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Im Juli 2025 wurden südlich der griechischen Insel Kreta über 500 Migranten aus Libyen gerettet. Im Hafen von Lavrio auf dem griechischen Festland warteten sie auf das weitere Prozedere.

Migrationspolitik der Europäischen Union : Asylpolitik bleibt das Aufreger-Thema im Bundestag

Die EU will Migration durch ein gemeinsames europäisches Asylsystem ordnen. Bei der Umsetzung der "GEAS-Reform" sind Bundesregierung und Opposition weit auseinander.

10.10.2025
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3 Min

Gleich viermal hat die Migrationspolitik in dieser Woche den Bundestag beschäftigt: Am Montag befasste sich der Innenausschuss in einer Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung “zur Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten”, am Mittwoch verabschiedete das Parlament einen weiteren Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts, mit der die von der "Ampel"-Koalition geschaffene Einbürgerungsmöglichkeit nach dreijährigem Aufenthalt in Deutschland wieder abgeschafft wird. 

Zugleich lehnten die Abgeordneten einen Antrag der Linken ab, Einbürgerungen unabhängig vom Einkommen zu ermöglichen. Und am Donnerstag standen vor einer ersten Debatte über einen AfD-Antrag zur “Migrationswende hinsichtlich Syriens” erstmals zwei Regierungsentwürfe zur Umsetzung der Reform des "Gemeinsamen Europäischen Asylsystems" (GEAS) auf der Tagesordnung des Plenums.

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Asylsuchende im Juli dieses Jahres in einer temporären Unterkunft auf Kreta: Die EU will mit der Reform ihres Asylsystems Migration ordnen, steuern und begrenzen.

Deren Zustandekommen auf EU-Ebene im Frühjahr 2024 wurde insbesondere von Sozialdemokraten als Erfolg der damaligen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gewertet. Unter anderem sollen danach alle an den EU-Außengrenzen ankommenden Flüchtlinge registriert und in bestimmten Fällen Anträge auf internationalen Schutz verpflichtend bereits an den Außengrenzen - in Deutschland See- und Flughäfen - geprüft werden, etwa wenn die Betroffenen aus Herkunftsstaaten stammen, "bei denen in Bezug auf deren Asylantrag eine durchschnittliche EU-weite Schutzquote von 20 Prozent oder weniger vorliegt".

Ein Solidaritätsmechanismus soll Staaten mit hoher Flüchtlingszahl entlasten 

Davon ausgenommen sind in der Regel unbegleitete Minderjährige; Minderjährige mit Familienangehörigen sollen nicht vorrangig vom sogenannten Asylgrenzverfahren erfasst werden. Um Staaten mit einer hohen Zahl an Schutzsuchenden zu entlasten, wird ein verpflichtender "Solidaritätsmechanismus" eingeführt, bei dem andere Länder entweder Personen übernehmen oder beispielsweise finanzielle Unterstützung leisten.

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Bis die Reform im kommenden Juni anwendbar ist, haben die EU-Staaten Zeit, die neuen Regelungen umzusetzen. In Deutschland soll dies mit dem “GEAS-Anpassungsgesetz” geschehen sowie mit dem "GEAS-Anpassungsfolgegesetz", dessen Regelungen der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.

Im Bundestag stießen die beiden Regierungsentwürfe bei der Opposition auf scharfe Kritik: Die AfD wertete die GEAS-Reform als "vollkommen wirkungslos", Grüne und Linke beklagten massive Asylrechtsverschärfungen zulasten Schutzsuchender. Vertreter der Koalition verteidigten dagegen die Neuregelung, allerdings mit deutlich unterschiedlichen Nuancen.

Dobrindt wirbt für “Rückkehrzentren für abgelehnte Asylbewerber" 

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) nannte GEAS die "Grundlage, um die Migrationswende in Europa durchzusetzen". Vorgesehen sei auch, in Deutschland "Sekundärmigrationszentren" einzurichten, aus denen Betroffene, für die Deutschland nicht zuständig sei, in die EU-Staaten mit entsprechender Zuständigkeit zurückgeführt werden können. Dazu seien "Wohnsitz- und Aufenthaltspflichten" zu verhängen. In diesen Zentren solle es möglich sein, in das zuständige Land auszureisen, "aber nicht, sich frei in Deutschland zu bewegen".

Zusammen mit anderen EU-Staaten sei Deutschland dabei, das Europäische Asylsystem weiter zu "schärfen", fügte Dobrindt hinzu und warb für "Return-Hubs", also "Rückkehrzentren für abgelehnte Asylbewerber", die nicht in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden könnten, aber "in heimatnahe Regionen".


Natalie Pawlik im Porträt.
Foto: DBT / Inga Haar
„Der Entwurf vereint Humanität und Ordnung.“
Integrations- und Antirassismusbeauftragte Natalie Pawlik (SPD)

Die Regierungsbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, Natalie Pawlik (SPD), sagte, die Gesetzentwürfe vereinten "Humanität und Ordnung", doch nehme sie Kritik aus der Zivilgesellschaft an den Vorlagen ernst. Es werde Regelungen geben, "die an die Grenze dessen gehen, was das Grundgesetz, die EU-Grundrechtecharta und die Genfer Flüchtlingskonvention zulassen". Diese blieben aber "unser Kompass".

Bernd Baumann (AfD) kritisierte, dass die Bundesregierung mit der GEAS-Reform "ihren zentralen Baustein für eine angebliche Begrenzung der Migration" vorlege, die ganze Reform jedoch "reine Makulatur" sei. GEAS verteile die Migranten "per Zwangsquoten auf die Mitgliedsstaaten", die sie "unbegrenzt" aufnehmen oder "horrende Strafen zahlen" müssten.

Grüne und Linke kritisieren die quasi Inhaftierung in Sekundärmigrationszentren 

Irene Mihalic (Grüne) warf der Bundesregierung einen "Frontalangriff auf Schutzsuchende" vor. Die geplanten Sekundärmigrationszentren dienten keinem anderen Zweck, "als Menschen de facto zu inhaftieren". Auch sollten nach den Regierungsplänen Asylsuchende spätestens zwei Wochen, nachdem die Zuständigkeit eines anderen EU-Staates für ihr Verfahren feststeht, von allen Leistungen ausgeschlossen werden.

Clara Bünger (Linke) beklagte, die GEAS-Reform sehe beschleunigte Asylverfahren direkt an der Grenze vor, "oft unter faktischen Haftbedingungen" und mit eingeschränktem Rechtsschutz. Auch in Deutschland werde "Haft künftig zum Normalfall im Asylverfahren". Hinter den von der Koalition geplanten Aufnahmeeinrichtungen für Sekundärmigration verberge sich "nichts anderes als ein neues System geschlossener Lager", in denen bereits in einem anderen EU-Staat registrierte Menschen "vollkommen isoliert" untergebracht werden sollten.

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