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Haushalt der Europäischen Union : Bald rücken die Landwirte mit ihren Traktoren an

In der EU beginnen die Verhandlungen über die langfristige Finanzplanung ab 2028. Die Gespräche dürften die komplexesten in der Geschichte der Union werden.

27.11.2025
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4 Min

Am 18. Dezember droht vor dem Europäischen Parlament (EP) in Brüssel viel Lärm. 5.000 Landwirte aus ganz Europa wollen mit mindestens tausend Traktoren anrücken und ihren Unmut kund tun. Ihr Ärger gilt den geplanten Kürzungen im Agrarsektor im Mittelfristigen Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2028 bis 2034. Am selben Tag kommen die EU-Staats- und Regierungschefs in der Nähe zum EU-Gipfel zusammen.

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Die Wut der Landwirte ist groß, denn die EU will ihren Haushalt neu organisieren. Im Juli hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) einen relativ radikalen Vorschlag zum MFR vorgelegt, der die EU zukunftstüchtig machen soll - und deutlich weniger für Regionalpolitik und Landwirtschaft ausgeben will; beide machen zusammen mehr als die Hälfte des EU-Haushalts aus. Stattdessen soll mehr Geld in Bereiche wie Migration und Verteidigung fließen. Die Mittel sollen erstmals über nationale Pläne vergeben werden, Überweisungen aus Brüssel von Reformen der Mitgliedstaaten abhängen. Von der Leyen will auch die Struktur des EU-Haushalts radikal vereinfachen. Rubriken sollen zusammengefasst und ihre Zahl von sieben auf vier reduziert werden. Statt 52 soll es nur noch 16 Programme geben.

Kommissionspläne stoßen auf Widerstand bei den Abgeordneten

Obwohl Ökonomen seit Jahren dafür plädieren, Mittel in Politikfelder zu investieren, in denen die EU einen Mehrwert liefern kann, sind die politischen Beharrungskräfte groß. Im EP lösten die Pläne so viel Widerstand aus, dass Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grüne und Liberale drohten, sie ganz abzulehnen. Doch der große Showdown blieb aus, nachdem von der Leyen erste Konzessionen angeboten hat.


„Ein Haushalt kann nur effektiv sein, wenn er rechtzeitig angenommen wird.“
Siegfried Muresan, Unterhändler der Christdemokraten aus Rumänien

Nun sortieren sich Mitgliedstaaten und Parlament für Verhandlungen, die wohl die komplexesten in der Geschichte der EU werden. Die Haushaltskassen der Mitgliedsstaaten sind leer. Zugleich herrscht Druck, in Bereichen wie Verteidigung mehr Geld gemeinsam auszugeben.

Traditionell laufen Haushaltsverhandlungen in der EU nach einem festen Muster ab: Die Europa-Abgeordneten fordern mehr Geld, als die EU-Kommission vorgeschlagen hat, die Mitgliedstaaten weniger.

Warnungen vor Verzögerungen werden laut

Der Rumäne Siegfried Muresan, Unterhändler der Christdemokraten beim MFR, warnt schon jetzt vor Verzögerungen: "Ein Haushalt kann nur effektiv sein, wenn er rechtzeitig angenommen wird." Er erinnert daran, dass der aktuelle MFR wegen der Pandemie und Verzögerungen von den Mitgliedstaaten so spät verabschiedet wurde, dass Programme sich verzögerten. “Wir wollen nicht, dass sich das wiederholt.”

Was die Pläne der Kommission vorsehen

📆 Der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) legt die Höchstbeträge für die Ausgaben der EU für den Zeitraum von sieben Jahren fest und stellt die Finanzierung für die Programme und Initiativen der EU sicher.

🤚 Die EU-Mitgliedstaaten müssen einstimmig über den MFR entscheiden. Das können sie aber erst tun, wenn das Europäische Parlament zugestimmt hat.

💶 Für die kommende Finanzperiode von 2028 bis 2034 hat die Europäische Kommission Ausgaben in Höhe von 1,8 Billionen Euro vorgeschlagen. In der aktuellen Siebenjahresperiode (2021 bis 2027) umfasst der MFR 1,2 Billionen Euro.

📦 Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) will im neuen MRF Rubriken bündeln und von sieben auf vier reduzieren. Im Zentrum steht der mit 865 Milliarden Euro größte Topf, in dem unter anderem die bisher größten Posten Landwirtschaft und Regionalpolitik zusammengefasst werden sollen. Eine zweitgrößte Rubrik zur „Europäischen Wettbewerbsfähigkeit“ soll 410 Milliarden Euro schwer werden und Gelder von Brüssel aus in Schlüsselbranchen leiten. 



Nachdem die technischen Vorarbeiten im EP schon begonnen haben, peilt Muresan an, die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten Ende 2028 abzuschließen. "Das würde Ländern, Regionen und Kommunen ein Jahr lassen, sich auf die Umsetzung vorzubereiten." Viele in Brüssel würden die Verhandlungen auch gerne aus dem französischen Präsidentschaftswahlkampf heraushalten. Die Wahl wird im Frühjahr 2027 stattfinden.

Stärkeres Mitspracherecht für EU-Parlament gefordert

Aktuell verteilen die Europa-Abgeordneten die Zuständigkeiten. Eine Schlüsselrolle wird der CDU-Europa-Abgeordnete Christian Euler spielen. Er will sich gemeinsam mit dem rumänischen Sozialdemokraten Dan Nica um den neu geschaffenen Wettbewerbsfähigkeitsfonds kümmern, für den die EU-Kommission 234 Milliarden Euro vorgesehen hat. Außerdem soll Ehler die Forschungszuschüsse bearbeiten, für die bisher 175 Milliarden Euro eingeplant sind.

Der Volt-Europa-Abgeordnete Damian Boeselager fordert ein stärkeres Mitspracherecht für das EP und mehr Transparenz. Wenn die Kommission künftig nationale Pläne mit den Mitgliedstaaten vereinbaren will, dann sollten die Abgeordneten darüber als Gesamtes abstimmen können. "Wir brauchen Öffentlichkeit", sagt Boeselager, der auch den Corona-Fonds RFF mitverhandelt hat. Dabei hatte sich gezeigt, dass Mitgliedstaaten Projekte teilweise umetikettiert hatten. Mehr Öffentlichkeit sei daher "auch im Interesse der EU-Kommission, die sich dann nicht alleine gegen die Mitgliedstaaten stellen müsste".

Diese wollen ihre gemeinsamen Prioritäten bis zum Jahresende festlegen. Dass Frankreich mittlerweile zum Nettozahler geworden ist, dürfte die französische Verhandlungsposition beim MFR verändern. Bisher war Frankreich Nettoempfänger und hat sich in früheren Jahren stets für Landwirte stark gemacht.

Die Autorin ist freie Korrespondentin in Brüssel.

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