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Foto: Deutscher Bundestag/Tobias Koch
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) im Gespräch mit dem Sprecher des amerikanischen Unterhauses, Mike Johnson (mitte l.), und ihrem ukrainischen Amtskollegen, Ruslan Stefantschuk.

Konferenz der G7-Parlamentspräsidenten in Kanada : Demokraten wollen sich der Polarisierung widersetzen

Julia Klöckner hat die Parlamente bei der G7-Konferenz in Ottawa als "Hüter der demokratischen Kultur" bezeichnet. Es gebe für keine Seite einen moralischen Rabatt.

08.09.2025
True 2025-09-08T13:20:05.7200Z
4 Min

Die parlamentarische Demokratie ist nach Auffassung von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) nach wie vor am besten geeignet, aus Irrtümern zu lernen. Demokraten würden nicht spalten, sondern sich der Polarisierung widersetzen, sagte sie bei der Parlamentspräsidentenkonferenz der G7-Staaten im kanadischen Ottawa. Je stärker die politischen Ränder würden, desto klarer bestehe man auf der Einhaltung der eigenen Regeln: „Wir geben keiner Seite einen moralischen Rabatt.“

Zu dem jährlichen Treffen vom 4. bis 7. September hatte der Sprecher des kanadischen Unterhauses, Francis Scarpaleggia, eingeladen. Konferenzthemen waren Desinformationen, Blockbildungen und Gewalt gegen Politiker. Klöckner sprach als Hauptrednerin zum Thema „Gesetzgebung in einer polarisierten Welt: Förderung einer respektvollen Debatte im Plenum und darüber hinaus“. In bilateralen Gesprächen tauschte sie sich am Rande der Konferenz unter anderem mit dem Sprecher des amerikanischen Unterhauses, Mike Johnson, und ihrem ukrainischen Amtskollegen, Ruslan Stefantschuk, aus. 

Foto: Deutscher Bundestag/Tobias Koch

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner wird zu Beginn der G7-Parlamentspräsidentenkonferenz von ihrem kanadischen Amtskollegen Francis Scarpaleggia begrüßt.

Parlamentarier müssten in polarisierten Gesellschaften sowohl jene enttäuschen, die schnelle und tiefgreifende Reformen fordern, als auch jene, die wenig oder keine Veränderung wollten, betonte Klöckner in ihrer Rede. Radikale Reformen seien in einer Demokratie selten richtig, und ein Leben ohne Veränderung gebe es nicht. Als Aufgabe der Parlamente bezeichnete sie es, Unterschiede erträglich zu machen, Gegensätze öffentlich auszutragen und sie in Entscheidungen zu überführen, die für alle gelten.

Klöckner: "Müssen Grenzen ziehen, wenn Extremisten die Institution attackieren"

Parlamente, so Klöckner weiter, seien die Hüter der demokratischen Kultur und müssten Orientierung geben. Anders als autoritäre Systeme besäßen sie die Überzeugungskraft demokratischer Werte. Grenzen müssten gezogen werden, wenn Extremisten die Institutionen attackieren, doch dürfe nicht jeder Widerspruch als Extremismus gebrandmarkt werden. Die Demokratie werde nicht dadurch verteidigt, dass man ihren Boden verlasse. 


„Angst darf nicht Politik machen.“
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU)

Die Bundestagspräsidentin sprach außerdem zu den Konferenzthemen Online-Desinformation und Schutz der Abgeordneten vor Gewalt. Sie betonte, Falschinformationen im Netz mit dem Ziel, demokratische Institutionen zu erschüttern, nähmen an Qualität und Häufigkeit zu – unterstützt durch Künstliche Intelligenz. Klöckner plädierte dafür, Verhältnismäßigkeit zu wahren. Nicht jede falsche Aussage sei gefährlich und nicht alles gehöre als Desinformation strafrechtlich verfolgt.

G7-Parlamentspräsidenten sichern der Ukraine weiter Unterstützung zu

Angesichts der zunehmenden politisch motivierten Gewalt müsse der Rechtsstaat „klare Kante“ zeigen. Wenn vor allem Frauen sich aus der Politik zurückziehen, verliere die Demokratie an Stärke, warnte Klöckner. Die Lösung sieht die Bundestagspräsidentin in Prävention. Politische Bildung müsse immun machen gegen Hass und Desinformation. Engagierte bräuchten Rückhalt. Besonders für Frauen brauche man Vorbilder, Empowerment und Netzwerke. Die Demokratie als Ganzes müsse sich sichtbar, solidarisch und entschlossen wehren: „Angst darf nicht Politik machen.“

Treffen der G7-Parlamentspräsidenten

👉 Die G7-Parlamentspräsidenten und Sprecher kommen seit dem Jahr 2000 jährlich zu einem Treffen zusammen, um sich gegenseitig auszutauschen und die interparlamentarischen Beziehungen zu stärken. Das Europäische Parlament ist seit 2007 als ständiger Gast dabei. 

❌ Bis 2014 zählte auch Russland zu der Gruppe - damals noch G8 genannt. Doch als Reaktion auf die russische Annexion der Krim wurde das Land aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.

🤼‍♀️ Zu den führenden demokratischen Industriestaaten, kurz G7, gehören die USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland. Japan war in Ottawa allerdings diesmal nicht vertreten. Mit dabei waren aber die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, und der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk.



In der Abschlusserklärung verurteilten die Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und sicherten dem Land fortlaufende Unterstützung zu. Bundestagspräsidentin Klöckner und Stefantschuk vereinbarten, sich noch in diesem Jahr in Berlin wieder treffen zu wollen. Zudem hielten die Teilnehmer in der Abschlusserklärung gemeinsame Linien zu den Themen Desinformation, politische Polarisierung und Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker fest.

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