Verteidigung : Linke will die Wehrpflicht abschaffen
2011 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt. Nun will sie die Linke ersatzlos aus dem Grundgesetz streichen. Doch damit steht sie im Bundestag allein da.
Während Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) seinen Gesetzentwurf über den "neuen Wehrdienst" noch im August durch das Bundeskabinett gebracht hat, fordert die Fraktion Die Linke nun die Streichung der Allgemeinen Wehrpflicht für Männer im Grundgesetz. Über den entsprechenden Antrag der Fraktion beriet der Bundestag am Donnerstag. Bei allen anderen Fraktionen stieß die Forderung jedoch auf einhellige Ablehnung.
"Wer heute noch von Zwangsdiensten träumt, der will nicht Freiheit, sondern Kontrolle, nicht Demokratie, sondern Militarisierung", führte die Linken-Abgeordnete Desiree Becker an. Die Wehrpflicht gehöre "in die Geschichtsbücher, nicht ins Grundgesetz". Der Artikel 12a im Grundgesetz gehöre deshalb gestrichen. Wer den Frieden wolle, müsse "den Frieden vorbereiten, nicht die Kriegstüchtigkeit", sagte Becker. "Die Herausforderungen unserer Zeit sind nicht in Schützengräben zu lösen, sondern mit Klimaschutz, sozialer Sicherheit und guter Bildung."
Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist im Grundgesetz verankert
Die CDU-Parlamentarierin Diana Herbstreuth erteilte der Linken-Forderung eine deutliche Absage. Die Wehrpflicht sei "kein Relikt vergangener Zeiten, sondern ein ganz bewusst verankerter Bestandteil unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung". Zudem habe der Bund gemäß Artikel 87a Grundgesetz den Auftrag, Streitkräfte zur Verteidigung aufzustellen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine habe gezeigt, wie schnell ein Staat in eine Notlage geraten könne. Die Abschaffung der Wehrpflicht wäre "ein fatales Signal", ein "Zeichen der Schwäche".
Der AfD-Abgeordnete Jan Ralf Nolte bescheinigte der Linken, in ihrem Antrag stehe "relativ viel Unsinn". Es sei "eine Selbstverständlichkeit", dass ein souveräner Staat über Streitkräfte verfüge, um sich im Ernstfall zu verteidigen. Umgekehrt sei im Grundgesetz ausdrücklich das Recht zur Kriegsdienstverweigerung verankert und dieses Recht gelte auch im Verteidigungsfall, argumentierte Nolte. Zugleich monierte er jedoch, dass es nichts mit "einer sauberen sicherheitspolitischen Analyse" zu tun habe, wenn so getan werde, als werde Deutschland in wenigen Jahren "einen Krieg gegen Russland führen" müssen.
Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011
Die Sozialdemokratin Sabine Dittmar bezeichnete die Forderung der Linken als "Realitätsverweigerung", die angesichts der augenblicklichen sicherheitspolitischen Lage "brandgefährlich" sei. Dittmer verwies darauf, dass die Wehrpflicht 2011 ausgesetzt und seitdem niemand zwangsverpflichtet worden sei. "Ich bin davon überzeugt, dass wir die Option der Wehrpflicht auch künftig nicht ziehen müssen." Die aktuellen Bewerberzahlen ließen die Prognose zu, dass die Bundeswehr den notwendigen Aufwuchs beim Personal stemmen könne.
Auch der Grünen-Abgeordnete Niklas Wagener verwies darauf, dass die Wehrpflicht "kein Automatismus" sei. "Der Wehrdienst ist im Friedensfall ausgesetzt; die Wehrpflicht greift im Spannungs- oder Verteidigungsfall." Ebenso wie Dittmer warf er der Linken Realitätsverweigerung vor und erinnerte an die massiven Bombardierungen ukrainischer Städte und das Eindringen russischer Drohnen in den polnischen Luftraum. Russland habe das Signal an die Nato ausgesendet, noch viel weiter zu gehen. "Haben Sie die Nachrichten abgeschaltet? Oder glauben Sie, dass Aggressoren auf Wunschdenken reagieren?", hielt Wagener der Linken entgegen.

Finden sich nicht genügend Freiwillige, um die Personalstärke der Bundeswehr zu erhöhen, sieht der Gesetzentwurf auch die verpflichtende Heranziehung als Option vor.

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Die Rechtswissenschaftlerin Kathrin Groh erklärt, welche Pflichten möglich wären – und was das Grundgesetz zu einer allgemeinen Dienstpflicht sagt.