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Mangel an Pflegepersonal : Pflegefachkräfte bekommen mehr Kompetenzen

Mit zwei neuen Gesetzentwürfen will die Bundesregierung den Pflegeberuf attraktiver machen und die Versorgung verbessern.

12.09.2025
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4 Min

Das Zusammenspiel der Gesundheitsberufe im Versorgungsalltag ist eine komplexe Aufgabe. Fachkräfte mit unterschiedlicher Ausbildung wirken zusammen, um für Patienten die bestmögliche Versorgung sicherzustellen. Vor allem in der Pflege ist es aber schwierig geworden, ausreichend viele Mitarbeiter zu finden, was nicht nur mit der demografischen Delle zu tun hat. Ein anderer Grund ist die mangelnde Attraktivität des Berufs, der zu Überlastungen und Erschöpfung führen kann.

Foto: picture alliance / globallookpress.com

Ärzte und Pflegekräfte arbeiten in der Versorgung eng zusammen, aber mit unterschiedlichen Kompetenzen. Künftig sollen Pflegekräfte, je nach Qualifikation, mehr Verantwortung übernehmen dürfen.

Hinzu kommt, dass Pflegerinnen und Pfleger sich in der Zusammenarbeit mit Ärzten nicht immer wertgeschätzt fühlen und deshalb vorzeitig aus dem Beruf ausscheiden. Mediziner werden bisweilen als überheblich beschrieben, als anmaßend und belehrend, aber auch Pflegekräfte spielen ihren Erfahrungsvorsprung gegenüber jungen Ärzten gelegentlich aus. 

Fakt ist: Akademiker treffen auf "Praktiker", Assistenzärzte auf "alte Hasen", denen keiner mehr erklären muss, wie ein Wundverband angelegt wird. In der Anleitung eines Medizin-Fachblogs für einen spannungsfreien Umgang im Klinikalltag heißt es: "Ein Konflikt zwischen Arzt und Krankenschwester kann Folgen für die Versorgung und Pflege der Patienten haben." Die Anordnungs- (Arzt) und Durchführungsverantwortung (Pflegekraft) in der Pflege führe öfter zu Konflikten.

Ärzte haben eine herausgehobene Stellung im Gesundheitssystem

Im Sozialgesetzbuch V (SGB V) wird den Ärzten eine herausgehobene Stellung attestiert. Dort heißt es in § 15 Absatz 1: "Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden." Es sind also Ärzte, die letztlich eine Behandlung anordnen und verantworten.

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Das soll sich nun zumindest teilweise ändern mit neuen Kompetenzen für Pflegefachkräfte. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege" sieht vor, dass Pflegefachpersonen künftig verantwortlich weitergehende Leistungen und, je nach Qualifikation, auch Leistungen erbringen können, die bisher Ärzten vorbehalten waren. Das soll zu einer besseren Versorgung, etwa beim Management chronischer Erkrankungen sowie in der Prävention und Gesundheitsförderung, führen. Im Entwurf genannt werden Aufgaben in den Bereichen diabetische Stoffwechsellage, chronische Wunden und Demenz.

Zugleich zielt auch eine Neuregelung der Pflegefachassistenzausbildung auf mehr Attraktivität des Berufs. Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll ein eigenständiges und bundesweit einheitliches Berufsbild geschaffen werden. Die Reform ersetzt 27 landesrechtliche Regelungen.

Pflegefachkräfte können viel mehr, als sie momentan dürfen

In der ersten Beratung am Donnerstag wertete Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) die Gesetzentwürfe als wichtige Grundlage für die künftige Versorgung. Die Praktiker in der Pflege erwarteten, dass sie bei ihrer Arbeit nicht gehindert würden durch Bürokratie und überholte Regularien. Daher würden die Befugnisse von Pflegefachpersonen erweitert, “denn sie können oft so viel mehr, als sie dürfen”. Zugleich werde die Pflege von Bürokratie befreit, versprach Warken. So solle die Pflegedokumentation auf das notwendige Maß beschränkt werden.

🏥 Was sich für Pflegekräfte ändern soll

💡 Kompetenzen: Pflegefachpersonen sollen künftig je nach Qualifikation Leistungen erbringen können, die bisher Ärzten vorbehalten waren. Dabei geht es um die Bereiche diabetische Stoffwechsellage, chronische Wunden und Demenz.

👩‍🎓 Ausbildung: Mit der neu geregelten Pflegefachassistenzausbildung wird ein bundesweit einheitliches Berufsbild geschaffen. Es ersetzt 27 landesrechtliche Regelungen. Die generalistische Ausbildung dauert 18 Monate und wird vergütet. Voraussetzung ist regelhaft ein Hauptschulabschluss.



Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU), die an der Erarbeitung des Entwurfs zur Pflegefachassistenzausbildung beteiligt war, erinnerte an die gesellschaftliche Tragweite des Pflegeberufs. "Am Ende entscheidet die Frage der Pflege auch, wie solidarisch unsere Gesellschaft tatsächlich ist." Daher müssten die Rahmenbedingungen für die stationäre, ambulante und häusliche Pflege gestärkt werden.

Die Linke fordert eine Mindestausbildungszeit von 24 Monaten 

Von der Opposition kam teils scharfe inhaltliche Kritik an den Gesetzentwürfen. Nach Ansicht von Joachim Bloch (AfD) ist der Gesetzentwurf für mehr Pflegekompetenzen unausgereift. Er biete lediglich einen Rahmen und regele viele Details gerade nicht. Nicht geregelt seien Fragen zum Kompetenzkonflikt zwischen Pflege- und Ärzteschaft. Die genauen Verantwortlichkeiten seien ebenso unklar wie die Haftungsfragen.


„Wenn wir den Fachkräftemangel ernsthaft bekämpfen wollen, brauchen wir eine attraktive Pflegefachassistenzausbildung, keine Billiglösung für Profite.“
Julia-Christina Stange (Die Linke)

Simone Fischer (Grüne) beklagte, die Koalition lege Stückwerk vor. "Das ist kein Aufbruch, das ist Stillstand, hübsch verpackt mit neuem Namen." Statt Vertrauen in die Pflege zu zeigen, bleibe es in der Pflegekompetenz bei der Abhängigkeit von ärztlicher Delegation. Sie forderte: "Für die Pflege brauchen wir einen großen Wurf."

Julia-Christina Stange (Linke) ging auf die Ausbildungsqualität ein und mahnte: "Wenn wir den Fachkräftemangel ernsthaft bekämpfen wollen, brauchen wir eine attraktive Pflegefachassistenzausbildung, keine Billiglösung für Profite." Sie forderte eine Ausbildungszeit von mindestens 24 Monaten. In 18 Monaten sei es nicht möglich, in allen Pflegesettings ausgebildet zu werden. Astrid Timmermann-Fechter (CDU) verteidigte das Ausbildungskonzept. Mit dem niedrigschwelligen Einstieg werde auch jungen Menschen mit Hauptschulabschluss eine Perspektive geboten. Sabine Dittmar (SPD) sprach von einem guten Tag für die Pflege und zwei wichtigen Bausteinen für den Pflegeberuf.

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