Piwik Webtracking Image

Expertenanhörung zu Gesundheitsfinanzen : Vorschläge für Reformen im Gesundheitssystem

Experten haben in einer Anhörung Vorschläge für eine Reform des Gesundheitssystems erörtert und setzen vor allem auf eine Begrenzung der Ausgaben.

25.09.2025
True 2025-09-25T20:01:09.7200Z
3 Min

Die prekäre Finanzlage in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) erfordert nach Einschätzung von Gesundheitsexperten grundlegende Änderungen im System. Bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses über einen Antrag der Linksfraktion für eine gerechte Finanzierung der Krankenversicherung sprachen sich Sachverständige am Mittwoch dafür aus, vor allem die Ausgabenseite zu prüfen. Die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag eine langfristig solide und sozial gerechte Finanzierung von GKV und SPV, um Leistungskürzungen und eine Beitragsexplosion zu verhindern.

Mehr zum Gesundheitsetat 2026 lesen

Mehr zum Thema Warken will eine Mehrbelastung der Versicherten verhindern
Rund 20 Milliarden für Gesundheit: Warken will eine Mehrbelastung der Versicherten verhindern

Der Sozialökonom Simon Reif von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg erklärte, es gebe eine Reihe von Möglichkeiten, die Ausgaben zu senken und nannte die hohe Zahl an Krankenhausbehandlungen und Arztbesuchen. Mit einer besseren Versorgungssteuerung und -planung ließen sich Kosten einsparen, und Patienten würden von weniger Über- und Fehlversorgung profitieren. Eine Dynamisierung des Bundeszuschusses an die GKV hält Reif für den falschen Weg. Das würde die Anreize zum wirtschaftlichen Handeln der GKV mindern.

Experte: Ausgaben der Sozialversicherungen haben sich von den Einnahmen entkoppelt

Richard Ochmann vom IGES-Institut für Gesundheits- und Sozialforschung verwies auf Projektionen seines Hauses, wonach die Beitragsbelastungen in den kommenden Jahren erheblich zunehmen werden. Das betreffe grundsätzlich alle Zweige der Sozialversicherung. Es seien Reformen nötig, die der Ausgabenentwicklung von Kranken- und Pflegeversicherung entgegenwirken.

Die Ausgaben hätten sich von den Einnahmen entkoppelt. "Notwendig sind Reformen, die an den grundlegenden Versorgungsstrukturen ansetzen und die Ausgaben wieder stärker an den Einnahmen orientieren." Mit der Krankenhausreform (Qualitätsorientierung) und der geplanten Notfallreform (Bedarfsorientierung) sei ein wichtiger Grundstein gelegt. Auch das geplante Primärarztsystem gehe in die richtige Richtung.

Christian Karagiannidis von der Universität Witten/Herdecke sprach sich für eine Selbstbeteiligung von Patienten aus. Diese könne ganz unterschiedlich und sozialverträglich ausgestaltet werden. Zu empfehlen sei das niederländische System. Dort liege der Satz derzeit bei 385 Euro pro Jahr. Erst ab diesem Betrag trete die Krankenversicherung in Kraft. Die hausärztlichen Leistungen seien von der Selbstbeteiligung ausgeschlossen. Mit dieser unbürokratisch in die Krankenversicherung integrierten Regelung ließen sich womöglich die Beitragssätze sogar senken.

Der Bund könnte seinen Zuschuss zur GKV erhöhen

Ilias Essaidada vom Sozialverband VdK wies Forderungen nach mehr Eigenverantwortung zurück. Das schüre Angst unter den Versicherten, insbesondere unter Rentnern, und schädige das Vertrauen in den Sozialstaat. Er forderte stattdessen den Bund auf, seinen Finanzierungspflichten stärker nachzukommen.

Die GKV trage Kosten, die der gesamten Gesellschaft zugutekämen. Grundsätzlich sollten gesamtgesellschaftliche Aufgaben aus Steuermitteln finanziert werden. Der Bund leiste aber einen unzureichenden Beitrag zu diesen Aufgaben. Der Bund müsse daher seinen Zuschuss zur GKV deutlich erhöhen. Die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und der Versicherungspflichtgrenze wäre ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung.

Mehr zum Thema

Mehr zum Thema Mehr Steuergeld für die Krankenkassen? Ein Pro und Contra
Gastkommentare: Mehr Steuergeld für die Krankenkassen? Ein Pro und Contra

Antje Kapinsky vom Verband der Ersatzkassen (vdek) forderte raschen Reformen. Mit Blick auf die Expertenkommissionen für GKV und SPV sagte sie: "Es liegen genügend Ideen auf dem Tisch, sodass man sofort loslegen könnte." Zwar würden aufgrund der aktuellen Finanzentwicklung schnell wirksame Sofortmaßnahmen benötigt, langfristig seien jedoch strukturelle Änderungen erforderlich, sagte sie und nannte als Beispiele die Krankenhausreform und die geplante Notfall- und Rettungsdienstreform. Kurzfristig sei die Anhebung des Herstellerrabatts für Arzneimittel denkbar sowie eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf sieben Prozent.