Umstrittener Zoll-Deal zwischen EU und USA : Die europäische Wirtschaft wartet weiter auf Klarheit
Im EU-Parlament startet der Gesetzgebungsprozess zum Handelsdeal mit den USA. Bis zu einer Einigung werden Monate vergehen. Derweil führt Trump neue Zölle ein.
Mehr als ein Vierteljahr, nachdem sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) Ende Juli im schottischen Turnberry auf den Handels-Deal mit US-Präsident Donald Trump einließ, sind die Details der Vereinbarung noch immer nicht abschließend geklärt. Auf US-Seite hat Trump eine Executive Order erlassen, die Abmachung aber gleichzeitig ignoriert, indem er neue Zölle einführte.
Die EU ringt derweil darum, den Deal in einen Gesetzestext zu gießen. Der Handelsausschuss des Europäischen Parlaments (EP) hat sich dafür am Dienstag zum ersten Mal mit dem Bericht des zuständigen Europa-Abgeordneten Bernd Lange (SPD) beschäftigt.
Doch bis Europas Unternehmen wissen, welche Regeln beim Handel mit den USA für sie gelten, werden noch Monate vergehen. Lange rechnet frühestens im Januar 2026 mit einer Abstimmung im Europäischen Parlament. Anschließend muss die Volksvertretung noch mit den Mitgliedstaaten verhandeln. Möglicherweise könnten beide bis März eine Einigung erzielen, sagt Lange, der dem Handelsausschuss vorsteht.
Die Zölle könnten die Wirtschaftsleistung der EU erheblich dämpfen
Schon jetzt ist abzusehen, dass die Europa-Abgeordneten den Vorschlag der EU-Kommission nicht durchwinken werden. "Das Europäische Parlament war nicht einbezogen in die Absprachen", kritisiert Lange. "Das ist so nicht akzeptabel." Das EP entscheidet aber nur über einen Teil der Vereinbarung mit: Über die Senkung der Zölle auf null Prozent für Industrie- und zahlreiche Agrargüter aus den USA. Von der Leyen hatte im Gegenzug US-Zölle von 15 Prozent akzeptiert, weswegen sie viel Kritik einstecken musste.
Gegenüber den von Trump einst angedrohten 30 Prozent Zoll war dies jedoch ein erheblicher Fortschritt. Ökonomen prognostizieren, dass die Zölle von 15 Prozent die Wirtschaftsleistung in Europa pro Jahr um 0,2 bis 0,8 Prozent dämpfen werden.
„Unglücklicherweise sind wir immer noch von den USA abhängig.“
Seit dem Treffen in Schottland ist offensichtlich geworden, dass von der Leyen sich aus sicherheitspolitischen Gründen auf den Deal mit den USA eingelassen hat. "Unglücklicherweise sind wir immer noch von den USA abhängig", sagt der christdemokratische schwedische Europa-Abgeordnete Jörgen Warborn.
Doch Lange möchte die Diskussion darüber beenden, ob ein besserer Deal möglich gewesen wäre. Er will stattdessen mit "Leitplanken" dafür sorgen, dass die Vereinbarung mehr Planbarkeit für Europas Wirtschaft bringt: "Um die europäischen Unternehmen und Verbraucher zu schützen, sollte der Vorschlag an zentralen Stellen nachgebessert werden." Konkret will er den Handels-Deal auf eine Laufzeit von 18 Monaten begrenzen.
Nach sechs Monaten soll die EU-Kommission einen ersten Bericht über die Auswirkungen der Vereinbarung vorlegen, nach zwölf Monaten eine komplette Folgenkostenabschätzung. "Damit sollte der Blindflug ein Ende haben." Lange hatte kritisiert, dass sich von der Leyen auf den Deal eingelassen hatte, ohne dass die Folgen sauber analysiert worden wären. Die Liberalen im Europäischen Parlament unterstützen seine Forderung, den Deal zu befristen.
Stillstandsklausel soll die USA von weiteren Zollerhöhungen abhalten
Lange fordert außerdem eine so genannte Stillstandsklausel, die es der EU ermöglicht, die Verordnung ganz oder teilweise auszusetzen, wenn die USA sich nicht an die Abmachung halten. Weitere US-Zollerhöhungen müssten "rechtlich bindend ausgeschlossen werden", hatte zuvor auch Volker Treier gefordert, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).
Doch die USA haben seit dem Treffen in Schottland bereits neue Zölle eingeführt. So entfällt etwa auf 407 Kategorien von Produkten, die Stahl und Aluminium enthalten, ein neuer Zoll von 50 Prozent, was Lange als Verletzung des Abkommens wertet. Deutsche Unternehmen, die von den Zöllen auf Stahl und Aluminium betroffen sind, suchen bereits nach Alternativen, um die Unsicherheit zu reduzieren. So hat der niedersächsische Landmaschinenhersteller Krone angekündigt, sich vom US-Markt ganz zurückzuziehen.
Während die EU noch über die konkrete Umsetzung des Zoll-Abkommens verhandelt, schafft die Trump-Regierung neue Fakten - und denkt etwa über einen Strafzoll in Höhe von 92 Prozent auf italienische Pasta nach.
Die "Planungssicherheit", die von der Leyen nach dem Deal versprochen hatte, ist damit nicht eingetreten. Die Automobilhersteller, die Trump gezielt ins Visier genommen hatte, waren zwar erleichtert, dass die US-Regierung Ende September die Zölle von 27,5 Prozent rückwirkend zum 1. August auf 15 Prozent gesenkt hat. Diese sucht aber weitere Produkte, die mit Zöllen belegt werden könnten, etwa Medikamente, Polstermöbel und Holz. Italienischer Pasta droht wegen Dumping-Vorwürfen sogar ein Strafzoll von 92 Prozent.
Fraktionen am linken und rechten Rand lehnen den Deal strikt ab
Die spannende Frage ist nun, wie stark der Deal geändert werden muss, damit sich im Europäischen Parlament eine Mehrheit dafür findet. Die Fraktionen am linken und rechten Rand lehnen den Deal strikt ab und hatten ihn auch als Grund benannt, um im Oktober Misstrauensvoten gegen von der Leyen anzusetzen.
Die europäischen Christdemokraten wollen die Kommissionsvorlage möglichst wenig abändern, was sich mit der Position des Wirtschaftsdachverbands Business Europe deckt. Die für die EVP-Fraktion zuständige Abgeordnete Zeljana Zovko plädiert stattdessen für einen verstärkten Dialog mit den USA.
Den Liberalen gehen Langes Vorschläge in Teilen zu weit, etwa bei den Schutzmaßnahmen für bestimmte Produktkategorien. Lange will, dass sie greifen, wenn die Importe aus den USA um mehr als zehn Prozent steigen.
Die Grünen wollen den Lange-Bericht verschärfen. Ihre Berichterstatterin, Anna Cavazzini, will unter anderem das so genannte Anti-Zwangs-Instrument in der Verordnung verankern. Mit diesem Instrument hat sich die EU 2023 ein Mittel gegeben, um sich gegen Druck aus Drittländern zu wehren. Es kam allerdings noch nie zum Einsatz.
Die Autorin ist freie Korrespondentin in Brüssel.
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