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Gastkommentare : Auf dem Weg zur steuerfinanzierten Rente? Ein Pro und Contra

Ist Deutschland auf dem Weg zu einer steuerfinanzierten Rente? Birgit Marschall hält das für einen Irrweg, Ulrike Herrmann sieht keinen Grund für Alarmismus.

27.11.2025
True 2025-11-27T09:34:14.3600Z
3 Min

Pro

Kein Grund für Alarmismus: Gesamtwirtschaftlich sind die Rentner mühelos zu finanzieren

Foto: Herby Sachs/WDR
Ulrike Herrmann
ist Wirtschaftsredakteurin der Berliner "tageszeitung".
Foto: Herby Sachs/WDR

Der deutsche Staat wird die Renten im nächsten Jahr mit 128 Milliarden Euro bezuschussen. Das ist viel Geld. Ein Drittel des Bundeshaushalts ist blockiert und steht für andere Aufgaben nicht mehr zur Verfügung. Trotzdem wäre es falsch, den Bundeszuschuss zu kürzen. Die Rentenversicherung braucht die staatlichen Milliarden. Die deutschen Renten lassen sich nämlich nicht kürzen, denn sie reichen schon jetzt kaum zum Leben. Wer 45 Jahre lang Vollzeit gearbeitet hat, erhält im Durchschnitt 1.500 Euro netto im Monat. Das ist wenig Geld.

Zudem verengt es den Blick, nur auf den hohen Bundeszuschuss zu starren und daraus zu schließen, dass sich Deutschland seine Alten nicht mehr leisten kann. Für Alarmismus gibt es keinen Grund, denn gesamtwirtschaftlich sind die Rentner mühelos zu finanzieren. Das zeigt ein Vergleich mit der Wirtschaftsleistung: Die Ausgaben für die deutsche Alterssicherung lagen zwischen 2001 und 2023 bei neun bis zehn Prozent des BIP - das war sogar niedriger als der EU-Durchschnitt, der sich auf elf Prozent beläuft.

Es ist also ein seltsames Paradox zu beobachten: Deutschland zahlt niedrige Renten, und trotzdem wird der Bundeshaushalt stark belastet. Wie kann das sein? Die Antwort ist recht trivial. Es rächt sich, dass Deutschland jahrelang auf Lohndumping gesetzt hat - also auf Minijobs und einen riesigen Niedriglohnsektor. Denn die Renten werden durch die Abgaben der Arbeitnehmer bezahlt. Werden die Löhne gedrückt, fallen die Sozialbeiträge so gering aus, dass der Staat zuschießen muss.

Daraus folgt umgekehrt: Wenn der Bund nicht mehr für die Rentner zahlen will, muss er den Niedriglohnsektor abschaffen und dafür sorgen, dass die Gehälter in Deutschland steigen.

Contra

Statt einer Steuerfinanzierung wäre der Einstieg in die Kapitaldeckung der richtige Weg

Foto: Axel Schön
Birgit Marschall
ist Parlamentskorrespondentin der "Rheinischen Post" in Berlin.
Foto: Axel Schön

Immer mehr Rentner, immer weniger Beitragszahler - die demografische Schieflage, steigende Lohnnebenkosten und wachsende Altersarmut befeuern die Debatte über eine grundsätzliche Umstellung: weg vom beitragsfinanzierten Umlageverfahren, hin zum rein steuerfinanzierten Rentensystem. Stellen wir uns das unrealistische Szenario vor, die deutsche Politik wäre in der Lage, einen solchen Paradigmenwechsel zu organisieren: Das demografische Problem würde dadurch keinesfalls gelöst. Denn auch die Zahl der (solventen) Steuerzahler nimmt demografiebedingt ab, während die Zahl der (weniger solventen) Rentenbezieher stark ansteigt.

Die steuerfinanzierte Rente würde für den Fiskus zudem enorm teuer: 2024 zahlte die Rentenkasse rund 400 Milliarden Euro aus, das waren vier Fünftel des Kernhaushalts des Bundes. Schon heute bezuschusst der Bund die Rentenversicherung mit rund 120 Milliarden Euro jährlich. Allein dieser Zuschuss verringert schon dramatisch den Spielraum für andere Ausgaben, etwa für Bildung. Würde das Umlageverfahren abgeschafft, drohten nicht nur eine noch schärfere Ausgabenkonkurrenz, sondern enorme Steuererhöhungen.

Wer die steuerfinanzierte Rente propagiert, erhofft sich mehr Umverteilung von oben nach unten und ein effektiveres Mittel gegen Altersarmut. Doch die Motivation vor allem für Leistungsträger, die nötigen, stark erhöhten Steuern zu zahlen, würde abnehmen. Steuer- und Kapitalflucht wären kaum zu stoppen. Und zwar nicht nur wegen der Höhe der Steuern, sondern auch weil kein gerechter Zusammenhang mehr bestünde zwischen Rentenhöhe und individueller Einzahlung.

Nein, statt der Steuerfinanzierung wäre der überfällige Einstieg in die Kapitaldeckung der richtige Weg. Wie in Schweden sollte künftig ein kleiner Teil der Rentenbeiträge gewinnbringend am Kapitalmarkt angelegt werden. Auch das kann vor Altersarmut schützen.

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