Vor dem EU-Gipfel : Merz fordert ein stärkeres Europa
Europa müsse "entschlossener und geschlossener" handeln, verlangt Kanzler Merz in einer Regierungserklärung. Die Opposition kritisiert seine innenpolitische Bilanz.
Die Lage ist kritisch, wenn sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie EU-Ratspräsident António Costa am kommenden Donnerstag und Freitag zum EU-Rat versammeln. Die anhaltende russische Aggression gegen die Ukraine und sich häufende Zwischenfälle wie Sabotageakte und Drohnenüberflüge haben von der Leyen unlängst veranlasst, von einem "Europa im Kampf" zu sprechen.

Mit welchen Positionen er kommende Woche zum EU-Gipfel nach Brüssel reist, erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Donnerstag im Bundestag.
Auch wirtschaftlich steht Europa zunehmend unter Druck: durch die US-amerikanische Zollpolitik, durch starke Konkurrenz aus China und chinesische Exportbeschränkungen bei wichtigen Rohstoffen. Darüber sowie auch über Themen von Agrarpolitik bis Zuwanderung soll in Brüssel beraten werden.
Mit welchen Positionen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in diesen Europäischen Rat gehen will, hat er am Donnerstag im Bundestag in einer Regierungserklärung erläutert. Der in Kairo gestartete Waffenstillstandsprozess für Gaza habe gezeigt: "Politisches Handeln macht den Unterschied in dieser Welt". Eine Lehre daraus sei, dass Europa "seine Möglichkeiten entschlossener und geschlossener nutzen" müsse, um die Welt zum Besseren zu gestalten. "Eine Friedensmacht zu sein in der Welt, das ist und bleibt die Grundidee der Europäischen Union", sagte Merz. Frieden gelinge aber nur, wo er unterlegt sei mit Stärke.
Neben militärischer hatte Merz dabei auch wirtschaftliche Stärke im Blick. Um nicht im globalen Wettbewerb zurückzufallen, brauche es grundlegende Änderungen: "Schluss mit der Regulierungswut, schnellere Verfahren, offene Märkte, mehr Innovation, mehr Wettbewerb". Vorschläge dazu lägen auf dem Tisch, und er werde sich in Brüssel dafür einsetzen, dass sie schnell umgesetzt werden.
AfD sieht Deutschland auf “wirtschaftlicher Talfahrt”
Für Alice Weidel (AfD) belegt die Unterzeichnung des Gaza-Abkommens in Ägypten, "wie sehr der Einfluss Deutschlands gelitten hat". Um das zu kaschieren, habe Merz "wieder mal mit der Brieftasche des deutschen Steuerzahlers gewedelt". Er wolle einen dreistelligen Millionenbetrag "für einen vagen Wiederaufbau verschleudern". Weidel malte das Bild eines Deutschland auf "wirtschaftlicher Talfahrt". "Unerhört" sei es, dass die Bundesregierung "immer noch den Zahlmeister der Welt mit den dicksten Spendierhosen" spiele.
Matthias Miersch (SPD) richtete an den Kanzler die Erwartung, dass er sich in Brüssel "mit aller Macht" für den Zollvorschlag der EU-Kommission zum Schutz der Stahlindustrie einsetzt. Außerdem solle er beim EU-Rat die Themen Industriestrompreis und "Buy European", also den Vorrang europäischer Anbieter bei Beschaffungen, ansprechen.
Katharina Dröge (Grüne) konstatierte angesichts innerkoalitionärer Differenzen in Fragen des Wehrdienstes und der Rente, Merz reise nach Brüssel "als Kanzler, der den Laden nicht im Griff hat". Ein Entschließungsantrag, mit dem ihre Fraktion zu mehr Einsatz für den Klimaschutz beim EU-Rat drängt, scheiterte.
Linke fordern Friedensinitiative statt Aufrüstung
Den Vorwurf der Uneinigkeit wies Jens Spahn (CDU) zurück. "Wir haben noch bei jeder Abstimmung die notwendige Mehrheit gehabt", auch das Wehrdienstgesetz werde man so "zur Entscheidung führen".
Sören Pellmann (Linke) nannte es "Heuchelei und Täuschung", dass die EU der Ukraine eine Mitgliedschaft in Aussicht stellt. Die EU solle stattdessen Friedensinitiativen wie die des kasachischen Präsidenten Tokajew unterstützen und ihr "Aufrüstungspaket stoppen".