Gastkommentare : EU-Emissionshandel aufweichen? Ein Pro und Contra
Sollte die Europäische Union ihre Regeln für den CO2-Emissionshandel lockern? Daniel Wetzel ist dafür, Thomas Hummel hält dagegen: ein Pro und Contra.
Pro
Eine Reform ist nötig: Der Kauf von CO2-Zertifikaten wird für Unternehmen untragbar teuer
Der Emissionshandel ist das beste Instrument im Klimaschutz. Er verteilt das knappe CO2-Budget mit einem marktwirtschaftlichen Mechanismus auf die effizienteste Weise. Alle anderen Mittel, etwa Technikverbote, sind mit versteckten Kosten belastet und vernichten im Vergleich dazu mehr Wohlfahrt.
Was aber, wenn sich selbst das effizienteste Instrument als untragbar teuer erweist? Davor warnen Wirtschaftsverbände wie der DIHK, das sagt auch der Chef der Gewerkschaft Chemie Bergbau Energie: "Der CO2-Preis bringt unsere Betriebe um." Wenn Konzerne 20, 50 oder gar 100 Millionen Euro des Gewinns in den Kauf von CO2-Zertifikaten stecken müssen, wissen Investoren, wie sie reagieren. Die nächste Fabrik entsteht dann in Übersee. Die Abwanderung vernichtet Wohlstand und Arbeitsplätze, verursacht soziale Probleme, erhöht Umweltschäden. In Deutschland wollen schon 41 Prozent der Industriebetriebe Stellen abbauen. Die Rezession geht ins vierte Jahr, die AfD ist in Umfragen stärkste Kraft.
Der Industrie CO2-Zertifikate gratis zu geben, löst das Problem nicht. Der Emissionshandel muss so reformiert werden, dass die Industrie langfristig im globalen Wettbewerb nicht mit hohen Sonderkosten belastet wird. Ein Verstoß gegen die "reine Lehre" ist das nicht: Schon das überambitionierte Zieldatum der Klimaneutralität 2050 als Basis des Cap-and-Trade-Systems wurde von der Politik willkürlich gesetzt und steht so nicht im Pariser Klimavertrag. Auch verzerrt die Politik die freie Preisfindung im Emissionshandel längst durch systemwidrige Eingriffe wie der "Marktstabilisierungsreserve". Ein Markt ist eine organisierte Veranstaltung. Dieser Markt hat inzwischen verbogene Leitplanken. Sie müssen neu gezogen werden.
Contra
Das Ziel nicht aus den Augen verlieren: Der Zertifikatehandel ist die wirkungsvollste Klimaschutzmaßnahme
Die deutsche Industrie taumelt. Chemie, Stahl, Automobil - wichtige Branchen stehen unter Druck. Russisches Erdgas als billiger Energieträger ist weg, China baut gute Autos und Maschinen plötzlich selbst, dazu Donald Trumps Zölle. Das alles schwächt die deutsche Wettbewerbsfähigkeit. Doch worüber diskutieren Wirtschaft und Politik? Ob Klima- und Umweltschutz mit Wachstum vereinbar ist.
Die Antwort darauf gab zuletzt Stefan Wintels, Vorstandsvorsitzender der KfW-Bankengruppe: "Klimaschutz ist kein Wachstumshindernis, sondern ein Schlüssel zu Innovationen, starken Märkten und langfristiger Wettbewerbsfähigkeit", sagte er, "wirtschaftlicher Erfolg und Klimaschutz sind sehr häufig eng miteinander verbunden." Es ist das Ergebnis einer Untersuchung der KfW zusammen mit dem Beratungsunternehmen Deloitte.
Die mit Abstand wirkungsvollste Klimaschutzmaßnahme ist der CO2-Zertifikatehandel der EU. Wer Treibhausgase ausstößt, muss sich diese Erlaubnisscheine kaufen, die sukzessive weniger werden. Die deutsche Industrie hat bislang kostenlose CO2-Zertifikate bekommen, diese Sonderregel läuft nun aus.
Das ist eine Zusatzbelastung für die Unternehmen, Bundesregierung und Europäische Union müssen prüfen, ob sie gerade energieintensive Branchen mit Steuergeldern stützen wollen. Doch den Klimaschutz bremsen? Auf keinen Fall! Er zwingt Unternehmen, in die Zukunft zu investieren, in Energieeffizienz, in saubere Technologien. Green Tech ist gerade in Deutschland ein Exportschlager. Dabei kann man für einzelne Branchen Übergänge schaffen, aber darf das Ziel nicht aus den Augen verlieren.
Denn zur Erinnerung: Die schnelle Erwärmung ist eine existenzielle Bedrohung für das System Erde. Eine Gefahr für Natur, Gesellschaft und Wirtschaft - also am Ende auch für die deutsche Industrie.
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