
Gastkommentare : Geheimhaltung bei Waffenlieferungen? Ein Pro und Contra
Sollen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine künftig nicht mehr öffentlich gemacht werden? Ein Pro und Contra mit Richard Herzinger und Julia Weigelt.
Pro
Es ist klüger, die Invasoren im Unklaren darüber zu lassen, was sie erwartet

Der Beschluss der neuen Bundesregierung, Art und Umfang von Waffenlieferungen an die Ukraine künftig nicht mehr zu veröffentlichen, ist grundsätzlich richtig. Denn die bisherige Praxis, genau darzulegen, was und wie viel die Ukraine an Kriegsgerät erhält, kommt vor allem dem Aggressor Russland zugute, der sich so im Voraus militärtaktisch darauf einstellen kann.
Klüger ist es, die Invasoren darüber im Unklaren zu lassen, was sie an Feuerkraft auf dem Schlachtfeld erwartet. Zudem haben die deutschen Endlosdebatten über das Für und Wider einzelner Waffenlieferungen nur den Effekt, dringend benötigte Hilfe für die ukrainische Armee zu verschleppen. Überdies nutzt sie Putins Propaganda- und Desinformationsapparat als Einfallstor, um Ängste in der hiesigen Bevölkerung zu schüren, die Bereitstellung dieses oder jenes Waffentyps könne Deutschland zur "Kriegspartei" werden lassen.
Ob die Ukraine der russischen Aggression standhalten kann, entscheidet über die Zukunft des gesamten demokratischen Europa. Es darf daher kein Zögern mehr geben, dem überfallenen Land uneingeschränkt jede erforderliche militärische Ausrüstung zukommen zu lassen - einschließlich der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern.
Sinn ergibt das neue Verfahren daher nur, wenn die Bundesregierung dieser Aufgabe nun ohne öffentliches Aufheben konsequent nachkommt - nicht aber, falls die Geheimhaltung der Verschleierung fehlender Energie und mangelnden Willens bei der Stärkung der ukrainischen Kampfkraft dienen sollte. Doch scheint die Entscheidung Berlins mit der ukrainischen Regierung abgesprochen zu sein. Und sollte die neue Regelung doch auf Kosten der Ukraine gehen, wird sie ihren Protest dagegen gewiss nicht geheimhalten.
Contra
Klare Angaben sind ein starkes Signal, dass "Whatever it takes" noch gilt

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will Waffenlieferungen Deutschlands zukünftig nicht mehr veröffentlichen. Er verkauft das als "strategische Ambiguität" im Dienst der Ukraine. Damit schneidet Merz sich gleich zweimal ins eigene Fleisch. Erstens, was sein eigentliches Ziel angeht. Denn man muss weder Clausewitz noch Sun Tsu gelesen haben, um zu erkennen, dass die CDU damit Wählerstimmen von AfD- und BSW-Sympathisanten abfischen will, denen ein Diktatfrieden zu Lasten der Ukraine nicht schnell genug kommen kann. Die Idee: Wenn über Waffenlieferungen weniger gesprochen wird, gibt es auch weniger Empörung darüber. Mit dieser unterkomplexen Vorstellung wird Merz jedoch nicht durchkommen, denn der Krieg wird weitergehen und Medien werden weiter darüber berichten. Die CDU sollte vielmehr von der SPD lernen, dass Wahlplakate mit Aufdruck "Frieden" nicht ziehen.
Zweitens verliert auch die Ukraine durch Merz' Entscheidung. Denn das überfallene Land braucht Beistand durch militärisches Gerät genauso wie politisches Kapital: Wenn die Länder, die vom untergegangenen Label "Der Westen" noch übrig geblieben sind, sehen, wie viel Deutschland gibt, nehmen sie wahr, dass sie in guter Gesellschaft sind. Auch in Richtung Russland sind klare Angaben über umfangreiche Waffenlieferungen ein starkes Signal, dass "Whatever it takes" noch gilt. Das sieht auch der ehemalige Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, so.
Eine Bundesregierung, die mit Symbolpolitik versucht, Vertrauen und Zusammenhalt zu erreichen, wird damit genau das verspielen. Deswegen darf sie stattdessen lieber schon jetzt den anstrengenden Weg gehen: Raum schaffen, in dem Angst vor Krieg und Wohlstandsverlust da sein darf, ohne als "Putin-Freund" beschimpft zu werden. Einräumen, dass es 2025 tatsächliche Ambiguität gibt. Und dass ein "Weiter so" oder ein Zurück zur "guten alten Zeit" nicht mehr möglich sind.
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