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Zollstreit mit den USA : „Ich gehe nicht davon aus, dass die Verhandlungen scheitern werden"

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange, über Provokationen im Zollstreit und einen US-Präsidenten, der "Spielgeld" braucht.

08.07.2025
True 2025-07-08T14:59:46.7200Z
4 Min

#1

Herr Lange, die US-Regierung hat den Stichtag für höhere Zölle auf den 1. August verschoben. Die EU und die USA verhandeln weiter. Wie wird der Zollstreit ausgehen?

Bernd Lange: Wir befinden uns in einer komplexen Situation, im Moment hängt alles ein wenig in der Luft. Ich gehe nicht davon aus, dass die Verhandlungen scheitern werden. Es kann sein, dass wir eine Verlängerung hinbekommen, es kann auch sein, dass wir eine Rahmenvereinbarung hinbekommen. Wenn wir uns auf eine Rahmenvereinbarung einigen, dann braucht es Zeit, bis die ausgehandelt ist. Was in der Zeit mit den Zöllen passiert, ist unklar. Wir Europäer sagen natürlich, dass gerade die sektoralen Zölle gesenkt werden müssen und dass neue Zölle, die in den USA noch geprüft werden - etwa bei Pharma - gestoppt werden müssen. Das haben die Amerikaner bisher aber nicht akzeptiert.

Foto: EP/Alexis Haulot
Bernd Lange
Bernd Lange (SPD) leitet seit 2014 den Ausschuss für internationalen Handel im Europäischen Parlament. Er ist seit 1994 mit fünfjähriger Unterbrechung Europaabgeordneter mit Schwerpunkt in der Industrie-, Energie- und Handelspolitik.
Foto: EP/Alexis Haulot

#2

Insgesamt ist die US-Regierung gerade nicht sehr freundlich zu den Europäern. US-Handelsminister Howard Lutnick hat EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič vergangene Woche nicht wie geplant in Washington empfangen, weil er über das lange Wochenende mit der Familie nach Italien geflogen war. Empfinden Sie das als Provokation?

Bernd Lange: Provokationen hat es ja schon häufiger gegeben. Dass die USA während der Verhandlungen die Zölle für Stahl von 25 Prozent auf 50 Prozent hochgesetzt haben, ist auch eine Provokation. Ich hätte darauf reagiert und Gegenzölle in Kraft gesetzt. Die Verhandlungen mit den USA sind insgesamt völlig untypisch. Der Handelsbeauftragte Jamieson Greer, der für die allgemeinen Zölle zuständig ist, und Lutnick, der für die sektoriellen Zölle zuständig ist, sagen, sie könnten nur Vorschläge machen. Die Entscheidung trifft am Schluss US-Präsident Donald Trump. Normalerweise hat man bei Handelsgesprächen eine Tagesordnung, und die wird abgearbeitet. Am Ende weiß man, ob man eine Einigung erzielt hat oder nicht. Hier wird alles gleichzeitig verhandelt, und nichts ist koordiniert.

#3

Dazu passt, dass Trump die EU-Gesetzgebung bei Lebensmittelsicherheit und Digitalem als unfaire Handelsbarrieren bezeichnet und sie wegverhandeln will. Wird er damit durchkommen?

Bernd Lange: Im Moment gehe ich nicht davon aus. Die Generaldirektion Handel ist bei dem Thema standhaft, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eher nachgiebiger. Da muss man schauen, wer sich wie durchsetzt. Die USA packen alles zusammen: Zölle, Steuern, Strafen. Beim Digital Markets Act gibt es Strafen, weil US-Unternehmen gegen EU-Wettbewerbsrecht verstoßen haben. Da kann es meiner Ansicht nach keine Ausnahmen für US-Unternehmen geben. Die EU muss ihre eigenen Gesetze ernst nehmen.

#4

Wie einig erleben Sie die EU-Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen?

Bernd Lange: Manche Länder wollen schnell einen Deal, etwa Deutschland bei den Autos. Wobei es unklar ist, ob es Zölle oder Quoten für einzelne Hersteller geben soll oder eine Gesamtquote für die EU, die dann regional aufgeteilt wird. BMW produziert ja alle Fahrzeuge der X-Reihe in den USA. Möglicherweise gibt es da einen Gegenrabatt. Es ist bisher offen. Andere Länder wie Frankreich wollen Klarheit und nicht eine Vereinbarung, die wenig aussagt. Die öffentliche Kritik von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) an der Verhandlungsführung der EU-Kommission war übrigens nicht sehr hilfreich. Nicht die EU ist kompliziert, sondern die USA sind kompliziert. Man kann mit denen im Moment nicht strukturiert verhandeln. Die US-Industrie, die auch nicht alle Zölle gut heißt, hat übrigens ebenfalls ein Problem, weil sie kaum Gehör bei Trump findet. Ich habe das vor kurzem in Washington von Industrievertretern erfahren. Einzelne Unternehmen oder CEOs, die Trump von früher kennen, dringen bei ihm mit ihren Anliegen durch. Dass beispielsweise Apple eine Ausnahme für Elektronikteile aus China bekommen hat, fanden andere nicht gut. 

#5

Braucht Trump die Zolleinnahmen, um seinen Haushalt zu sanieren?

Bernd Lange: Das ist eindeutig so. Die Big Beautiful Bill und die Zölle hängen zusammen. Trump braucht ein wenig Spielgeld, damit das Haushaltsdefizit nicht noch höher ausfällt und er ein paar Projekte finanzieren kann. Im vergangenen Jahr hat Europa etwa sieben Milliarden Euro an Zöllen an die USA gezahlt. Wenn die Zölle auf Stahl und Auto bei 25 Prozent lägen und zehn Prozent auf andere Exporte anfallen würden, dann würde Europa 100 Milliarden Euro im Jahr an Zöllen an die USA zahlen. Ich habe gelesen, dass die USA im Moment 600 Millionen Dollar am Tag an Zöllen einnehmen. Meine Einschätzung ist, dass die USA ein gewisses Maß an Zöllen setzen werden. So wie vorher wird es nicht wieder werden. 

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