Vor 35 Jahren : Bundestag verkürzt den Wehrdienst
Nur wenige Wochen vor der Wiedervereinigung verkürzt der Bundestag mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition den Wehrdienst um drei Monate auf nun zwölf Monate.
Vor allem der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sorgt dafür, dass in Deutschland eine Rückkehr zur 2011 ausgesetzten Wehrpflicht diskutiert wird. Man könnte von einer "Ironie der Geschichte" sprechen, wenn man bedenkt, dass ebenfalls Ereignisse in Osteuropa einst dazu geführt hatten, die Dauer des Wehrdienstes zu verkürzen. Am 13. September 1990 beschloss der Bundestag, den Dienst an der Waffe von 15 auf zwölf Monate zu reduzieren, der Zivildienst wurde von 20 auf 15 Monate verkürzt.
Union spricht von “abrüstungspolitischem Signal”
"Mit diesem Schritt werden ab 1. Oktober 1990 in der Bundeswehr 35.000 Soldaten weniger ihren Dienst tun", rechnete der CDU-Abgeordnete Roland Sauer vor. "Dies ist ein abrüstungspolitisches Signal." Die Wehrpflicht solle allerdings "zentraler Bestandteil unserer Verteidigungspolitik bleiben. Wir wollen den Bürger in Uniform und keine Berufsarmee".

Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) bei einem Kasernenbesuch in Bad Salzungen im Oktober 1990.
Mit Blick auf die Mannstärke war man damals davon ausgegangen, dass die Bundeswehr nach der Wiedervereinigung 50.000 Soldaten von der Nationalen Volksarmee übernimmt, sodass die gesamtdeutschen Streitkräfte etwa 370.000 Soldaten umfassen würden.
Uneinigkeit herrschte in der Debatte im September 1990 vor allem bei der Dauer des Zivildienstes. Denn schon damals gab es einen Pflegenotstand. Und so wehrten sich Träger sozialer Dienste und Wohlfahrtsverbände gegen eine Verkürzung des "Zivis". Diese dürften die Ersatzdienstleistenden aber "nicht als Lückenbüßer für ihre Personalprobleme benutzen", so Sauer. "Der Pflegenotstand kann nur gemildert werden, wenn die sozialen Berufe attraktiver gestaltet und besser bezahlt werden." Gleichzeitig forderten die SPD-geführten Länder im Bundesrat, dass Zivil- und Wehrdienst gleich lang sein sollten - scheiterten aber letztlich mit dem Vorstoß.
Zurück zu den Anfängen des Wehrdienstes
Den Grünen ging das alles nicht weit genug. Sie wollten eine vollständige Abschaffung der Wehrpflicht. "Inhalt der Wehrpflicht" sei "die Ausbildung zum Massenmord" und passe daher nicht "mit dem humanen Selbstverständnis einer Demokratie" zusammen, schimpfte die Abgeordnete Gertrud Schilling.
Mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition passierte die Verkürzung der Dienstzeiten schließlich das Parlament. Damit war die Dauer des Wehrdienstes wieder genau so lange wie nach dessen Einführung: Nach dem der Bundestag die Wehrpflicht im Sommer 1956 beschlossen hatte, war eine Dienstdauer von 18 Monaten im Gespräch; zunächst wurde zwar eine Wehrdienstzeit von zwölf Monaten festgelegt, unter dem Eindruck des Mauerbaus wurde der Wehrdienst 1962 aber zunächst auf 15, dann auf 18 Monate verlängert. Ab 1973 wurde er sukzessive immer weiter verkürzt, zuletzt - ab Januar 2011 - auf sechs Monate, bevor der Wehrdienst ausgesetzt wurde.
Die Verkürzung 1990 hatte auf einige Wehrpflichtige schnell konkrete Folgen: Da das Gesetz rückwirkend in Kraft trat, konnten Männer, die am 30. September bereits zwölf Monate oder länger Grundwehrdienst geleistet hatten, entlassen werden. Denjenigen, die länger dienen wollten, hatte Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) finanzielle Anreize in Aussicht gestellt.

Finden sich nicht genügend Freiwillige, um die Personalstärke der Bundeswehr zu erhöhen, sieht der Gesetzentwurf auch die verpflichtende Heranziehung als Option vor.

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