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Gastkommentare : Ausschussvorsitze auch für die AfD? Ein Pro und Contra

Sollen künftig auch AfD-Abgeordnete zu Vorsitzenden von Bundestagsausschüssen gewählt werden? Hagen Strauß und Daniel Goffart in einem Pro und Contra.

07.05.2025
True 2025-05-07T14:24:19.7200Z
2 Min

Pro

Es ist richtig, die AfD nicht von vornherein zu übergehen - aber es braucht Sicherheitsvorkehrungen

Hagen Strauß
ist Korrespondent in der Berliner Parlamentsredaktion der "Rheinischen Post".

Es ist wie es ist. Die AfD ist nun mal mit mehr als 150 Abgeordneten stärkste Oppositionskraft im Bundestag. Damit müssen die anderen Fraktionen jetzt umgehen. Die Einstufung der Partei durch den Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" ändert daran erstmal nichts. Auch ist ja noch unklar, was daraus in den nächsten Monaten eigentlich folgen wird, Stichwort Parteiverbot.

Es wäre falsch, im Parlament die Opfer-Mär der Partei zu befeuern, man werde entrechtet und von den anderen politisch gegängelt - was ohnehin nicht stimmt, wenn man demokratische Spielregeln und Verfahren ernst nimmt und auf deren Wehrhaftigkeit vertraut. Und das sollte man tun.

Richtig ist es daher, bei den Ausschussvorsitzenden die AfD nicht von vornherein gänzlich zu übergehen, auch wenn sie laut Bundesverfassungsgericht darauf keinen Anspruch hat. Aber das dann bitteschön nur mit Sicherheitsvorkehrungen. So muss genau geschaut werden, wen die AfD für diese Posten nominiert und für was diese Person inhaltlich im rechten Spektrum steht. Davon muss ein Ja oder Nein zentral abhängig gemacht werden. Genauso wichtig ist, dass die Geschäftsordnung präzisiert wird, so dass die Abwahl des- oder derjenigen deutlich leichter wird, ohne sich dabei in verfassungsrechtliche Grauzonen zu begeben.

Entzaubert wird die AfD durch mehr Beteiligung nicht, das ist schon klar; irgendeine Opfer-Geschichte findet sie immer. Und die befürchtete Normalisierung der Partei, die gibt es längst. Das zeigt ihr Abschneiden bei der Bundestagswahl. Und im parlamentarischen Betrieb sind die Rechten ohnehin eingebunden wie die anderen Fraktionen auch. Tatsächlich entzaubern lässt sich die AfD nur durch gute Politik, die bei den Menschen verfängt. Das ist nun insbesondere die Aufgabe der neuen Bundesregierung und ihres Kanzlers.

Contra

Die demokratische Mitte sollte eine "Normalisierung" der AfD verhindern

Foto: privat
Daniel Goffart
ist Chefkorrespondent der in Düsseldorf erscheinenden "Wirtschaftswoche".
Foto: privat

Der AfD gemäß ihrer Fraktionsstärke im Deutschen Bundestag den Vorsitz in den Ausschüssen zu gewähren, sei die Konsequenz einer demokratischen Wahl, deren Votum es zu beachten gelte. So oder ähnlich lauten die Argumente der Befürworter. Ergänzt wird diese Begründung gerne noch mit dem Ratschlag, man möge zur Vermeidung einer "Opferrolle" die AfD als "ganz normale Partei" behandeln.

Wer so argumentiert, übersieht jedoch zwei Dinge: Erstens ist es zur Respektierung des Wählervotums nicht zwingend geboten, die Mandate im Bundestag noch mit herausgehobenen Positionen im Parlamentsbetrieb zu veredeln. Es stimmt zwar - die Verteilung der Ausschussvorsitze entspräche den bisherigen Gepflogenheiten. Aber angesichts der Entwicklung der AfD von einer eurokritischen Protestbewegung hin zu einer laut Verfassungsschutz inzwischen "gesichert rechtsextremistischen" Partei sollte man auch im Bundestag die bisherige Praxis der "guten parlamentarischen Gepflogenheiten" überdenken - ja besser noch sie an die politische Realität anpassen. Die Parteien der demokratischen Mitte tun gut daran, einer "Normalisierung" der AfD nicht die Hand zu reichen.

Zweitens sollte das Gebot des "demokratischen Umgangs" dessen Vertreter nicht wehrlos machen. Der Blick in manche unserer europäischen Nachbarländer und mehr noch der Blick in die USA zeigen, dass der freie Rechtsstaat selbst in den fortschrittlichsten Ländern keine unumstößliche Selbstverständlichkeit ist. Wenn gewählte Präsidenten lügen, Urteile von Gerichten missachten und freie Medien einschüchtern, ist die Demokratie in akuter Gefahr.

Das Grundgesetz ist als Konsequenz aus der NS-Herrschaft als wehrhafte Demokratie konstruiert worden. Das beginnt damit, dass man den Feinden der Demokratie nicht mehr Macht gibt als von der Verfassung zwingend vorgeschrieben.

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