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Gastkommentare : Wehrpflicht auch für Frauen? Ein Pro und Contra

Soll die Wehrpflicht in Deutschland künftig auch für Frauen gelten? Gastkommentatorinnen Tatjana Heid und Kerstin Münstermann im Pro und Contra.

04.12.2025
True 2025-12-04T17:04:35.3600Z
3 Min

Pro

Ein Wehrdienst für Frauen könnte der Gleichberechtigung einen Schub geben

Foto: Frank Röth / F.A.Z.
Tatjana Heid
ist stellvertretende Nachrichtenchefin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Foto: Frank Röth / F.A.Z.

Frauen dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden, heißt es in Artikel 12a des Grundgesetzes. Im selben Grundgesetz steht: Frauen und Männer seien gleichberechtigt. Das passt nicht zusammen, auch weil der Grundgedanke von Artikel 12a aus der frühen Bundesrepublik stammt. Als in Deutschland die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde, waren sich Politik und Hausfrauenbund einig: Frauen gehören nicht in Kasernen, zudem ist die Vollzeitbeschäftigung der Hausfrau mit Kindern abzulehnen.

Heute - fast 70 Jahre später - machen Frauen mit und ohne Familie Karriere. Sie arbeiten in Männerberufen. Sie stellen immer mehr Führungskräfte. Und ihre Fußballnationalmannschaft lockt Zehntausende ins Stadion.

Natürlich haben Frauen mit Nachteilen zu kämpfen, wie ein Blick auf die Gender Pay Gap, höhere Teilzeitquoten von Frauen und die oft ungleich verteilten Lasten von unbezahlter Fürsorgearbeit zeigt. Doch wird das besser, nur weil man Frauen aus einer wie auch immer gearteten Wehrpflicht herausnimmt? Vermutlich nein. Vielmehr könnten Frauen, die wie Männer Wehrdienst leisten müssen, der Gleichberechtigung einen Schub geben. Weil sie in einer weiteren Männerdomäne präsenter wären. Und weil im Ernstfall nicht nur Männer für die Landesverteidigung einstehen.

Momentan zeichnet sich keine Mehrheit für eine Grundgesetzänderung ab, die eine Wehrpflicht erlauben würde. Das könnte sich ändern, wenn die Sicherheitslage es nicht mehr zulässt, dass wir auf Frauen als Wehrdienstleistende verzichten. Der Debatte darüber sollten wir uns in jedem Fall schon jetzt stellen - auch um die Bundeswehr auf eine stärkere Beteiligung von Frauen vorzubereiten. 

Contra

Der Staat sollte in puncto Gleichberechtigung lieber in anderen Bereichen handeln

Foto: Marco Urban
Kerstin Münstermann
ist Mitglied der Chefredaktion der "Rheinischen Post".
Foto: Marco Urban

Soll die Wehrpflicht nach einer Reform auch für Frauen gelten? Klare Antwort: Nein. Natürlich muss es Frauen ermöglicht werden, sich freiwillig in den Dienst der Truppe zu stellen. Das ist bislang ja auch schon der Fall. Warum? Zunächst müsste für eine Wehrpflicht für Frauen das Grundgesetz geändert werden, die Mehrheiten dafür sind derzeit im Parlament gar nicht erreichbar.

Aber es gibt noch andere Punkte, gerade auch mit Blick auf die Gleichberechtigung. Denn Frauen haben, wenn sie Kinder bekommen, Brüche im Lebenslauf, die Männer nicht haben. Das ist kein tradiertes Rollenverständnis, sondern Tatsache. Besondere Zeiten wie Schwangerschaft und Wochenbett sind da zu nennen, wenn sich nicht noch Jahre der Elternzeit und des häufig zumindest teilweisen Aussetzens aus dem Beruf anschließen. Lebenszeit, die man mit einem Partner nicht einfach tauschen kann. Frauen leisten laut Studien weit mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer, auch bei der Pflege Angehöriger. Sie arbeiten viel häufiger in Teilzeit, weil die Kinderbetreuung sonst nicht klappt. Aus all diesen Gründen würde Frauen mit einem möglichen verpflichtenden Wehrdienst von Staats wegen noch mehr Zeit genommen. Das ist nicht gerecht.

Der Staat könnte beim Thema Gleichberechtigung aber in anderen Feldern noch viel weiter vorangehen: endlich gleiche Bezahlung für dieselbe Arbeit. Repräsentation in klassischen "Männer-Berufen", ausreichend Plätze für Kinderbetreuung, Ganztagsschulen.

Wohlgemerkt: Es geht in der Debatte nicht darum, dass Frauen keinen Dienst an der Waffe leisten dürfen. Dass sie nur im Sanitätsdienst und im Musikkorps Dienst tun dürfen, ist zum Glück Geschichte. Aber sie sollten nicht dazu gezwungen werden. Und der Arbeitgeber Bundeswehr kann in den nächsten Jahren daran arbeiten, ein besserer Arbeitgeber für Frauen zu werden, wenn diese dort anheuern wollen. Freiwillig!

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