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Erweiterte Pflegekompetenzen : Pflegekräfte dürfen künftig mehr entscheiden

Pflegefachpersonal soll im Versorgungsalltag künftig teils unabhängig von Ärzten entscheiden. Derweil überlagert die Diskussion um höhere Kassenbeiträge die Debatte.

07.11.2025
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4 Min

Die finanzielle Schieflage in der Gesetzlichen Kranken- und Sozialen Pflegeversicherung (GKV/SPV) überlagert derzeit die Fachdebatten im Gesundheitswesen. Immerhin geht es um die langfristige Sicherung einer hochwertigen Versorgung für Kranke und Pflegebedürftige sowie gleichzeitig darum, ständig steigende Beiträge zu verhindern. 

Der Bundestag hat in dieser Woche mit dem Gesetzentwurf zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege auch ein Sparpaket verabschiedet, das dafür sorgen soll, die Beiträge in der GKV 2026 stabil zu halten. Für den Entwurf stimmten Union und SPD, die AfD-Fraktion votierte dagegen, Grüne und Linke enthielten sich.

Krankenhäuser fühlen sich durch Sparpaket benachteiligt 

Wie immer, wenn es ums Geld geht, wird auch in der Gesundheitspolitik hart gestritten. Die separate Anhörung über das Sparpaket am Montag war ein gutes Beispiel dafür, denn die Krankenhäuser fühlen sich an der Nase herumgeführt. Der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, wurde nicht müde, den Abgeordneten zu erläutern, wie sinnlos es aus seiner Perspektive ist, den Kliniken erst mehr Geld zu verschaffen, damit sie den angestoßenen Strukturwandel überstehen, um es dann gleich wieder einzukassieren.

Foto: picture alliance / imageBROKER

Pflegekräfte warten schon lange darauf, dass ihre vielfältigen Kompetenzen in der Versorgung der Patienten besser gewürdigt werden. Nun soll mit einer Reform die Pflege aufgewertet werden.

Nachdem Kassenvertreter verdeutlicht hatten, dass mit dem Sparpaket höhere Beiträge 2026 keineswegs ausgeschlossen seien, und einen Sparbeitrag auch bei Ärzten und der Pharmaindustrie eingefordert hatten, erkundigten sich Abgeordnete vorsichtig bei der DKG und den Krankenkassen nach möglichen Kompromissvarianten. Das Sparpaket umfasst drei Punkte: Geplant sind Einsparungen von 1,8 Milliarden Euro bei Kliniken sowie jeweils 100 Millionen Euro beim Innovationsfonds der GKV sowie bei den Verwaltungskosten der Krankenkassen.

Das eigentliche Pflegekompetenzgesetz wird von Fachleuten hingegen unterstützt, weil Pflegekräfte nach Ansicht von Branchenkennern viel mehr können, als sie dürfen. Künftig sollen Pflegefachpersonen eigenverantwortlich weitergehende Leistungen als bisher und, je nach Qualifikation, auch Leistungen erbringen können, die bisher Ärzten vorbehalten waren. Dies soll zu einer besseren Versorgung, etwa beim Management chronischer Erkrankungen sowie in der Prävention und Gesundheitsförderung, führen. Im Gesetzentwurf genannt werden Aufgaben in den Bereichen diabetische Stoffwechsellage, chronische Wunden und Demenz. Die Vorlage wurde in den parlamentarischen Beratungen noch an zahlreichen Punkten verändert und erweitert durch sachbezogene und sachfremde Änderungsanträge.

Eigenverantwortliche Entscheidungen von Pflegefachkräften

Anne Janssen (CDU) sagte, die Pflege habe in der Vergangenheit darunter gelitten, dass "zu viele Knoten geknüpft" wurden. Sie fügte hinzu: "Ein guter Knoten hält, zu viele können fesseln." Pflegekräfte würden tagtäglich von Bürokratie lahmgelegt. "Das vorliegende Gesetz löst viele dieser Knoten, damit die Besatzung wieder arbeiten kann." Die Fachkräfte sollten das tun dürfen, wofür sie ausgebildet seien, "mit einem klaren Kompetenzrahmen, mit Vertrauen und mit viel weniger Papierkram".


„Damit stabilisieren wir die Beitragssätze und halten unser politisches Versprechen an die Beitragszahler.“
Georg Kippels (CDU)

Völlig anders wertete Martin Sichert (AfD) die Reform. Zwar werde immer versprochen, Bürokratie abzubauen, in der Realität werde aber neue Bürokratie geschaffen. Er monierte, das gesamte Gesundheitswesen sei überreguliert. Es müsse Schluss sein mit noch mehr Bürokratie, während Leistungen immer schlechter würden und die Beiträge weiter stiegen.

Claudia Moll (SPD) sagte, das aktuelle Gesetz bilde mit den vorherigen Reformen beim Pflegestudium und der Pflegeassistenz einen Dreiklang und bringe die Pflege voran. Moll betonte: "Endlich dürfen Pflegefachkräfte das tun, was sie sowieso schon können." Sie würdigte auch die Möglichkeit für neue Versorgungsformen. Die "stambulanten Strukturen" verbänden die Vorteile von ambulanter und stationärer Pflege.

Grüne und Linke beklagen ständigen Vorrang für Ärzte

Auch Simone Fischer (Grüne) sprach von einem richtigen Ansatz. Jedoch hingen die neuen Befugnisse weiter an ärztlicher Delegation, Diagnosen und Indikationen. Das sei eine vertane Chance.


„Aus meiner Zeit in der Pflege weiß ich, wie unfassbar viel Kraft, Zeit und Nerven das ärztliche Delegationsprinzip kostet.“
Evelyn Schötz (Die Linke)

Ähnlich äußerte sich Evelyn Schötz (Linke), die schilderte, wie teilweise langwierig und umständlich im Pflegealltag die Zusammenarbeit mit Ärzten aussieht. "Aus meiner Zeit in der Pflege weiß ich, wie unfassbar viel Kraft, Zeit und Nerven das ärztliche Delegationsprinzip kostet." Der Entwurf bleibe daher hinter den Erwartungen zurück. So würden nur drei Teilbereiche für erweiterte Pflegekompetenzen genannt: Demenz, Diabetes und das Wundmanagement. Sie fragte: "Wo sind die konkreten Festlegungen für Schmerztherapie, für Maßnahmen bei Mangelernährung, Flüssigkeitsmangel, Luftnot? Das sind alles Dinge, die Pflegekräfte täglich sehen, bewerten und behandeln. Es ist aber rechtlich eine Grauzone." Insofern sei der Entwurf Stückwerk.

Der Parlamentarische Gesundheits-Staatssekretär Georg Kippels (CDU) ging neben der Pflegekompetenz auf das GKV-Sparpaket ein. So werde kurzfristig eine Finanzierungslücke von bis zu zwei Milliarden Euro geschlossen. "Damit stabilisieren wir die Beitragssätze und halten unser politisches Versprechen an die Beitragszahler." Es sei seit 2019 das erste Mal, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag nicht erhöht werden müsse. Die Reform sei ein Schritt in die richtige Richtung.

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