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70 Jahre Bundeswehr und die Frage des Wehrdienstes : Es bleibt bei der Freiwilligkeit - vorerst

Union und SPD einigen sich auf ein neues Wehrdienstmodell und die Musterung aller Männer. Jetzt muss noch der Bundestag zustimmen.

14.11.2025
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4 Min
Foto: picture-alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka

Soldaten des Wachbataillons während des öffentlichen Gelöbnisses am 12. November vor dem Reichstagsgebäude anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der Bundeswehr.

Vor 70 Jahren überreichte der damalige Verteidigungsminister Theodor Blank (CDU) am 12. November den ersten 100 Soldaten der neu geschaffenen Streitkräfte der Bundesrepublik in der Bonner Ermekeil-Kaserne ihre Ernennungsurkunden. Nur zehn Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands im Zweiten Weltkrieg.

Anlässlich des 70-jährigen Jubiläums gedachte der Bundestag am Mittwoch in Form einer vereinbarten Debatte des historischen Ereignisses. Und wie an Geburtstagen üblich, waren vor allem lobende und positive Einschätzungen zu hören. "Ohne die Bundeswehr wäre Deutschland nicht das, was es heute ist", befand etwa der Unionsabgeordnete Norbert Röttgen (CDU). Eine stabile Demokratie, die Wiedererlangung der staatlichen Souveränität und die friedliche Vereinigung wären ohne die Bundeswehr, ohne die Wehrhaftigkeit Deutschlands nach außen und ohne die Nato-Mitgliedschaft nicht erreicht worden.

Innere Führung und das Leitbild vom "Staatsbürger in Uniform"

Die Verankerung im Grundgesetz, die Kontrolle durch das Parlament, die Prinzipien der Inneren Führung und das Leitbild vom "Staatsbürger in Uniform" hätten die Bundeswehr zu einer "Armee in der Demokratie" werden lassen, urteilte der SPD-Parlamentarier Falko Droßmann. "Mit Stolz", so betonte auch Hannes Gnauck (AfD), könne man "auf eine der größten Erfolgsgeschichten dieser Bundesrepublik zurückblicken". Und die Grünen-Abgeordnete Sara Nanni räumte mit Blick auf das in der Vergangenheit so kritische Verhältnis ihrer Partei zur Bundeswehr ein: "Aus Reibung entsteht Wärme." Selbst der Linken-Abgeordnete Ulrich Thoden bescheinigte der Bundeswehr, sie habe "den Bruch zu Reichswehr und Wehrmacht" vollzogen, den Soldaten gebühre Dank "für die Verteidigung der Demokratie".

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Während im Plenarsaal das hohe Lied auf die Bundeswehr angestimmt wurde, rang hinter den Kulissen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit den Fraktionsführungen und Verteidigungspolitikern von Union und SPD über die Frage, wer in Zukunft die Reihen der personell ausgedünnten Streitkräfte wieder auffüllen soll, wer zu einer Musterung antreten muss und ob die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht nicht doch wieder reaktiviert werden müsste.

Am Donnerstag verkündeten Pistorius, Unions-Fraktionschef Jens Spahn (CDU) sowie CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann und der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch das Ergebnis der Verhandlungen. Und dieses Ergebnis entspricht - zumindest an den entscheidenden Stellen - den Vorstellungen des Verteidigungsministers und dem von ihm bereits im August dieses Jahres durch das Bundeskabinett gebrachten Entwurf für ein Wehrdienstmodernisierungsgesetz, über das sich in den folgenden Wochen Pistorius, Union und SPD jedoch zerstritten hatten.

Bundestag soll gesondert über Bedarfswehrpflicht entscheiden

Um den anvisierten Truppenumfang von zukünftig 260.000 aktiven Soldaten sowie 200.000 Reservisten zu erreichen, soll weiterhin auf die Rekrutierung von Freiwilligen für einen mindestens sechs Monate dauernden Wehrdienst gesetzt werden. Nur wenn sich nicht genügend Freiwillige finden und es die verteidigungspolitische Lage erforderlich macht, soll eine sogenannte Bedarfswehrpflicht greifen können. Dann könnten junge Männer in einem Zufallsverfahren bestimmt werden, die einen Wehrdienst verpflichtend ableisten müssen.

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Diese Bedarfswehrpflicht soll jedoch nicht automatisch durch die Bundesregierung ausgelöst werden können, der Bundestag müsste zuvor ein weiteres Gesetz verabschieden. Eine ähnliche Regelung hatte bereits der Gesetzentwurf von Pistorius vorgesehen. Allerdings sollen nun klare Zielmarken benannt werden, bis wann die Bundeswehr welche Stärke erreicht haben soll. Unions-Fraktionschef Spahn betonte, so werde mehr "Verbindlichkeit" geschaffen. Sein SPD-Kollege Miersch zeigte sich überzeugt, dass man die anvisierten Ziele "im Rahmen der Freiwilligkeit" erreiche. Die SPD hatte sich auf ihrem Parteitag in diesem Sommer explizit gegen eine Automatismus-Regelung für eine Rückkehr zur Wehrpflicht im Gesetz ausgesprochen.

Musterung aller 18-jährigen Männer ab Sommer 2027

Wie ursprünglich von Pistorius gefordert sollen ab dem Sommer 2027 dann wieder alle jungen Männer ab dem 18. Lebensjahr gemustert werden. Damit ist der zwischenzeitlich von einem Verhandlungsteam von Union und SPD ausgehandelte Kompromiss, per Losverfahren über eine mögliche Musterung entscheiden zu lassen, endgültig vom Tisch. Pistorius hatte sich vehement gegen diese Regelung gesperrt.

Bereits ab dem kommenden Jahr sollen zudem alle 18-jährigen Männer ab dem Geburtsjahrgang 2008 einen Fragebogen ausfüllen müssen, in dem sie Auskunft über eine mögliche Bereitschaft für einen freiwilligen Wehrdienst und ihren Gesundheitszustand erteilen müssen. Frauen hingegen wird es freigestellt, ob sie den Fragebogen ausfüllen.

Höherer Wehrsold und Zuschüsse zum Führerschein

Um genügend Freiwillige für den Wehrdienst zu mobilisieren, soll dieser attraktiver gestaltet werden. Der Wehrsold soll auf bis zu 2.600 Euro brutto monatlich erhöht werden. Ab einer Verpflichtungszeit von zwölf Monaten sollen die Freiwilligen den Status eines Zeitsoldaten erhalten. Zudem sollen Zuschüsse für den Erwerb des Pkw- oder Lkw-Führerscheins gezahlt werden.

Die von Union und SPD verabredeten Änderungen müssen nun vom Verteidigungsausschuss in den ursprünglichen Gesetzentwurf eingearbeitet werden. Dann kann der Bundestag in zweiter und dritter Lesung abschließend über das Gesetz, das zum Jahreswechsel in Kraft treten soll, beraten und abstimmen.

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