Welthandel und Menschenrechte : Zukunft der Lieferkettengesetze bleibt weiter umstritten
AfD-Vorschläge zur Abschaffung des nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes und der EU-Lieferkettenrichtlinie stoßen im Bundestag auf Ablehnung.
Die AfD-Fraktion hat in dieser Woche gleich zwei Initiativen zum Stopp des nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes sowie der EU-Lieferkettenrichtlinie gestartet. Der Bundestag debattierte am Donnerstag über den Entwurf für ein “Lieferkettensorgfaltspflichtenabschaffungsgesetz” und über einen Antrag zur Aufhebung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD).

Große Unternehmen in Deutschland und der EU sind dazu verpflichtet, ihre Lieferketten sorgfältig zu überprüfen. So sollen Menschenrechte und Umweltschutz gestärkt werden.
Es handelt sich dabei zwar um zwei Paar Schuhe, doch sie berühren dasselbe Thema: das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und die europäische EU-Lieferkettenrichtlinie. Beide verpflichten Unternehmen dazu, ihre Lieferketten auf diverse Richtlinien wie beispielsweise Arbeitsrechtsstandards, Menschenrechte und Umweltauflagen zu überprüfen und zu dokumentieren.
Unternehmen kritisieren einen enormen Aufwand bei der Dokumentation und fordern eine Abschaffung oder Abschwächung des Gesetzes und der Richtlinie. Das aktuelle LkSG gilt seit dem 1. Januar 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten. Das europäische Lieferkettengesetz wurde 2024 beschlossen und sollte ab 2027 gelten, doch die EU-Kommission hat Anfang 2025 entschieden, die Umsetzung um ein Jahr zu verschieben. Ein Jahr später soll das Gesetz anschließend voll greifen. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, das LkSG abzuschaffen und durch ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung zu ersetzen.
Teile der Union nennen Lieferkettengesetz ein “bürokratisches Monster”
Die in Teilen emotional geführte Debatte zeigte einmal mehr, wie weit die Positionen zum Gesetz und zur EU-Richtlinie auseinanderliegen, auch bei den Regierungsfraktionen. Während die SPD das Lieferkettengesetz für eine der wichtigsten Errungenschaften der vergangenen Legislaturperiode hält, nennen Teile der Union es "ein bürokratisches Monster".
Gerrit Huy (AfD) forderte die Bundesregierung auf, den Ankündigungen im Koalitionsvertrag "Folge zu leisten" und "das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sofort zu streichen". Außerdem erinnerte Huy daran, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) während seines Besuchs bei der EU-Kommission in Brüssel die Abschaffung des EU-Lieferkettengesetzes gefordert habe, diesen Schritt aber wegen "des Koalitionspartners SPD nicht gehen konnte".
Sorgfaltspflichten für deutsche und EU-Unternehmen
📘 Das sogenannte EU-Lieferkettengesetz ist seit Juli 2024 in Kraft. Es enthält Sorgfaltspflichten für in Europa ansässige Unternehmen mit mehr als tausend Beschäftigten in Bezug auf Menschenrechte und Umweltbelange. Damit sollen Sklaverei, Kinderarbeit, Ausbeutung oder Umweltverschmutzung in den Lieferketten verhindert werden.
🕐 Nach einem Beschluss des Europäischen Parlaments vom April 2025 sollen die Mitgliedstaaten bis 2027 und Unternehmen bis 2028 Zeit bekommen, um die Regel in nationales Recht umzusetzen. Die Richtlinie soll auch inhaltlich geändert werden, um Unternehmen von Bürokratie zu entlasten.
❌ In Deutschland trat am 1. Januar 2023 das “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz” in Kraft. Es gilt nur für Unternehmen ab tausend Mitarbeitern und ist weniger weitreichend. So ist es zum Beispiel auf direkte Zulieferer beschränkt. Laut Koalitionsvertrag soll es abgeschafft und durch ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung ersetzt werden.
Alle anderen Fraktionen lehnen die Vorhaben der AfD ab. Die Union fordert eine Bestandsaufnahme des Gesetzes. "Wir brauchen freien Handel und setzen uns für Menschenrechte ein", sagte Klaus Wiener (CDU). Aus diesem Grund solle auf EU-Ebene die Richtlinie angepasst werden, sodass das Gesetz den Unternehmen und den Arbeitnehmern helfe. Wiener kritisierte das bestehende Lieferkettengesetz als "Bürokratie-Monster", das in der jetzigen Form vor allem für eine Überforderung des Mittelstands sorge.
Peter Aumer (CSU) rechnete vor, dass er aus seinem Wahlkreis Unternehmen kenne, die bis zu 250 Arbeitsstunden pro Jahr nur für die Dokumentationspflichten aufwendeten. "Das verursacht der Firma Zusatzkosten von 100.000 Euro", sagte Aumer.
Grüne und Linke wollen Lieferkettengesetz ausweiten
Die SPD machte deutlich, dass es mit ihr keine Aufweichung der EU-Lieferkettenrichtlinie geben werde. "Wer global wirtschaften will, der muss globale Verantwortung übernehmen", sagte Bernd Rützel. Der Sozialdemokrat erinnerte an die Pflicht der Unternehmer, sich für Arbeitsstandards, Menschenrechte und Umweltschutz einzusetzen. Die EU-Richtlinie werde dafür sorgen, dass sämtliche EU-Länder die "gleichen hohen Standards erfüllen müssen".
„Aber wie soll dann die Einhaltung der Menschenrechte überprüft werden?“
Die Abgeordneten von Grünen und von Die Linke warnten vor einer Aufweichung der Standards, die das nationale Lieferkettensorgfaltsgesetz und die CSDDD vorsehen. Sandra Detzer (Bündnis 90/Die Grünen) rief die Bundesregierung dazu auf, "den bisher eingeschlagenen Weg nicht zu verlassen". Etliche Firmen hätten sich seit dem Inkrafttreten des LkSG dazu entschieden, Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil zu nutzen. "Viele deutsche Unternehmen, vor allem Mittelständler, leben das längst", sagte Detzer, Nachhaltigkeit schreibe "längst schwarze Zahlen".
Agnes Conrad (Die Linke) nannte die Vorhaben der AfD "verstörend". Der Gesetzentwurf und der Antrag zeigten deutlich, dass der "AfD Menschenrechte egal sind". Verstörend sei aber auch, fügte Conrad hinzu, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag die Abschaffung des LkSG beschlossen habe und nun "in Brüssel für eine Aushöhlung der Standards im CSDDD geworben werde". Vor allem Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) fordere die Abschaffung jeglicher Berichtspflichten. "Aber wie soll dann die Überprüfung der Menschenrechte überprüft werden?", fragte Conrad.
Die beiden AfD-Vorschläge wurden zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Die Antragsteller blieben mit ihrer Forderung, den Ausschuss für Wirtschaft und Energie federführend mit den Beratungen zu beauftragen, ohne Mehrheit.
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