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Parlamentarisches Profil : Der Hüter: Martin Hess

Die Migrationspolitik der Bundesregierung greift zu kurz, findet der AfD-Abgeordnete aus Ludwigsburg und ehemalige Polizeihauptkommissar, Martin Hess.

09.10.2025
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3 Min

Der Besucher erscheint zum Termin verspätet, und umgezogen hatte er sich auch nicht. Doch darüber zuckt Martin Hess nicht mit einer Wimper, nichts scheint ihn aus der Ruhe zu bringen, bis das Gespräch bei den migrationspolitischen Debatten in dieser Bundestagswoche ankommt. Dann ist die Ruhe vorbei. 

"Das ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber kein ausreichender", sagt Hess, 54, Abgeordneter der AfD-Fraktion aus Ludwigsburg, über die Abschaffung der beschleunigten Einbürgerung. “Wir müssen jetzt vor allem endlich die illegale Migration stoppen.”

Foto: picture alliance / dts-Agentur

Martin Hess sitzt seit 2017 für die AfD-Fraktion im Bundestag. Der Polizeihauptkommissar a. D. ist Obmann in Innenausschuss.

Es ist ein grauer Mittwoch, in seinem Büro muss das Licht gegen Herbstdunkeln anstrahlen. Auch der ersten Lesung des geplanten Anpassungsgesetzes an das "Gemeinsame Europäische Asylsystem" (GEAS) kann er nur bedingt Positives abgewinnen: "In seiner jetzigen Form ist GEAS wenig hilfreich, da das beschleunigte Verfahren nur auf Asylbewerber mit Anerkennungsquoten von 20 Prozent oder weniger abzielt", sagt er. “Das erfasst daher nicht Leute etwa aus Afghanistan, Syrien oder Nordafrika, aus deren Gruppen massive Sicherheitsbeeinträchtigungen zu verzeichnen sind.”

Hess ist Polizeihauptkommissar außer Dienst. Der stellvertretende innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion legt den Fokus auf Sicherheit. Es ist ein Mantra. Wenn er darüber spricht, wandern die Kanten beider Hände synchron über der Tischplatte auf und ab, als wolle er den Weg für eine Schneise weisen. Und rasch betont er: "Jede Form von Migration, die legal und konstruktiv ist, wird von uns begrüßt." Er sei für einen positiven Beitrag der Leute fürs Land, auch von Zuwanderern.

Hess argumentiert beim Thema illegaler Migration mit dem Dublin-Abkommen

Moment, sehen das tatsächlich die meisten in der AfD so, gibt es nicht auch jene, die ein Problem mit einem ausgemachten "Fremden" an und für sich haben? Hess schüttelt den Kopf. “Ich kenne niemanden, der das so sieht. Das steht auch nicht in unserem Parteiprogramm.”

Das Gespräch könnte an einen toten Punkt gelangen, an dem man sich unterschiedlicher Wahrnehmung versichert, aber mit Hess redet man weiter. Vielleicht liegt es daran, dass er als Polizist ausstrahlt, an die Bedeutung von Recht und Gesetz zu glauben, dass im Rahmen seiner geäußerten Empörung ein Gerechtigkeitswille vorprescht - für wen und wofür auch immer.


„Wir müssen die Grenzen mit einer entsprechenden Vorlaufzeit für illegale Migration schließen.“
Martin Hess (AfD)

Jedenfalls ist für Hess eine Migration illegal, wenn ein Asylbewerber beispielsweise aus Italien oder Ungarn nach Deutschland einreist; was einen Verstoß gegen das Dublin-Abkommen darstellt, nach dem ein Geflohener im EU-Erstaufnahmeland zu verbleiben hat. "Wir müssen die Grenzen mit einer entsprechenden Vorlaufzeit für illegale Migration schließen. Dadurch wird ein Dominoeffekt erzielt." 

Und was ist mit jenen rechten Regierungen Europas, die bisher mehr Interesse an der Weiterreise Geflohener zeigten als an deren Aufnahme und Integration? "Das ist dann das Problem dieser Regierungen, nicht unseres."

Bereits zwei Monate nach ihrer Gründung trat Hess der AfD bei

Hess argumentiert streng juristisch. Ob damit alles Politische ausgeleuchtet wird, ficht ihn nicht an. “Ich bin Realpolitiker. Können wir uns darauf verständigen, dass ich mir als Innenpolitiker keine Gedanken über eine ideale Welt machen muss? Ich muss die Probleme meiner eigenen Bürger lösen.”

Von denen sah er in seinem früheren Leben einige. Gleich nach dem Abi schrieb er seine erste und einzige Bewerbung - für den Polizeidienst. Er war auf Streife unterwegs, in der Bereitschaftspolizei, in Festnahmeeinheiten. Er tauchte auf, wo etwas schiefging im Land, unter den Leuten. Das mag prägen. Jedenfalls trat er zwei Monate nach der Gründung der AfD im April 2013 in die Partei ein. "Ein Rechtsbruch war mein Hauptmotiv, nämlich die Euro-Rettung." Weitere Brüche aus seiner Sicht folgten, wie der des Dubliner Abkommens. "Wir können uns nicht um das Elend der ganzen Welt kümmern. Das ist etwas für Philosophie-Salons." Bleibt die Frage, ob das ausreicht. Ob man sich Politiker nicht häufiger in Philosophie-Salons wünscht. Am Ende des Gesprächs haben die Handkantenschläge auf den Tisch aufgehört. Hess legt nun die Innenflächen zusammen wie zu einem Gebet. 

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