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Billionenbudget-Vorschlag sorgt für Kritik : Von der Leyen plant radikalen Umbau des EU-Haushalts

Die EU-Kommissionschefin will das EU-Budget „größer, smarter und zielgenauer" machen. Aus vielen Ecken kommt Protest - auch aus dem Europäischen Parlament.

18.07.2025
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4 Min

Das Zahlenwerk, das EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) am vergangenen Mittwoch vorgestellt hat, ist der bisher ambitionierteste Versuch, den EU-Haushalt zu reformieren. Von der Leyen will mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2028 bis 2034 erreichen, dass der EU mehr Mittel zur Verfügung stehen und diese flexibler eingesetzt werden können – etwa um auf Krisen zu reagieren. Als „Haushalt für die Realitäten von heute und Herausforderungen von morgen“ bezeichnete von der Leyen den neuen MFR. Das EU-Budget solle „größer, smarter und zielgenauer“ werden.

Abgeordnete stellen sich auf langwierige Verhandlungen ein

Aus Mitgliedstaaten, Regionen, dem Europäischen Parlament und von Landwirten kam postwendend Widerstand. Viele wollen, dass die EU sich um mehr Herausforderungen kümmert – aber letztendlich will niemand dafür bezahlen.

Foto: European Union 2025 / EP

Der zuständige Haushaltskommissar Piotr Serafin kam mit vier Stunden Verspätung ins Europäische Parlament - und blieb dann viele Antworten schuldig.

„Wenn die EU immer mehr Aufgaben übernehmen soll, muss sie dafür auch die nötige Ausstattung bekommen“, argumentiert der Europa-Abgeordnete René Repassi (SPD). Die vorgestellten Pläne dürften in den Verhandlungen noch deutlich verändert werden. „Wir stellen uns auf harte und langwierige Verhandlungen ein“, betont Monika Hohlmeier (CSU), stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Das Europäische Parlament muss den Plänen mehrheitlich zustimmen, ehe die Mitgliedstaaten das Zahlenwerk einstimmig verabschieden. 

Vorgelegte Zahlen stoßen auf Befremden

Alleine eine Zahl, die von der Leyen in den Raum stellt, befremdet viele. Rund zwei Billionen Euro soll der nächste MFR umfassen, in der laufenden siebenjährigen Finanzplanung beträgt das Volumen 1,2 Billionen Euro. Allerdings sind die Größenordnungen nicht direkt vergleichbar, weil die neuen Zahlen in laufenden Preisen kalkuliert sind und der aktuelle Haushalt in Preisen von 2020. Ein klareres Bild ergibt sich durch das Verhältnis zur europäischen Wirtschaftsleistung. Der MRF soll künftig 1,26 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung entsprechen, verglichen mit rund 1,1 Prozent aktuell.


„Wir müssen bei den Finanzen im Verhältnis bleiben.“
Finanzminister Lars Klingbeil (SPD)

In Brüssel herrschte am Mittwoch Verwirrung um Zahlen, auch weil innerhalb der EU-Kommission bis weit nach Mitternacht um Beträge gefeilscht worden war. Der zuständige Kommissar, der Pole Piotr Serafin, erschien mit vier Stunden Verspätung im Europäischen Parlament und blieb viele Informationen schuldig. Unter den Abgeordneten sorgte dies für Unmut. Noch mehr Ärger löst im Europäischen Parlament allerdings aus, dass von der Leyen Macht an sich ziehen will. Repassi spricht von einer „Verschiebung in Richtung Exekutive“. Mit dem Umbau der Programme entzieht sie den Europa-Abgeordneten Einflussmöglichkeiten.

Im neuen Budget wird eine Vielzahl von Fonds gebündelt. Im Zentrum steht der mit 865 Milliarden Euro größte Topf mit dem Namen „Nationale und regionale Partnerschaften“. Darin sind unter anderem die bisher größten Posten Landwirtschaft und Regionalpolitik zusammengefasst. Mit dem zweiten Topf zur „Europäischen Wettbewerbsfähigkeit“, 410 Milliarden Euro schwer, will die EU-Kommission Industriepolitik betreiben und Gelder von Brüssel aus in Schlüsselbranchen leiten. Der drittgrößte Posten ist „Globales Europa“ für die EU-Außenpolitik.

Europa-Abgeordnete fühlen sich von Brüssel umgangen

Vor allem der größte Sammelfonds sorgt für Aufregung unter den Abgeordneten, weil daraus künftig die EU-Mitgliedstaaten Geld beantragen können. Im Gegenzug müssen sie aber Reformen versprechen und konkrete Ziele für bestimmte Politikfelder festlegen. Vorbild ist der Corona-Fonds, bei dem die Mitgliedstaaten nationale Reformpläne ausarbeiten. Die Europa-Abgeordneten kritisieren die Idee, weil sie damit umgangen werden. Künftig verhandeln EU-Hauptstädte mit Brüssel. „Die in den Europäischen Verträgen festgelegte budgetäre Hoheit über die Vergabe, Programmierung und Kontrolle der Europäischen Haushaltsmittel wird in Teilen ausgehebelt“, kritisiert Hohlmeier.

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Aus vielen EU-Hauptstädten kam ebenfalls Kritik an von der Leyens Vorschlag. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) betonte: „Wir müssen bei den Finanzen im Verhältnis bleiben.“ Das sehe er nicht als gewahrt an. Der niederländische Finanzminister Eelco Heinen äußerte sich ganz ähnlich. 

Die direkten Beiträge der Mitgliedstaaten sollen nach von der Leyens Plänen nicht steigen, wohl aber die sogenannten Eigenmittel. Brüssel will Zigaretten stärker besteuern, wovon ein Teil in den EU-Haushalt fließen soll. Auch eine Abgabe auf Elektroschrott soll Geld in die Kassen bringen. Besonders umstritten: Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Jahresumsatz sollen erstmals direkt einen Beitrag zum EU-Haushalt leisten. Solche Steuern seien nur der Anfang, befürchtet der hessische Europa-Minister Manfred Pentz (CDU): „Ich bin mir aber sicher, der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt.“ Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass sich von der Leyen mit ihren Plänen zu den Eigenmitteln durchsetzt.

Kritiker fürchten Vorstufe zu gemeinsamen Schulden

Brisant und bisher wenig diskutiert ist der Krisenmechanismus, mit dem die Kommission schnell auf unerwartete Ereignisse reagieren will. Damit sollen 400 Milliarden Euro zusätzlich zum Haushalt bereitgestellt werden. Die EU würde dafür Kredite aufnehmen und an die Mitgliedstaaten weiterleiten, die das Geld wieder zurückzahlen müssten. Kritiker befürchten, dass es sich dabei um eine weitere Vorstufe zu gemeinsamen Schulden handelt, auch wenn der Vorstoß offiziell unter die Überschrift Flexibilisierung fällt. 

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