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Gastkommentare : Mehr Steuergeld für die Krankenkassen? Ein Pro und Contra

Muss der Bund den Krankenkassen mehr für die Bürgergeldempfänger zahlen? Gastkommentator Tim Szent-Iványi ist dafür, Manfred Schäfers hält dagegen.

18.09.2025
True 2025-09-18T16:52:40.7200Z
3 Min

Pro

Derr Staat darf sich nicht auf Kosten der Versicherten einen schlanken Fuß machen

Foto: Privat
Tim Szent-Iványi
Der Autor ist Hauptstadt-Korrespondent des Redaktionsnetzwerkes Deutschland.
Foto: Privat

Ein Nachbar bittet Sie, etwas aus dem Supermarkt mitzubringen. Sie kaufen ein, liefern es ab und erwarten, dass der Nachbar das ausgelegte Geld zurückzahlt. Doch dieser erklärt, er sei knapp bei Kasse habe daher entschieden, ihnen nur ein Drittel des Kaufpreises zu geben. Aber er bitte dennoch, auch künftig wieder etwas zu besorgen - zu genau diesen Konditionen.

Was sich irre anhört, ist seit Jahren Realität in Deutschland: Der Staat beauftragt die gesetzlichen Krankenkassen, die Bürgergeldbeziehenden zu versichern. Doch statt für sie Beiträge zu zahlen, die die Ausgaben decken, überweist der Bund pauschal nur rund ein Drittel der tatsächlichen Kosten. Das ist keine Petitesse, sondern summiert sich jährlich auf zehn Milliarden Euro. Verhielte sich der Bund korrekt, könnten die Beitragssätze in der Krankenversicherung immerhin um 0,5 Prozentpunkte sinken.

Die nunmehr vom Kassen-Spitzenverband angekündigte Klage gegen die Bundesrepublik ist absolut gerechtfertigt. Beim Bürgergeld handelt es sich um eine staatliche Fürsorgeleistung zur Sicherung des Existenzminimums, die vollständig aus Steuermitteln finanziert werden muss. Das gilt mithin auch für die Sozialbeiträge. Es kann nicht sein, dass sich der Staat auf Kosten der Solidargemeinschaft der Versicherten einen schlanken Fuß macht.

Seit Jahren weisen die Kassen auf den Missstand hin, wurden indes von der Politik immer nur vertröstet. Angesichts der enormen Löcher im Bundeshaushalt ist auch kein freiwilliges Einlenken absehbar. Dabei ist der Staat bei privatversicherten Bürgergeldbeziehenden viel großzügiger: Für sie wird bis zum Dreieinhalbfachen der Kassen-Pauschale gezahlt. Das zeigt einmal mehr den fragwürdigen Umgang mit der gesetzlichen Krankenversicherung.

Contra

Schmerzhafte Eigentherapie: Im Gesundheitswesen muss gespart werden

Foto: Matthias Lüdecke
Manfred Schäfers
Der Autor ist Wirtschaftskorrespondent der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in Berlin.
Foto: Matthias Lüdecke

Ist die Kasse leer, muss eben neues Geld vom Bund her. Doch so einfach, wie es manche denken, ist es nicht. Der vermeintlich reiche Onkel ist verarmt - er wäre, um im Bild zu bleiben, ein Kandidat für das Bürgergeld.

Der schwarz-rote Finanzplan zeigt Erschreckendes: Nächstes Jahr wird jeder dritte Ausgaben-Euro auf Kredit finanziert. Die Verschuldung des Bundes wird sich von 2018 bis 2029 auf voraussichtlich 2,7 Billionen Euro mehr als verdoppeln. Unabhängig davon ist zudem noch eine Lücke von 172 Milliarden Euro zu schließen. Auch wenn sich diese auf drei Jahre verteilt, ist das eine gigantische Aufgabe. Wie das gehen soll, ist noch nicht einmal in Ansätzen erkennbar - zumal die Koalition bei der Rente erst einmal in die falsche Richtung abbiegt.

Das heißt: Die Krankenkassen können nicht auf freiwillige Hilfe von außen hoffen, um ihre Finanzprobleme zu lösen. Das erklärt, warum sie zum schärfsten Schwert gegriffen haben, einer Klage gegen den Bund. Sie argumentieren, der Bund erstatte ihnen zu wenig für die Bezieher von Bürgergeld.

Doch auch sonst arbeitet dieser Zweig der Sozialversicherung nicht immer kostendeckend, so sind Ehepartner ohne eigenes Einkommen und Kinder ohne Aufschlag mitversichert. Da der Bund nichts mehr zu verschenken hat und das Gerichtsverfahren nicht nur langwierig, sondern auch wenig aussichtsreich erscheint, wären die Kassenvertreter gut beraten, im Schulterschluss mit der Gesundheitsministerin ihre Kostenblöcke auf Einsparpotenziale zu durchforsten.

Angesichts der extremen Ausgabendynamik führt daran ohnehin kein Weg vorbei - selbst wenn es dank höherer Fügung einen höheren Zuschuss geben sollte, wäre auch dieser in kürzester Frist aufgezehrt. Deswegen muss im Gesundheitswesen selbst gespart werden - so schmerzhaft das auch sein mag.

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