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Änderungen an Lieferkettengesetzen : Lieferkettengesetz auf der Kippe

Der Bundestag streitet über die Aufweichung des nationalen Gesetzes. Zuvor hatte das EU-Parlament das Gesetz bereits abgeschwächt und die Einführung verschoben.

19.12.2025
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4 Min

Wird das nationale Lieferkettengesetz nun auch geschleift, nachdem das Europaparlament grünes Licht für ein abgeschwächtes EU-Lieferkettengesetz gegeben hat? Der Bundestag hat am Donnerstag über die Entscheidung aus Brüssel und über zwei Vorhaben der AfD-Fraktion debattiert.

Die Abgeordneten im Europaparlament hatten am Dienstag weitreichende Änderungen an dem Gesetz beschlossen und die Einführung um ein weiteres Jahr verschoben.

Foto: picture alliance/NurPhoto/Ziaul Haque

Das Lieferkettengesetz galt als wichtiger Schritt zur Durchsetzung von Arbeits- und Menschenrechtsstandards.

Das Lieferkettengesetz soll Unternehmen eigentlich für Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit und Umweltverschmutzung in ihrer Produktion in die Pflicht nehmen. Das Gesetz war im Frühjahr 2024 beschlossen worden. Nun einigte man sich in Brüssel darauf, dass die Mitgliedstaaten die EU-Vorgaben erst bis zum 26. Juli 2028 in nationales Recht umsetzen, ein Jahr später soll es dann für die betroffenen Unternehmen gelten.

EU-Lieferkettengesetz gilt nur noch für wenige Unternehmen

Konkret sind künftig Großunternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro von dem Gesetz erfasst. Ursprünglich waren als Grenze 1.000 Mitarbeitende und eine Umsatzschwelle von 450 Millionen Euro vorgesehen. Damit fallen rund 85 Prozent der ursprünglich erfassten Unternehmen aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes. Es gibt Schätzungen, dass noch rund 1.500 Firmen betroffen seien.

Die Firmen sollen dann nicht mehr pauschal ihre gesamte Lieferkette überwachen müssen, sondern nur noch dort nachforschen, wo sie selbst ein hohes Risiko für Verstöße vermuten. Die Reform streicht zudem eine EU-weite Haftung für Verstöße gegen das Gesetz. Damit hängen Entschädigungen für Opfer von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung künftig von den Gerichten in den jeweiligen EU-Staaten ab. Bußgelder für Verstöße sollen maximal drei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen.

Heftiger politischer Schlagabtausch im Europaparlament

Die Vorgeschichte

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Dem jetzt erfolgten Schritt war ein heftiger politischer Schlagabtausch im EU-Parlament vorausgegangen. Die konservative EVP-Fraktion um CDU und CSU hatte mit der Unterstützung rechter und rechtsextremer Parteien den Weg für eine Abschwächung des Regelwerks freigemacht.

Das Lieferkettengesetz ist eine Folge des Einsturzes einer Textilfabrik im Jahr 2013 in Bangladesch. Damals starben mehr als 1.100 Menschen, wegen mangelnder Arbeitssicherheit. In ähnlichen Fabriken werden in dem Land weiter T-Shirts, Hosen und Hemden für den deutschen und europäischen Markt genäht.

Der Bundestag verabschiedete bereits 2021 ein deutsches Lieferkettengesetz. Es greift seit 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten, seit Januar 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte damals im Plenum: "Dieses Lieferkettengesetz ist ein starkes Signal und ein wichtiger Schritt zur Durchsetzung grundlegender Menschenrechtsstandards in globalen Lieferketten."

Bundeskanzler Merz hatte sich für Abschaffung ausgesprochen

Die aktuelle Bundesregierung einigte sich im Koalitionsvertrag darauf, das deutsche Gesetz durch die EU-Regelung zu ersetzen. Bis diese in Kraft tritt, will sie Unternehmen entlasten, etwa durch weniger Berichtspflichten und weniger Sanktionen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte bei seinem Antrittsbesuch Anfang Mai in Brüssel sogar eine komplette Abschaffung des EU-Lieferkettengesetzes gefordert.

Das verlangt auch die AfD-Fraktion mit ihrem Entwurf eines Lieferkettensorgfaltspflichtenabschaffungsgesetzes und einem Antrag zur Abschaffung der EU-Lieferkettenrichtlinie. Zur Begründung heißt es, das Gesetz belaste deutsche Unternehmen und verursache volkswirtschaftliche Kosten, außerdem habe die Einführung des Gesetzes dazu geführt, dass deutsche Unternehmen im europäischen Binnenmarkt einen spürbaren Wettbewerbsnachteil erleiden würden. Mit dem AfD-Antrag soll die EU-Lieferkettenrichtlinie "zügig" abgeschafft werden "Wir wissen jetzt, dass der AfD arbeitende Menschen hier in Deutschland oder irgendwo anders auf der Welt völlig egal sind", sagte Jan Dieren (SPD). Das Lieferkettengesetz sei nur ein kleiner Schritt, der dazu beitrage, Arbeitsbedingungen und Menschenrechte einzuhalten. "Bei vertretbarem Aufwand, das ist doch wirklich nicht zu viel verlangt", betonte Dieren.

AfD sieht Nachteile für deutsche Firmen gegenüber EU-Konkurrenz

Malte Kaufmann (AfD) verwies auf die wirtschaftliche Lage des Landes. Die größten Schwierigkeiten, die den Wirtschaftsstandort im Moment schwächten, seien "hohe Steuern und Abgaben, hohe Energiekosten und viel zu viel Bürokratie", sagte Kaufmann. Um die Unternehmen zu entlasten, "müssen wir das Lieferkettengesetz abschaffen", forderte er.

Lars Ehm (CDU) hielt der AfD vor, "die Probleme des Lieferkettengesetzes mit der Brechstange lösen zu wollen". Die Union sehe sehr wohl, dass es in der derzeitigen Ausgestaltung des Gesetzes "erhebliche Probleme gibt". Unternehmen berichteten von Bürokratie und Rechtsunsicherheit, das sei aufgenommen worden, und es liege "bereits ein entlastender Gesetzentwurf vor", so Ehm.

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Sandra Detzer (Grüne) kritisierte in scharfen Worten die Zusammenarbeit der Christdemokraten mit den rechtsextremen Parteien im EU-Parlament. "Sie sind auf dem falschen Pfad unterwegs, und wir würden uns wünschen, dass Sie diese Fehler, die Sie in Brüssel begangen haben, korrigieren", sagte Detzer.

Auch Desiree Becker (Linke) warnte die Konservativen davor, mit Stimmen von Rechtsradikalen Mehrheiten zu bekommen, um die einzige Richtlinie auszuhöhlen, die Konzerne dazu bringe, die Zerstörung von Menschen und Umwelt zu stoppen. "Das ist ein Skandal", sagte Becker.

Der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion wurde mehrheitlich abgelehnt. Dagegen stimmten CDU/CSU, SPD, Grüne und Die Linke, dafür die AfD. Mit dem gleichen Abstimmungsverhalten wurde der AfD-Antrag abgelehnt. Beiden Abstimmungen lagen Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales zugrunde.