gipfel-Schlussfolgerungen klafft zu dem Thema eine Leerstelle.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und die EU-Außenbeauftragte Kallas hatten in ihren ersten Reaktionen auf die US-Bombardierung übereinstimmend gefordert, dass der Iran nie in den Besitz einer Atombombe kommen dürfe. In den Worten von EU-Ratspräsident António Costa klang dagegen Kritik an den USA durch. „Ich rufe alle Seiten auf, Zurückhaltung zu zeigen und internationales Recht zu respektieren“, schrieb er auf X. Costa kündigte an, die EU werde weiterhin den Kontakt zu allen Seiten suchen für eine friedliche Lösung am Verhandlungstisch.

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas (Mitte) setzt sich für eine diplomatische Lösung des Konflikts zwischen Israel und Iran ein.
Die Europäer werden sich beim Gipfel jedoch eingestehen müssen, dass sie im Nahen Osten nicht wirklich Einfluss nehmen können. Am vergangenen Freitag noch hatten die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens in einem Gespräch mit dem iranischen Außenminister in Genf erfolglos versucht, die Lage zu entschärfen.
Bei Themen wie Waffenlieferungen an Israel gehen die Meinungen weit auseinander
Die geringe Macht der EU im Nahen Osten ist freilich nicht neu. Bereits 2023 konstatierte der damalige luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, die EU sei dort „Payer“, aber nicht „Player“, zahle also, entfalte dort aber wenig Wirkung. Als Grund nannte er die tiefe Spaltung der EU, die sich seither eher verstärkt hat. Die unterschiedlichen Haltungen lassen sich schon an der Spitze der EU beobachten.
Von der Leyen steht als Deutsche Israel traditionell nahe, der Portugiese Costa sieht wie viele Südeuropäer Israels Umgang mit den Palästinensern kritisch. 15 von 27 EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, erkennen Palästina nicht als Staat an. Auch Waffenlieferungen an Israel werden in den EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich gewertet. Spanien hatte im Mai einen Lieferstopp gefordert mit Hinweis auf die Lage in Gaza. Deutschland ist nach den USA und vor Italien dagegen der zweitwichtigste Waffenlieferant Israels.
Vor dem israelischen Präventivschlag gegen den Iran am 13. Juni hatte Schweden wegen Gaza Sanktionen gegen extreme Kabinettsmitglieder in Israel gefordert, wie sie auch westliche Länder wie Großbritannien, Kanada und Australien verhängt haben. Ein solcher Schritt benötigt jedoch die einstimmige Zustimmung der EU-Minister und war von Anfang an unwahrscheinlich, da ein Land wie das traditionell israelfreundliche Ungarn kaum zustimmen wird. Die bisher zirkulierenden Entwürfe der Gipfelerklärung sehen allerdings vor, dass die EU Israels Vorgehen in Gaza scharf kritisiert und konkret die „katastrophale Lage, die inakzeptable Zahl ziviler Opfer und das Niveau der Hungersnot“ benennt.
Streit über Zukunft des Assoziierungsabkommens mit Israel
Vor der Eskalation im Nahen Osten hatten mehrere Länder außerdem das EU-Assoziierungsabkommen mit Israel in Frage gestellt, das dem Land Handelserleichterungen mit seinem wichtigsten Handelspartner EU zusichert. Die EU-Kommission hat mittlerweile untersucht, ob Israel mit seiner Blockade von Hilfsleistungen nach Gaza gegen Menschenrechte verstößt.
Am heutigen Montag befassen sich die EU-Außenminister mit einem achtseitigen Bericht der Außenbeauftragten Kallas. Konkrete Beschlüsse werden nicht erwartet. Es ist unwahrscheinlich, dass die EU das Abkommen aussetzt, heißt es in Brüssel. Die Untersuchung war allerdings ungewöhnlich, weil die Niederlande, traditionell ein Unterstützer Israels, sie angestoßen hatten und sie im März von einer Mehrheit der EU-Länder beschlossen wurde.
In Brüssel und den Mitgliedstaaten störten sich auch manche an der Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Israel erledige die "Drecksarbeit", indem es den Iran angreife und verhindere, dass es in den Besitz von Atomwaffen gelange. Die Wortwahl wurde als wenig hilfreich empfunden.
Präsident Selenskij ist ebenfalls zum EU-Gipfel eingeladen
Die angespannte Lage im Nahen Osten überdeckt, dass Russland weiterhin direkt in der Nachbarschaft der EU Krieg gegen die Ukraine führt. Der ukrainische Präsident Wolodymir Selenskij ist zum EU-Gipfel eingeladen, hat aber bisher nicht bestätigt, ob er persönlich nach Brüssel kommen wird oder sich per Video zuschaltet. Die EU-Mitgliedstaaten wollen Selenskij laut Abschlusskommuniqué ihre Unterstützung zusagen.
Weitere Themen in Brüssel sind am Tag nach dem Nato-Gipfel in Den Haag Europas Abwehrbereitschaft und Wettbewerbsfähigkeit. Ratspräsident Costa möchte den Gipfel auf einen Tag beschränken. Noch ist nicht sicher, ob dies gelingen wird.
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